Dreiundzwanzigste Szene


[586] Puffmann, Peter.


PUFFMANN halb für sich. Hab' ich recht g'hört? – Klara, hat er g'sagt?

PETER. Ja, Klara Span, g'spannen S' was?

PUFFMANN verlegen und mit erzwungener Freundlichkeit. Und der Herr is der Bruder? Älterer Bruder vermutlich. Na, mich g'freut's, daß ich die ganze Familie kennenlern'.

PETER. Besteht nur aus zwei Personen, aus einer beleidigten Schwester und aus einem Rechenschaft fordernden Bruder, is ganz eine unbedeutende Familie.[586]

PUFFMANN verlegen. Es scheint bei der ganzen Sache die Obwaltung eines Irrtums stattzufinden.

PETER. Bei Ihnen kann man sich auch leicht irren. Ich, zum Beispiel, hätt' Ihnen für einen honetten Mann gehalten. Entschuldigen, das kommt von dem distinguierten Futteral, in dem Ihre verleumderische Schlechtigkeit steckt.

PUFFMANN imponieren wollend. Freund, bedenk' Er, was Er spricht!

PETER. Ich sprech', wie ich denk'.

PUFFMANN. Denk' Er, was Er will, aber menagier' Er sich im Reden!

PETER. Ja, ja, ich red' zu viel und vergiß, daß ich Etwas die Faust ballend. handeln soll. Ihm nähertretend. An das haben Sie mich doch nicht erinnern woll'n?

PUFFMANN sich etwas retirierend. Hat Er Beweise?

PETER. Ich war dabei, wie Ihnen der kleine Bub wiedererkannt und von Ihnen 's zweite Mal Geld kriegt hat.

PUFFMANN. Also Er und ein kleiner Bub? Letzterer kann keine gültige Zeugenschaft –

PETER. Kinder und Narren reden die Wahrheit.

PUFFMANN. Dann hat's aber nur ein Kind und, salva venia, ein Narr g'sagt.

PETER geht erzürnt auf Puffmann los. Herr, wissen Sie, daß einem Narren nicht zu trauen is?

PUFFMANN retiriert sich hinter das Pult. Zurück, ich steh' unter dem Schutz mehrerer Kodexe, Paragraph –

PETER. Ich brauch's Numero nicht zu wissen, genug, daß ich den Inhalt weiß. Den Geldräuber darf ich aus Notwehr niederstechen, aber wer mir Unersetzliches raubt, dem soll ich nachschauen mit trostlosen Kalbsaugen und ungeballter Faust? – Wissen Sie aber auch, daß gerade dieser Paragraph am wenigsten auf wallendes Blut und zuckende Nerven berechnet is?

PUFFMANN einlenkend. Zu was Zuckung, zu was Wallung? Wir richten's ungezuckt und ungewallt. Ich[587] gesteh's, ich hab' g'fehlt, und daß ich das eing'steh', is ja schon edel, und da schau' Er her! – Ein Fach in seinem Schreibpult aufschließend. Dieses Metall is noch edler.

PETER. Sie wollen mir Ihren Reichtum produzieren? Das is ja eine ganz verfehlte Spekulation! Wenn man die Nachsicht des gereizten Armen braucht, soll man ihn am wenigsten erinnern an die angeborne Feindschaft zwischen arm und reich.

PUFFMANN. Ich zeig' Ihm ja das Geld, um Ihm einen Ersatz zu leisten –

PETER. Sie haben also wirklich die Keckheit, mir Geld für Ehre anzubieten? Möglich, daß Ihre Ehre fünfmal Platz hat in dem Dukatenladl, für einen rechtschaffenen Mann seine is die Schatzkammer z' klein.

PUFFMANN. Ah, das is stark! Ein Mensch, der kein Geld nimmt! Außer sich vor Staunen. Das is über ein' Starl, der kein' Mehlwurm frißt! Red', liebes Wundertier, das ich so gern befriedigen möchte! Red', was ist dein Gusto, was willst du?

PETER. Nichts als eine Erklärung!

PUFFMANN. Erklärung? Hm, kuriose Passion!

PETER. Eine vor Zeugen, die ich bestimmen werd', abzugebende beweiskräftige Erklärung, wo Sie waren und was Sie unternommen haben am siebenten September abends, nämlich an demselben Abend, wo Sie durch schmähliche Lügen meine Schwester um ihre Reputation gebracht.

PUFFMANN betroffen. Was ich am siebenten September abends unternommen?

PETER. Müssen Sie unwiderlegbar dartun, denn die Zeugen müssen überzeugt werden, daß Sie gar nicht haben bei meiner Schwester sein können.

PUFFMANN kleinlaut. Freund, das geht nicht, das kann ich nicht.

PETER auffahrend. Was? – Sie weigern sich noch?[588]

PUFFMANN. Fordre, was du willst, nur den siebenten September lasse mir ungeschoren!

PETER. Das scheint ja mit dem siebenten September ein eigenes Bewandtnis zu haben?

PUFFMANN. Na, freilich. Zutraulich. Drum verlang' Geld, viel Geld und extra noch Septemberbeweise, so viel du willst, nur den siebenten b'halt' ich mir vor.

PETER ihn verächtlich betrachtend. Wie doch der letzte gute Freund des Schlechten, das bisserl Verstand, Reißaus nimmt in der Angst! Ihr Hirn muß Staubferien haben oder es is mit dem Naturalquartier in Ihrem Kopf nicht zufrieden, daß es Ihnen feindlich den Rat gibt, mir Ihren verwundbarsten Punkt zu verraten.

PUFFMANN von Angst ergriffen. Freund, Er wird doch nicht –

PETER entschlossen. Gerade jetzt mit doppelter Unerbittlichkeit auf die Erklärung dringen! Sieben is die Zahl des Bösen; mit Ihrem Leibnumero geh' ich Ihnen zu Leib. Unsere abgeschnittene Ehre kann Ihnen Ihr ganzes Ansehen kosten. Sie sollen womöglich Ihre Ehrenstelle verlieren, weil sie bei Ihnen, wie bei manchem andern, nur die Stelle der Ehre vertritt.

PUFFMANN. Nehm' Er Räson an, Er wird's bereuen!

PETER. Drohen Sie nicht, Sie Hochgestellter, der gerechte Zorn hat Flügel, die einen hoch über jeden Beleidiger erheben! Wart' nur, Bedeutender, du sollst die Bedeutendheit des Unbedeutenden empfinden. Will zur Mitte ab.

PUFFMANN in der Angst einen Entschluß fassend. Halt, Freund, halt! Für sich. Ist denn kein Tupper in der Nähe? Zu Peter. Ich werd' Ihn befriedigen.


Quelle:
Johann Nestroy: Gesammelte Werke. Ausgabe in sechs Bänden, Band 4, Wien 1962, S. 586-589.
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