Zwölfte Szene

[115] 1.2.3.4.

(BühneAgnes, dann Isabella,Irene, dannFroh,

frei)dann Hutzibutz, dannTrüb, danndann

Schlankel, dann HerrHerr vonIsabella

von Sturm, dann Fad, Glück


Phlegmatisch.


AGNES lachend. Der Vater hat's heut' g'nötig!

ISABELLA durch die Mitte eintretend. Ich küss' die Hand, Fräulein Agnes, der Schlankel hat g'sagt, ich möcht' Sie bitten, die Tür, die von die rückwärtigen Zimmer auf die Stiegen führt, aufzusperren.

AGNES. Die Schlüssel liegen alle drin auf mein' Tischel, sein S' so gut, Bella, Sie werden schon den rechten finden, und sperren S' auf.

ISABELLA. Gleich, Fräulein Agnes, gleich! Zur Seite ab.

HUTZIBUTZ tritt zur Mitte ein. Das war die Bella? Was macht denn die Bella da?

AGNES. Der Schlankel will, daß –

SCHLANKEL tritt zur Mitte ein. Ich bitt', is die andere Tür schon aufg'sperrt?

AGNES. Die Bella sucht grad den Schlüssel.

SCHLANKEL. Es is notwendig, man kann nicht wissen, wegen retrograden Bewegungen – Schnell in die Seite ab.

HUTZIBUTZ ängstlich. Jetzt geht der in das Zimmer, wo die Bella is!

AGNES. Na, was schad't denn das?

HUTZIBUTZ. O, Fräulein Agnes, Sie glauben nicht, meine liebe Fräulein Agnes –

AGNES. Warum nicht gar, nur g'scheit sein![115]

STURM ist zur Mitte eingetreten und hat bereits die letzten Worte des Hutzibutz gehört, vorstürzend. Aha! Jetzt ist alles offenbar!


Sanguinisch.


FROH noch immer mit der Musterung des Eingekauften beschäftigt. Die Überraschung wär' da, und ich weiß nicht, durch wen ich die Sachen überschicken soll.


Phlegmatisch.


STURM: »Meine Liebe« sagen Sie zu dem Fräulein, und sie ermahnt Sie vergebens, gescheit zu sein? Aufdringlicher Fant, sei'n Sie, wer Sie wollen, jetzt haben Sie's mit mir zu tun!

HUTZIBUTZ äußerst erschrocken. Ich bitt', Euer Gnaden –!

STURM. Keinen Laut, oder –! Zu Agnes. Lassen Sie uns allein, mein Fräulein!


Melancholisch.


TRÜB tritt zur Mitte ein. Er ist schon hier?

IRENE aufstehend. Ja.


Phlegmatisch.


AGNES. Sie glauben doch nicht –

STURM. Ich weiß, daß Sie unschuldig sind, aber Ihr Verfolger verdient Züchtigung! Lassen Sie uns!

AGNES im Abgehen, für sich. Jetzt kommt der über 'n Hutzibutz! Geht kichernd zur Mitte ab.

STURM. Nun, Herr, sollen Sie mir nicht mehr entrinnen!

HUTZIBUTZ. Ja, was soll denn g'schchn? Für sich. Ich bin in Todesangst!

STURM sperrt die Seitentüre zu.

HUTZIBUTZ für sich. Jetzt sperrt er den Schlankel und die Bella ein! Laut und nach der Seitentüre zeigend. Um alles in der Welt, nur dort nicht zusperren!

STURM. Kein Ausweg soll Ihnen offen bleiben! Sperrt die Mitteltüre zu.


[116] Melancholisch.


TRÜB zu Irene. Du sprichst nichts?


Phlegmatisch.


HUTZIBUTZ. Ich bin in einer entsetzlichen Lag'.


Melancholisch.


IRENE. Ich werde als gehorsame Tochter handeln.


Phlegmatisch.


STURM. Jetzt, Herr, stehen Sie mir Rede!

HUTZIBUTZ ängstlich nach der Seitentüre blickend. Ich hab' es nur zum Scherze erlaubt.

STURM. Das Fräulein ist meine Braut, und Sie unterstehen sich –

FAD von außen an der Mitteltüre klopfend. Aber aufmachen! Was sein denn das für Dalkereien?


Sanguinisch.


FROH. Wenn nur der Schlankel da wär'! Zur Mitte ab.


Phlegmatisch.


HUTZIBUTZ. Der Herr von Fad! Gott sei Dank! Zu Hilf', Euer Gnaden, zu Hilf'!

STURM grimmig. Das soll Ihnen nichts nützen! Macht die Mitteltüre auf.

HUTZIBUTZ. Das kost't mich zehn Jahr' von mein' Leben.

FAD zur Mitte eintretend. Aber was gibt's denn da?


Sanguinisch.


ISABELLA tritt zur Mitte ein. Das wär' in der Ord- nung! Zur Seite ab.


Phlegmatisch.


STURM auf Hutzibutz zeigend. Den Verfolger deiner Tochter hab' ich hier gefangen!


[117] Melancholisch.


TRÜB. Wie gefällt er dir?


Phlegmatisch.


FAD in der Meinung, Hutzibutz habe eine Post von Robert gebracht. So gibt denn der Stiefelputzer noch kein' Fried'?!

STURM. Stiefelputzer –?


Melancholisch.


IRENE. Es ist eine gute Wahl, die Sie getroffen.


Phlegmatisch.


FAD zu Hutzibutz. Hinaus, Postenträger! Helfershelfer! Marsch!

HUTZIBUTZ. Ich gehe, aber nur dort sperren Euer Gnaden auf! Zeigt dringend bittend nach der Seitentüre und geht zur Mitte ab.


Melancholisch.


GLÜCK zur Mitte eintretend, zu Trüb. Nun wart', ich werd' dich lehren, nicht zu Hause zu sein, wenn man ankommt! Her da! Handschlag, Umarmung, Bruderkuß! So, jetzt steht die alte Freundschaft jung wieder da!


Phlegmatisch.


STURM. Wie? Also der Mann wäre –?

FAD. Mein Stiefelputzer –


Melancholisch.


TRÜB. Bist du's wirklich? Du bist ganz anders geworden!

GLÜCK immer sehr jovial. Von außen nur, Herz und Geist sind jung und frisch geblieben! Gefall' ich dir etwa nicht? Deiner Tochter gefall' ich, und um dich wird gar nicht mehr gefragt!


[118] Phlegmatisch.


FAD. Und du machst gleich so närrische G'schichten im Haus!

STURM. Du hast aber auch »Postenträger, Helfershelfer« gesagt, da muß ich ins klare kommen, Licht muß ich haben! Stürzt zur Mitte ab.


Melancholisch.


TRÜB den Kopf schüttelnd, für sich. Den haben die Jahre umgewandelt, wie verzaubert!


Quelle:
Johann Nestroy: Gesammelte Werke. Ausgabe in sechs Bänden, Band 3, Wien 1962, S. 115-119.
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