6.


Ein sonderbares Augenwasser.

[95] Diodor von Sicilien erzählt, daß ein König von Aegypten, welcher zehn Jahre blind gewesen war, vom Orakel den Rath bekommen hätte, daß er seine Augen mit dem Urin einer Frau, welche die Treue gegen ihren Mann niemals gebrochen hätte, waschen sollte, um sein Gesicht wieder zu erlangen. Er gebrauchte zuerst den Urin seiner Gemahlin, darauf von allen seinen Hofleuten und von vielen Weibern seiner Residenzstadt. Allein keiner von allen verschaffte ihm sein Gesicht wieder. Endlich hatte der Urin einer armen Gärtnersfrau für ihn die gewünschte Wirkung, die er so lange vergeblich gesucht hatte. Er ließ alle Weiber, deren Untreue er auf diese Weise erprobt hatte, umbringen, und nahm die Gärtnerin zur Gemahlin.

Quelle:
[Nebel, Ernst Ludwig Wilhelm:] Medicinisches Vademecum für lustige Aerzte und lustige Kranken [...] Theil 1–4, Frankfurt, Leipzig 1795 (Bd. 1), 1796 (Bd. 2); Berlin, Leipzig 1797 (Bd. 3); Berlin, Leipzig 1798 (Bd. 4), S. 95.
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