Erster Auftritt

[486] Melchior, dann Gertrud.


MELCHIOR allein, tritt von der Seite rechts aus dem Hintergrunde auf. Ah – den ganzen Weg hab' ich superb verschlafen – Gähnt. und bin jetzt so munter, als wann's hellichter Tag wär' – da is ja 's Haus – richtig – ich muß anläuten. Sucht an beiden Seiten des Haustores. Was is denn das –? Keine Glocken. – Ah, da hab' ich Respekt, hier hab'n s' noch keine Hausmeister, die werd'n doch schön z'ruck sein in der Kultur. Klopft an das Tor. He, aufg'macht! Klopft stärker. Aufg'macht! – Es hört kein Mensch. – Wenn ich nur die Wirtschafterin aufrebelln könnt, das is die einzige Person, die mich kennt im Haus, auf d' Letzt lassen s' mich gar nicht hinein – ich werd' mit einem Sandkörnderl ans Fenster werfen. Nimmt eines vom Boden auf, und wirft an das Glasfenster vorn. Es hört mich niemand – ich muß ein Steinl nehmen. Nimmt eins vom Boden auf und wirft es ans Fenster. 's nutzt noch nix – ich muß's mit ein größern Steinl probiern. Nimmt einen Stein auf, und wirft ihn ins Fenster, die Scherben fallen herab, man hört von innen einen Schrei von Gertrud. Jetzt, glaub' ich, hat mich wer g'hört. Frau Gertrud! – Frau Gertrud! –

GERTRUD von innen. Wo brennt's?

MELCHIOR. Nirgends, komm' d' Frau Gertrud nur zum Fenster!

GERTRUD eine Nachthaube auf dem Kopf, schaut zum Fenster heraus. Was is denn, um alles in der Welt!?

MELCHIOR. Sein S' so gut, machen S' mir 's Tor auf.

GERTRUD. Impertinenter Mensch, wer is Er?

MELCHIOR. Der neue Hausknecht bin ich, der Melchior.[486]

GERTRUD. Den Tod könnt man haben durch den Schrocken.

MELCHIOR. Von Tod is gar kein' Red, Hochzeit is! Vor Tagsanbruch kommt der Herr.

GERTRUD. Er hat einen Rausch.

MELCHIOR. Den müßt er sich erst trunken haben, ich hab' ihn als so nüchternen verlassen. Machen S' nur auf.

GERTRUD. Mir is es in alle Glieder g'fahr'n, das is doch gar entsetzlich, was glaubt denn so ein Mensch.


Entfernt sich brummend vom Fenster.


MELCHIOR allein. Das sind die Folgen, wenn in ein Haus kein Hausmeister is. Mir is das alles eins, ich zahl' die Fensterscheiben nicht. Mir scheint, ich hör s' schon.

GERTRUD man hört sie von innen das Haustor aufsperren, und dabei brummen. Das werd' ich dem Herrn sagen, ob das recht ist, daß man jemanden so aus'n Schlaf –

MELCHIOR von außen am Haustor stehend. Nur gelassen, Frau Gertrud.

GERTRUD von innen, wie oben. Das is keine Manier, das is keine Art, bei später Nacht dieser Schrocken.

MELCHIOR von außen. Schaun S', der Zorn schad't Ihnen.


Das Haustor öffnet sich, Melchior geht hinein.


GERTRUD von innen, indem man sie wieder zuschließen hört. Wer'n wir schon sehen, was der Herr dazu sagt, das lass' ich nicht so hingehn.

MELCHIOR von innen. Ah, hör'n S' auf.


Man hört beider Stimmen immer schwächer bis es ganz ruhig wird.


Quelle:
Johann Nestroy: Werke. München 1962, S. 486-487.
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