Fünfter Auftritt


[334] Schnoferl allein.

Tritt während dem Ritornel des folgenden Liedes zur Mitteltüre links ein.


Lied.


1

Mein G'schäft is nicht öffentlich, 's is nur privat,

Mein G'schäft könnt' stark gehn, wann's wollt', 's geht aber stad,

Ich g'hör' durchaus nicht zu die Kinder des Glücks,

Plag hab' ich a Menge, aber tragen tut's mir nix.

Leih' i wem was, so stirb 'r oder kommt auf'n Hund,

Hingeg'n meine Gläubiger bleib'n frisch und g'sund,

Mit der Lieb' ginget's prächtig bei mir, 's wär schon recht,

Aber nur mit der Gegenlieb' steht's allweil schlecht.

Neunundvierzig Jahr wart' i und 's will anders nit wer'n,

Na, der Mensch muß nit alles auf einmal begehr'n.


2

Schad' daß ich nit heiraten tu', das wär' schön,

Die Seligkeit soll schon ins Aschgraue gehn,

Wie schön, wenn man ein Aff'n mit hambringt auf d' Nacht;

Und 's Weib ei'm acht Tag drüber Vorwürfe macht,

Wie schön, wenn man z'erst in Kaffeehaus verliert,

Und z' Haus von Weib extra noch ausgemacht wird,

Wie schön, tut das Schicksal ein'n Freund gleich bescher'n,

Wie lieb, wenn die Kind'r in der Nacht unruhig wer'n,

Und wie überraschend tut sich oft d' Familie vermehr'n!

Na, der Mensch muß nit alles auf einmal begehr'n.[334]


Nach dem Liede. Mein Räsonnieren übern Ehstand is etwas fabelhaft, denn es hat sehr viel Fuchs- und Weinbeerartiges an sich. Meine Junggesellenschaft ist nicht als staubige Distl auf der rohen Busta des Weiberhasses emporgeschossen, o nein, sie ist als düsteres Efeu dem Garten der Liebe entkeimt; für mich war die Liebe kein buntes Gemälde in heiterer Farbenpracht, sondern eine in der Druckerei des Schicksals verpatzte Lithographie, grau in grau, schwarz in schwarz, dunkel in schmutzig verwischt Die pragmatische Geschichte meines Herzens zerfällt in drei miserable Kapitl, zwecklose Träumereien, abbrennte Versuche, und wertlose Triumphe. Wenn der Mensch nie diejenige erringt, wo er eigentlich – wo es der Müh' wert, wo – ich kann mich nicht ausdrücken, mag mich eigentlich nicht ausdrücken – wenn der Mensch kein Baumkraxler genug war, um die wahren süßen Früchte am Lebensbaum zu erreichen, wenn – ich find' nicht die gehörigen Worte, das heißt, ich findet s', aber, grad die g'hörigen täten sich nicht g'hören – mit einem Wort, der Mensch verfallt nach einigen Desperations-Paroxysmen in eine ruhige Sarkasmus-Languissance, wo man über alles räsonniert, und anderseits wieder alles acceptable find't. Heut' wird eine Verlobung gefeiert in diesem Haus – diese Witwe – noch eh' sie zum erstenmal – und dann fast ununterbrochen – und jetzt, wo sie zum zweitenmal – und auch in Zukunft, immer – ich will das nicht verraten, was man ohnedies bald mit Händen greifen wird. Man kommt, ich glaub' sie selbst.


Quelle:
Johann Nestroy: Werke. München 1962, S. 334-335.
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