6.

[23] Wie wichtig für die Gesundheit reine Luft sey, beweist unter andern das Schicksal der englischen Besatzung im Fort William zu Calcutta in Bengalen, im Jahre 1756. Die Besatzung bestand aus 146 Personen. Diese wurden von den Indianern in ein Gefägniß von 18 Fuß ins Gevierte, und zwar von 8 Uhr Abends bis 6 Uhr Morgens, eine schwüle Nacht hindurch, eingesperrt. Schon in der ersten Stunde starben Viele, und die Meisten wurden vor Durst wütend. Der Athem fehlte ihnen; sie kamen von Sinnen. Endlich wurde ihnen durch ein Fenster Wasser gereicht, wozu sich Alles so wütend hinzudrängte, daß Viele todtgedrückt und zertreten wurden. Der Anführer, Hollwell, bemerkte, daß das Wasser seinen Durst nicht minderte, sondern daß ihn ärger dürstete, je mehr er trank. Um den Mund frisch zu erhalten, netzte er seine Aermel, und sog daran. Um 12 Uhr Mitternachts war Alles, wegen des Mangels an Luft, in Verzweiflung, und die Meisten der noch Lebenden starben bald. Um 5 Uhr Morgens waren nur 23 noch am Leben, wovon Mehrere nicht mehr stehen konnten. Der Gestank der Leichname war unerträglich. Morgens nach 6 Uhr wurden endlich die noch übrigen 23 Unglücklichen im erbärmlichsten Zustande aus ihrem Kerker heraus gelassen. Gentleman's Magazine, 1758.[24]

Merkwürdig und hierher gehörig ist auch folgende Geschichte, die Vega erzählte. In der lieben Frauenkirche zu Paris ward im August 1744 eine Leiche in einem Gewölbe beygesetzt. Der Todtengräber stand noch auf der Leiter, als ihn schon Konvulsionen befielen, und er todt in die Gruft hinunterstürzte. Ein Anderer, der sich an einem Stricke hinab ließ, wollte den Todtengräber eben beym Kleide fassen, als auch er den Athem verlor. Man zog ihn sogleich heraus, aber er war halb todt, und hatte die ganze Nacht Konvulsionen, Ohnmachten, Zittern und Herzklopfen. Ein Dritter ward schon am Rande der Gruft bleich und entstellt, weil ihm der Athem ausblieb. Der Vierte, der sich für sehr stark hielt, und den Todten herausholen wollte, blieb selbst auf dessen Körper todt liegen. Der Bruder des Todtengräbers, der diesen wenigstens retten wollte, machte den Beschluß. Denn weil er den Körper des zweyten Todten, der auf seinen Bruder gefallen war, erst wegräumen mußte: so hielt er sich zu lange in der Höhle auf, und empfand ein heftiges Drücken, das ihn nöthigte, beraufzusteigen. Hierauf tauchte er sein Schnupftuch in Ungarisches Wasser, nahm das Tuch zwischen die Zähne, und wagte sich zum andernmal in die Gruft. Allein man sahe ihn bald taumelnd die Leiter wieder heraufsteigen, und von der dritten Sprosse stürzte er schon leblos zurück. Man zog endlich diese Todten mit Haken heraus. Ihre Kleider stanken[25] unerträglich. Die Lichter erloschen, wenn man sie an die Oeffnung der Gruft brachte. Hunde, Katzen und Vögel, die man hinein hielt, starben in zwey Minuten konvulsivisch, und hineingelassene leere Flaschen, die man nachher verstopfte, löschten nach 6 Wochen noch Lichter aus, und zeigten schädliche Wirkungen auf Thiere.


Eben so verderblich ist die Luft auf lange verschlossen gewesenen Kornböden, in Brunnen, die lange zugedeckt gewesen sind, u.s.f. – Ebendas. 65. St.

Quelle:
[Nebel, Ernst Ludwig Wilhelm:] Medicinisches Vademecum für lustige Aerzte und lustige Kranken [...] Theil 1–4, Frankfurt, Leipzig 1795 (Bd. 1), 1796 (Bd. 2); Berlin, Leipzig 1797 (Bd. 3); Berlin, Leipzig 1798 (Bd. 4), S. 23-26.
Lizenz:
Kategorien: