Dreizehnter Auftritt

[40] Zwirn. Windwachel. Lüftig.


WINDWACHEL. Teurer Freund! hier hab' ich das Vergnügen, dir einen Duzbruder von mir vorzustellen. Herrn von Lüftig.

LÜFTIG. Herr von Zwirn, ich hatte schon lange den Wunsch, den berühmten Mann kennenzulernen –

ZWIRN geschmeichelt. Ich bitte, die Ehre ist meinerseits.

WINDWACHEL. Mein Freund will sich Verschiedenes bei dir machen lassen.

ZWIRN. O ich bitte, mein ganzes Magazin steht zu Befehl. Belieben Sie sich nur nach Gusto auszusuchen.

LÜFTIG. Ich brauche aber ziemlich viel.

ZWIRN. Je mehr, desto besser.

LÜFTIG. Bin aber für den Augenblick nicht bei Kassa, um gleich bezahlen zu können.

ZWIRN. Tut nichts, ich hab' Geld genug; übrigens kennt Sie mein Freund Windwachel, und das ist genug. – Spazieren Sie nur in mein Magazin.

LÜFTIG. Ihr untertänigster Diener, Herr von Zwirn. Im Abgehen zu Windwachel. Der Schneider kriegt keinen Kreuzer von mir. Ab.

ZWIRN. Jetzt sag mir, Freund, kommt die Frau von Palpiti?

WINDWACHEL. Ich war heute vormittag bei ihr, sie nahm deine Einladung samt ihren beiden Töchtern mit Vergnügen an.

ZWIRN. Du hast doch nichts merken lassen, daß ich ein Schneider bin?

WINDWACHEL. Keine Silbe.

ZWIRN. Hast g'sagt, daß ich ein Kapitalist bin aus – aus – aus Particulier?

WINDWACHEL. Freilich. – Nun hätt' ich aber eine Bitte an dich. In deinem Magazin ist nicht ein Stück, was mir paßt; du mußt schon die Güte haben, und mir selbst das Maß nehmen.

ZWIRN sehr bereitwillig. Ja, Freund! mit dir mach' ich eine[40] Ausnahm. Läutet, erster Bedienter tritt ein. Johann, geh' Er hinüber, und hol' Er mir eine Schneidermaß.


Bedienter ab.


WINDWACHEL. Du wirst finden, daß ich seit einiger Zeit etwas schlanker geworden bin.

ZWIRN. Es ist wahr, du bist bedeutend mägerer geworden, du brauchst auf ein Frack jetzt nicht mehr als anderthalb Achtel Kasimir. Der Bediente hat das Maß gebracht. Was willst denn haben?

WINDWACHEL. Einen modernen Kaput.

ZWIRN ihm Maß nehmend. Was nehmen wir denn für eine Farb?

WINDWACHEL. Ich denke, kastanienbraun.

ZWIRN. Die Hand halt so, daß wir die Armlänge kriegen. – Nimmt ihm die Länge zu einem Schlepp. Was nehmen wir denn für einen Kragen?

WINDWACHEL. Schwarzblauen Samt.

ZWIRN. G'fallt mir nicht – ich glaubet pomeranzengelb.

WINDWACHEL. Ah, was fallt dir ein!


Quelle:
Johann Nestroy: Werke. München 1962, S. 40-41.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Der böse Geist Lumpazivagabundus
Der böse Geist Lumpazivagabundus: Oder Das liederliche Kleeblatt