4.


Theophrastus Paracelsus.

[4] Unter den Gelehrten aller Zeiten und Nationen hat vielleicht keiner sich einen größern Namen erworben, als Theophrastus Paracelsus; ein Mann, der durch seine entschieden große Talente, noch mehr aber durch seine Reformationssucht, durch seine beyspiellose Prahlerey und geheimnisvolle Dunkelheit, in seinem Zeitalter sich auszeichnete.


Sein Geschlechtsname war, wie Haller sagt, Höchener, welchen er aber, weil er ihm viel zu[4] einfach klang, mit dem prächtigen Philippus Aureolus Theophrastus Paracelsus Bombastus von Hohenheim vertauschte. Noch heutzutage nennt man nach ihm allen leeren Prunk, Bombast.


Er suchte vorzüglich das Ansehen Galen's und der Arabischen Aerzte zu stürzen, und auf dessen Trümmern sein neues chemisches System desto glänzender zu erbauen. Allein er zog auf eine sehr plumpe Art gegen sie zu Felde. An einer Stelle sagt er:


»Ich sage euch, mein Gauchhaar im Genik weiß mehr, dann ihr und all ewere Scribenten; und meine Schuhrinken seind gelehrter, dann ewer Galenus und Avicenna. Mein Bart hat mehr erfahren, dann all ewere hohe Schulen, und ihr dürfet nicht dahin riechen, wo ich geschmecket habe. Ich will die Stund greiffen, daß euch die Säu im Koth müssen umbziehen.«


An einem andern Ort heißt es:


»Mir nach, ich nit euch nach, ihr mir nach, und ich nit euch nach, Avicenna, Galene, Rhazis, Montagnana, Mesue; mir nach, ihr von Paris, ihr von Mompelier, ihr von Meissen, ihr von Kölln, ihr von Wien, ihr Inseln am Meer; du Italia, du Dalmatia[5] und Hispania, ihr von Athen, ihr von Arabia, und von Israel; ihr mir, und ich nit euch nach. Ich wird Monarcha und mein wird die Monarchey sein und ich führe die Monarchey und gürte all euch ewere Länden.«


Von seinen Collegen redet er mit großer Verachtung, so wie von der ganzen Gelehrsamkeit überhaupt, und er hält es blos mit dem Kopf, der sich immer selbst genug ist:


»Es ist nit damit ausgemacht, daß meines Herrn Doctors Ehrwürd auf einem Esel reit und Meister Hämmerle Arschkratzer1 auf einer Merrhen. Es sollten die, so Allmusen geben zu den Spitälern, Gott um mehr Gnad bitten, daß ihr Allmusen zu Kräften erschiese und nicht daß Doctor Starwadel und sein Esel wohl gehalten werde, und Meister Hämmerle mit seiner gefärbten Büchsen, in denen der Kranken Heil nicht stecken.«


»Man wollt mich umstoßen mit Hebreischen, Griechischen und Arabischen. Aber was hilfft mich, Lügen mir interpretirt anzeigen, dieweil ich, als ein Arzt, der Wahrheit,[6] und nicht der Lügen soll ein Doctor seyn? Wer nichts kann auf deutsch, der disputirt auf Griechisch, und der nicht kan auf Latein, disputirt auf Alacutisch.2«


Am Ende ruft er selbst gefällig aus:


»Was ist doch, daß man so viel Wesen von Lutheri und Zwinglii Schriften macht, so es doch eitel Bacchantenwerk ist, wenn ich anfangen wollte, zu schreiben, so wollte ich sie und den Pabst erst recht in die Schul führen.«

»Wie gefällt euch der Peregrinus? Wie gefällt euch der Waldesel von Einsidlen.3«


Sein neues Lehrgebäude der Medicin hatte folgende Hauptsätze. Als Grundprincip der Körper nahm er Schwefel, Salz und Quecksilber an. Rothen Schwefel suchte er im Blut, Muskeln und in den Eingeweiden, gelben Schwefel in dem Fett, Mark und Knochen. Grünes Salz nahm er in der Galle an, leichtes Quecksilber in den Lungen, schweres hingegen in dem Fleisch und in den Knochen. Den Puls leitete er vom Mars,[7] Venus und Saturn her. Den Krebs hielt er für vitriolisch, die Pest für arsenicalisch, die übrigen Krankheiten für marcasit- oder weinsteinartig. Auch hatte er eine Universalarzney erfunden.


Oporin, sein vieljähriger Diener, versichert, daß er ihm die meisten seiner Schriften Abends in der Betrunkenheit in die Feder dictirt habe, welches von manchen Stellen gewiß nicht unglaublich ist. Helmont, sein würdiger Nachfolger, erzählt, daß er allen Lastern ergeben gewesen sey, nur nicht der Liebe gegen das andere Geschlecht, denn er habe im dritten Jahr seines Alters die Hoden verlohren, welche ihm ein Schwein abgebissen habe.[8]

Fußnoten

1 Die Apotheker setzten damals Clystiere.


2 Calecutisch.


3 Einsiedeln, ein Dorf im Canton Schweiz, war sein Geburtsort.


Quelle:
[Nebel, Ernst Ludwig Wilhelm:] Medicinisches Vademecum für lustige Aerzte und lustige Kranken [...] Theil 1–4, Frankfurt, Leipzig 1795 (Bd. 1), 1796 (Bd. 2); Berlin, Leipzig 1797 (Bd. 3); Berlin, Leipzig 1798 (Bd. 4).
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