Sechste Szene

[97] 1.2.3.4.

Walburga,Herr von Sturm,(Bühne(Bühne

Herr vondann Agnes,frei)frei)

Schlafdann Hutzibutz


Cholerisch.


WALBURGA in ihrer vorigen Rede fortfahrend, doch den Ton plötzlich ändernd.) – angenehmer Besuch?

SCHLAF. Bitt' untertänig –


Phlegmatisch.


STURM allein. Wer ist der Mensch? Was will er? Warum schleicht er so verdächtig in der Nähe meiner Braut herum?


[97] Cholerisch.


SCHLAF für sich, nachdem er Walburga mit Wohlgefallen betrachtet. Eine scharmante Person!

WALBURGA. Bin ich etwa gar so glücklich, Herrn von –

SCHLAF geschmeichelt. Ja, Sie sind so glücklich, oder eigentlich ich bin so glücklich, daß ich hoffen kann, wir werden alle zwei miteinander glücklich sein.


Phlegmatisch.


AGNES etwas unwillig aus der Seitentüre tretend. Aber was is denn das, wer schreit denn da so?

STURM. Verzeihen Sie –

AGNES. Ich begreif' nicht, diese Keckheit –

SCHLANKEL öffnet die Mitteltüre, winkt Agnes, sie versteht den Wink, er entfernt sich schnell.

AGNES in der vorigen Rede mit verändertem Tone fortfahrend. – diese Unachtsamkeit von die Dienstleut', einen solchen Besuch nicht gleich zu melden.


Cholerisch.


WALBURGA. Es ist schwer, wenn man durch ein Machtgebot an einen Unbekannten versagt wird, doch leicht und immer leichter wird's, wenn man fühlt, wie des Herzens Wunsch eins wird mit dem väterlichen Willen.

SCHLAF für sich. Das ist eine liebe Person!


Phlegmatisch.


STURM. Sie wissen schon, wen Sie vor sich haben, mein Fräulein?

AGNES. Wenn meine Ahnung nicht trügt, so steht der Mann vor mir, der nach dem Willen meines Vaters –

STURM. Der Ihrige werden soll! Getroffen!


Cholerisch.


SCHLAF für sich. Wie sie mir das kommod macht! Ich hab' ihr eine Liebeserklärung wollen machen, und derweil macht sie mir eine.


[98] Phlegmatisch.


STURM. Ich muß Ihnen sagen, Sie sind ein Engel, Sie gefallen mir ungeheuer!

AGNES. Ich nehme das als eine Schmeichelei und hoffe erst durch Gehorsam und sanfte Nachgiebigkeit das Wohlgefallen meines Gatten zu verdienen.

STURM. Das ist schön, ich liebe die sanften Frauenzimmer, denn ich bin selbst verteufelt sanft und nachgiebig.


Cholerisch.


WALBURGA. Eigentlich sollte man sich doch länger kennen, bevor man ein solches Bündnis –

SCHLAF. Mich werden Sie bald kennen. Ich hab' nur eine Leidenschaft, den Schlaf, und um Ihre Leidenschaften kümmere ich mich gar nicht, folglich herrscht ja da die schönste Harmonie.

WALBURGA. Wollen Sie nicht Platz nehmen?

SCHLAF. O ja, und viel Platz möcht' ich bitten. Für sich. Das ist eine vortreffliche Person!


Phlegmatisch.


STURM. Fehler hab' ich gar keinen als die Eifersucht, und die ist ein Beweis von Liebe.

AGNES. Ich werde Ihnen nie einen Anlaß geben.

STURM. O, Ihre Reize werden Anbeter in Menge finden, aber denen breche ich gleich Arme und Beine entzwei!


Cholerisch.


WALBURGA hat einen Stuhl gebracht. Ich bedaure, daß wir keinen Schlafsessel haben.

SCHLAF sich setzend. O, von Ihrer Hand gereicht, wird jedes Stockerl zum Lit de repos. Jetzt werd' ich Ihnen ein kleines Bild von unserem künftigen häuslichen Glück entwerfen.


Phlegmatisch.


HUTZIBUTZ zur Mitte eintretend. Ich möcht' gern die Fräul'n –[99]

STURM ihn heftig anfahrend. Was soll mit dem Fräulein?

HUTZIBUTZ sehr erschrocken. Nix, gar nix! Eilt zur Mitte ab.

STURM zu Agnes. Hören Sie, das ist höchst verdächtig!

AGNES. Was fällt Ihnen ein? Er gehört ja zur dienenden Klasse.

STURM. Höll' und Teufel, verzeihen Sie, das kann ich glauben und nicht glauben! Ich werde gleich – Will ab.

AGNES. Wo wollen Sie hin?

STURM. Ich muß den Wicht aufs Korn nehmen, seine Schritte verfolgen! Mord und Brand! Geht wütend zur Mitte ab.


Cholerisch.


WALBURGA zu Schlaf, welcher bereits eingeschlummert ist. Herr von – Beiseite. ich weiß gar nicht, wie er eigentlich heißt – Laut. wär's Ihnen vielleicht gefällig – er schläft – ah, das ist ein originelles Exemplar von einem Bräutigam! Übrigens, meine Liebespfeile scheinen in dieses dicke Herz gedrungen zu sein, damit wäre meine Aufgabe gelöst! Zur Seite ab.


Phlegmatisch.


AGNES. Oh, das is stark, der eifert mit'n Hutzibutz! Lachend in die Seitentüre ab.


Quelle:
Johann Nestroy: Gesammelte Werke. Ausgabe in sechs Bänden, Band 3, Wien 1962, S. 97-100.
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