Siebzehnte Szene


[580] Puffmann, Thomas.


PUFFMANN sehr aufgebracht aus der Seitentüre links kommend, zu Thomas, welcher ihm folgt. Und wann Er mir ein halbes Jahr lang aus ein' Zimmer ins andere nachgeht, es is umsonst. Punktum!

THOMAS. Ach nein, Sie können mir nix abschlagen, lieber Herr, das weiß ich schon.

PUFFMANN. Zweitausend Gulden! Heillose Unverschämtheit!

THOMAS. Nur zu leihen, und das nur auf unbestimmte Zeit. Ein anderer, wenn er mit Ihnen in dem Verhältnis wär', verlanget's g'schenkt, natürlich, ein unbescheidener Mensch machet sich so was zunutzen.

PUFFMANN seinen Grimm kaum bemeistern könnend. Red', Vampyr!

THOMAS. Ich hab' kein' Tropfen Bier trunken seit drei Täg'!

PUFFMANN. Bist du ein Mensch oder bist du reines Qualgespenst?

THOMAS traurig. Bei meinem Unglück wär's wirklich kein Wunder, wenn ich a bißl aufdringlich wurd'.[580]

PUFFMANN. Was hat Er denn für ein Unglück, was Ihn zu solcher Brandschatzung treibt?

THOMAS. Mein Sohn hat heiraten wollen.

PUFFMANN. Woll'n? Das is noch kein Unglück! Wenn er g'heirat't hätt', könnt' man eher so sagen.

THOMAS schmerzvoll. Wenn nur das nicht g'schehn wär' –

PUFFMANN mit erzwungener Treuherzigkeit. Was denn, guter Zimmermann? Teil' dich mir mit, ich werd' dir statt dem Geld einen guten Rat geben, der mehr wert is. Red'!

THOMAS. A nobler Herr hat mein' Sohn seiner Braut ihren Ruf verschandelt.

PUFFMANN. So soll er sie sitzenlassen.

THOMAS. Wär' das recht und billig?

PUFFMANN. Freilich, recht billig. 's Sitzenlassen is immer billiger als 's Heiraten. Wirst sehen, lieber Professionist, wir richten's ohne die zweitausend Gulden.

THOMAS. Nein, 's Madel is brav; nur in Anfang das G'schrei von die Nachbarsleut' – das hat mir den Kopf so voll g'macht – ich bin das nicht g'wöhnt – und da hab' ich in der Verwirrung – aber nein, sie kann nicht schlecht sein, die Klara.

PUFFMANN betroffen. Was? »Klara« sagt Er?

THOMAS. So heißt sie, Nähterin ist sie, in der Kleingassen logiert sie.

PUFFMANN beiseite. Verflucht! – Zu Thomas. Und kennt Er denjenigen, der –

THOMAS immer mehr in Aufwallung geratend. Haben Sie g'hört, daß seit 'n Siebenten einer zerrissen worden is? Nein, also kann ich ihn noch nicht kennen.

PUFFMANN ängstlich. Und Sein Sohn?

THOMAS. Mein Josef vom Militär? O je, gegen den bin ich noch ein Lamperl! Wenn der den Täter erwischt, der wirft augenblicklich sein Fleisch den Geiern vor, gibt sein Blut dem Erdboden zu trinken und laßt mit seiner Asche die Winde »Frau G'vattrin, leih mir d' Scher'!« spiel'n.[581]

PUFFMANN unwillkürlich schaudernd. Gräßlicher Kerl!

THOMAS. Ein guter Kerl, so lang er's mit honette Leut' zu tun hat.

PUFFMANN. Und was hat Er denn mit die zweitausend Gulden vorg'habt?

THOMAS. Die muß ich haben. Mit die reisen wir, ich, mein Sohn und die Klara, in die Fremd', vielleicht noch um a paar hundert Meilen weiter, und wenn wir in der Fremd' recht ein' unbekannten Ort finden, so lassen wir uns nieder. Sie hat fürs Ausland einen unbefleckten Ruf, und mein Sohn hei rat't sie.

PUFFMANN. Wann reist ihr fort?

THOMAS. Heut' noch, zuerst zu mein' Josef und dann weiter.

PUFFMANN aufatmend, als er ihn für immer loszuwerden hofft. Sein Schicksal geht mir sehr nahe – Er soll das Geld haben. Geht zu seinem Pult und schließt ein Fach auf.

THOMAS gerührt. Oh, Sie guter Herr, ich hab's ja gleich g'wußt. Sie stell'n Ihnen nur manches Mal, als ob Sie hartherzig wären, 's is aber nicht Ihr Ernst. Ich war so g'wiß, daß ich gleich den Schuldschein mitgebracht hab'. Legt das Papier aufs Pult. Aber Sie haben da a Menge Geld.

PUFFMANN. Is schon viel weniger g'worden, seit ich das Vergnügen Seiner Bekanntschaft hab'. – Aber noch eins, wenn Er oder Sein Sohn in späterer Zeit jemals erfahren sollte, wer das Mädel ins G'schrei hat bracht –

THOMAS. Dann fallt derjenige auf eine furchtbare Art, und er kann nix G'scheiters tun, als früher schon im Grab zu liegen.

PUFFMANN. Nein, Freund, so böse Menschen unterstütz' ich nicht. Rachsucht is was Abscheuliches; Er kriegt das Geld nur, wenn Er mir heilig verspricht, daß Er dem Verleumder, der außerdem vielleicht ein[582] lieber Mensch ist, verzeiht und Seinem Sohne befiehlt, dasselbe zu tun.

THOMAS. Euer Gnaden nehmen sich an um den unbekannten schlechten Kerl? 's is völlig rührend, was Sie für a gutes Gemüt haben. – Ihnen zulieb' wollen wir ihm verzeihn.

PUFFMANN. Schöne Flatusen, die Er mir sagt! Gibt ihm das Geld. Da nehm' Er also, reis' Er glücklich und vergess' Er nie, was Er versprochen hat.

THOMAS. Oh, Sie rarer Mann! –

PUFFMANN. Jetzt geh' Er durch das Zimmer Nach links deutend. und eil' Er über die Schneckenstiegen, daß Ihn niemand sieht.

THOMAS. Weiß schon, durchs kleine Türl; oh, ich bin ja bei Ihnen schon wie zu Haus. – Pfirtgott! Geht zur Seitentüre links ab.

PUFFMANN. Geh zum Teufel!


Quelle:
Johann Nestroy: Gesammelte Werke. Ausgabe in sechs Bänden, Band 4, Wien 1962, S. 580-583.
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