Vierzehnte Szene

[124] 1.2.3.4.

Herr von Fad, Die Vorigen;(Bühne frei)

SchlafAgnesdann Schlankel,

dann Hutzibutz


Phlegmatisch.


AGNES aus der Seitentüre mit einer Bouteille und Gläsern. Da is der Wein, Vater!

FAD. Das is aber wahr, du kommst g'schwind, wenn man dich ruft!


Melancholisch.


GLÜCK zu Trüb. Geh, geh, laß mich aus mit deiner Malerei! In einem Trauergemälde die Hauptfigur in einem weißen Ballkleide zu malen! Laß du's lieber sein![124]

TRÜB. Ballkleid – Ball – für mich ein schauderhaftes Wort! Du hast recht, in schwarzen Trauerflor gehüllt, so hatt' ich sie malen sollen!


Cholerisch.


SCHLAF aus der Seite kommend. Es wohnt ein Klampferer vis-à-vis, ich hab' hier weit mehr Ruhe gehabt. Setzt sich auf den Stuhl und schläft wieder ein.


Melancholisch.


TRÜB. Das ganze Gemälde, meine letzte Freude, ist jetzt für mich so viel als vernichtet!


Phlegmatisch.


FAD hat seiner Tochter den Vorfall erzählt. Mein Freund und werdensollender künftiger Schwiegersohn hat mir nicht g'holfen, der rast immer in seine Eifersuchtsangelegenheiten herum.

AGNES. Ein Zeichen, daß ihm an mir mehr liegt als an allem übrigen.


Melancholisch.


GLÜCK zu Trüb. Du bist wirklich ein schrecklicher Mensch!

TRÜB sehr kleinlaut. Überlasse mich meinem Schmerze! Du hattest recht mit deiner Bemerkung über das Bild, ich hab's verpfuscht, aber daß es mir weh tut, durch eigene Ungeschicklichkeit mir selbst den letzten Trost verdorben zu haben, das kannst du mir nicht verdenken. Komm, Irene, komm! Geht mit Irenen in die Seitentüre ab.

GLÜCK allein. Diese Gemütsart! So was ist mir noch nicht untergekommen!


Phlegmatisch.


FAD. Ich weiß nicht, wie du mir vorkommst!


[125] Melancholisch.


GLÜCK. Damit er mir nicht gar so verstimmt bleibt, muß ich ihm schon den albernen Wunsch erfüllen und muß ihm als heimliche Freude –

SCHLANKEL tritt in seiner gewöhnlichen Gestalt zur Mitte ein.

GLÜCK. Ah, gut, daß ich Sie wiedersehe, Freund! Könnten Sie mir nicht in der Geschwindigkeit einen Maler verschaffen? Er hat nichts zu tun als das Kleid hier schwarz zu malen.

SCHLANKEL. Einen Maler?

HUTZIBUTZ tritt in seiner gewöhnlichen Gestalt zur Mitte ein.

SCHLANKEL auf Hutzibutz zeigend. Hier ist einer! Beiseite. Auf diese Art kann ich vielleicht dem Hutzibutz Schläg' zuschanzen.

GLÜCK zu Hutzibutz. Ach, den Herrn hab' ich ja auch schon gesehn. Also Sie sind Maler?

HUTZIBUTZ etwas verblüfft. Ich –? Ja, ich bin Maler. Sich fassend. Aber nur in dunklen Gegenständen. Auf das Stiefelputzen anspielend.

GLÜCK. Gerade das ist's, was ich brauche.


Phlegmatisch.


AGNES. Nein, das is der Müh' wert, ich glaub', dem Vater ist's nicht recht, daß ich eine folgsame Tochter bin! Haben Sie mir nicht selbst den, über den S' jetzt räsonieren, zum Bräutigam bestimmt?

FAD. Red' nicht so viel, du machst mich wahnsinnig! Ich bin heut' ohnedem zu sehr in der Exaltation und Aufregung. Geht zur Seite ab.


Melancholisch.


GLÜCK zu Hutzibutz. Hier, mein Herr, für Ihre Bemühung! Gibt ihm Geld. Malen Sie nur Auf das Bild zeigend. das Kleid ganz schwarz.[126]

HUTZIBUTZ. Zu Befehl; ganz dunkel-glänzend- schwarz.

GLÜCK. Aber schnell, bitt' ich, schnell! Zur Mitte ab.


Phlegmatisch.


AGNES lachend. Der Papa is schon über die Hälfte für 'n Robert g'stimmt. Zur Seite ab.


Melancholisch.


HUTZIBUTZ noch nicht wissend, wie er dran ist. Ich weiß jetzt nicht –

SCHLANKEL. Hol' dir um zwei Gulden eine Farb' und mal' das Kleid da schwarz, und damit Punktum!

HUTZIBUTZ. Mir is's recht, einen Stiefelputzer von Beruf setzt das in keine Verlegenheit. Zur Mitte ab.


Quelle:
Johann Nestroy: Gesammelte Werke. Ausgabe in sechs Bänden, Band 3, Wien 1962, S. 124-127.
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