Vierzehnter Auftritt

[258] Titus. Salome aus rechts vorne.


SALOME kommend. Ach, mein liebster Mussi Titus, das is ein Unglück!

TITUS sich umsehend. Die Salome. – Was is denn g'schehn?

SALOME. Der Bäck nimmt Ihnen nicht. Ich kann nicht helfen, 's druckt mich völlig zum Weinen.

TITUS. Und mich kitzelt's zum Lachen. Also is das gar so schwer, bei euch da ein Knecht zu wer'n?

SALOME. Der Bäck hat g'sagt: er hat erstens Ihre Zeugnisse nicht g'sehn, und dann sind ihm so viele anempfohlen,[258] er ist bei Vergebung dieser Stelle an Rücksichten gebunden. –

TITUS. Schad', daß er keinen Konkurs ausschreiben laßt. Meine liebe Salome, mir sind andere Aussichten eröffnet; ich bin aufs Schloß berufen.

SALOME. Aufs Schloß? Das kann ja net sein. Oh, wann Ihnen die gnädige Frau sieht, jagt sie Ihnen augenblicklich davon; Mit Beziehung auf ihre Haare. darf ja ich mich auch fast gar nicht blicken lassen vor ihr.

TITUS. Die Antipathien der Gnädigen sind Nebensache, seitdem sich bei mir die Hauptsachen verändert haben. Ich geh' mit kecker Zuversicht meinem Glück entgegen.

SALOME. Na, ich wünsch' Ihnen viel Glück zu Ihrem Glück; 's is völlig net recht, aber's schmerzt mich halt doch, daß mir wieder a Hoffnung in'n Brunn'n g'fallen is.

TITUS. Was denn für a Hoffnung?

SALOME. Wenn Sie als meinesgleichen dablieben wär'n, hätt's g'heißen, das sind die zwei Wildesten im Ort, das is der rote Titus, das is die rote Salome; den Titus hätt' kein Madel ang'schaut, so wie die Salome keiner von die Burschen.

TITUS. Der auf einen einzigen Gegenstand reduzierte Titus hätt' müssen eine Nolens-volens-Leidenschaft fassen.

SALOME. Es wär' zwischen uns gewiß die innigste Freundschaft –

TITUS. Und der Weg von Freundschaft bis zur Liebe is eine blumenreiche Bahn.

SALOME. Na, jetzt so weit hab' ich no gar net denkt.

TITUS. Warum? Gedanken sind zollfrei.

SALOME. Ah nein; es gibt Gedanken, für die man den Zoll mit der Herzensruh' bezahlt. Meine Plan' gehn mir nie aus.

TITUS. Ja, der Mensch denkt, und – Beiseite. die Parucken lenkt, so heißt's bei mir. Also, ades, Salome! Will ab.

SALOME. Nur nit gar so stolz, Mussi Titus, Sie könnten ein'm schon ein bißl freundlich bei der Hand nehmen und sagen: pfürt dich Gott, liebe Salome![259]

TITUS. Freilich! Reicht ihr die Hand. Wir scheiden ja als die besten Freund.

SALOME kopfschüttelnd. Leben S' wohl; vielleicht seh' ich Ihnen bald wieder.

TITUS. Das is sehr eine ungewisse Sach'.

SALOME. Wer weiß; Sie gehn so stolz bei der Tür hinein, daß ich immer glaub', ich werd's noch sehn, wie s' Ihnen bei der nämlichen Tür herauswerfen wer'n.

TITUS. Du prophezeist eine günstige Katastrophe.

SALOME auf die Steinbank zeigend. Da werd' ich mich hersetzen alle Tag, auf die Tür hinschau'n –

TITUS. Und drauf warten, bis man mich in deine Arme schleudert. Gut, mach dir diese Privatunterhaltung, pfürt dich Gott! Mein Schicksal ruft: »Schön, herein da!« Ich folge diesem Ruf und bringe mich selbst als Apportel. Geht in die Gartentür ab.


Quelle:
Johann Nestroy: Werke. München 1962, S. 258-260.
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