Erste Szene

[79] 1.2.3.4.

Braus,Edmund,Irene,Schlankel,

Fad, Trüb,Robert, Guido,Marie,Hutzibutz,

FrohFelixWalburga,Isabella

(alle vier(im beratendenAgnes

sitzen)Gespräche auf- und

niedergehend)


Cholerisch.


BRAUS. Ein Glück war's, daß wir den Schlankel auf unserer Seite haben. Alle vier konsultieren und überlegen im stillen Gespräche fort.


Phlegmatisch.


FELIX. Sei'n wir froh, daß wir den Schlankel für uns gewonnen!


Melancholisch.

Irene sitzt weinend im Vordergrunde, neben ihr sitzt Agnes; Marie und Walburga stehen beide zur Seite.


MARIE. Der Schlankel ist jetzt mit uns im Bunde, ich schöpf' die schönsten Hoffnungen.


Sanguinisch.


SCHLANKEL ist mit Hutzibutz im Gespräch begriffen und kokettiert dabei immer mit Isabellen. Die Feindschaft is aus, wir sind vereinigt zu einem und demselben Zweck.

HUTZIBUTZ noch etwas ärgerlich. Ich hätt's allein auch g'richt't, denn meine Geisteskräfte –

SCHLANKEL. Langen nicht aus für so einen verwickelten Fall.


[79] Phlegmatisch.


ROBERT unwillig. Dem Schlankel danken wir's, der Kerl hat den Karren in den Sumpf geschoben.

FELIX. Um ihn als Siegeswagen herauszuziehen und den Triumph seiner Pfiffigkeit darauf zu feiern.


Cholerisch.


BRAUS zu Fad. Du nimmst es doch nicht übel wegen deinem Sohn, daß ich ihn nicht zum Schwiegersohn akzeptiere?

FAD. So wenig, als du wegen dem deinigen –

FROH. Wir sind ja alle viere in dem gleichen Fall, drum kann's keiner dem andern übelnehmen.

BRAUS zu Fad. Ich hab' nichts gegen deine Tochter –

FAD. Ich auch nichts gegen die deinige.

FROH auf Trüb zeigend. Das ist bei uns dasselbe, aber wir haben halt einmal alle viere mit unsern Töchtern andere Verfügungen getroffen, und ich sage: der Sohn kann heiraten, wen er will –

BRAUS, TRÜB, FAD. Das sag' ich auch!

FROH. Aber Töchter müssen gehorchen!

BRAUS. Sonst soll sie der Teufel –

TRÜB. Ich bin ein unglücklicher Vater!

FROH. Warum denn?


Melancholisch.


IRENE. Ich bin ein unglückliches Geschöpf!

MARIE. Sei gescheit!


Cholerisch.


FROH. Der Zweck wird ja doch erreicht. Die Mädeln heiraten jede den Jugendfreund, dem wir sie bestimmt.


Sanguinisch.


SCHLANKEL. Wir wollen aber auch als treue Bundesgenossen zusammenhalten. Nimmt mit einer Hand Hutzibutzt mit der andern Isabella bei der Hand.[80]

HUTZIBUTZ. Das heißt, wir zwei halten zusamm'. Diese Hand aber Auf Isabella zeigend. wird nicht bei der Hand genommen, außer von mir, wenn sie mir am Altar ihre Rechte spendiert.


Melancholisch.


IRENE. Es ist alles aus!

WALBURGA. Jetzt werd' ich mich gleich ärgern über dich!


Cholerisch.


FAD. Wenn unsere vier Jugendfreund' nur nicht erfahren, daß unsere vier Mädeln schon ihre viel Liebhaber haben!

BRAUS. Dafür will ich sorgen, ich schlag' mit allen Donnerwettern drein!

FROH. Warum nicht gar!


Phlegmatisch.


ROBERT aufstehend. Zerreißen könnt' ich den Schuft, den Schlankel!

EDMUND. Ruhig, ruhig, laßt uns ohne Leidenschaft überlegen!

GUIDO. 's ist vergebens, ihr werdet sehn.


Sanguinisch.


SCHLANKEL zu Hutzibutz. Laß dir nur erklären, wie du dich zu benehmen hast!

HUTZIBUTZ zu Schlankel, indem er merkt, daß dieser immer auf Isabellen blickt. Was schaust du denn aber immer dorthin, wenn du mir was erklärst? Sie weiß das Ganze.

ISABELLA. Aber, Hutzibutz, du bist dumm!

SCHLANKEL. Merk' jetzt auf – Erklärt ihm weiter.


Cholerisch.


FROH. Eh' alte G'schichten aufkommen, sind die neuen Verlobungen g'schehn.


[81] Melancholisch.


AGNES sehr ruhig. Ich bin heut' so in die Gemütsbewegungen drin – Liebe, Angst, Schrecken, Verzweiflung – ich fürcht' immer, ich werd' krank.


Cholerisch.


FROH. Unsere Freunde sind an einem Tag von Straßburg abgereist, jeder mit Extrapost.

BRAUS. Sollten heute eingetroffen sein!


Sanguinisch.


SCHLANKEL. Die Bräutigams von Straßburg sind schon angekommen und im Gasthof »Zur langen Nasen« abgestiegen.

ISABELLA. Ein ominöses Schild für diese Herren!


Cholerisch.


FROH. Es ist ja noch nicht Abend, sie werden schon noch kommen. Wär' nicht übel, wenn s' ausblieben! Zu Braus und Fad. Wir haben schon die Gäst' zur Verlobung eingeladen. Adieu also – ich hab' ein paar Gäng'.


Sanguinisch.


SCHLANKEL. Drum hab' ich g'sucht, die Papas aus dem Haus zu entfernen.


Cholerisch.


FAD. Auf mich wartet schon der Fiaker. Der Schlankel hat mir g'sagt: eine Spazierfahrt auf die gehabte Alteration is g'sund.

BRAUS. Mir hat er ein Weinbaus rekommandiert, dort will ich den Ärger hinunterschwemmen.

TRÜB. Mir hat Schlankel geraten, ich soll zur Zerstreuung ein wenig auf den Friedhof gehen, das will ich tun.


Sanguinisch.


HUTZIBUTZ. Du bist ein lieber Kerl, wie du die Leut' für'n Narren haltst!


[82] Cholerisch.


FROH. Also auf Wiedersehn, sobald wir die Töchter aus 'n Haus haben und unsere alten Freunde mit ihnen nach Straßburg kutschieren! Alle viere zur Mitte ab.


Sanguinisch.


ISABELLA. Hutzibutz, das sag' ich dir, mach' deine Sachen g'scheit! In die Seitentüre ab.


Quelle:
Johann Nestroy: Gesammelte Werke. Ausgabe in sechs Bänden, Band 3, Wien 1962, S. 79-83.
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