Zehnter Auftritt


[355] Heinrich, Eulenspiegel.


HEINRICH. So ist doch alles wider meine Liebe verschworen!

EULENSPIEGEL welcher die vorige Szene behorcht hat, für sich. Da ist ein verliebtes Paar, dem geholfen, und ein Vormund, der geprellt werden muß. Da bin ich in meinem Element.[355]

HEINRICH ohne Eulenspiegel zu bemerken. Welcher Mißhandlung ist das arme Mädchen ausgesetzt!?

EULENSPIEGEL nähertretend, zu Heinrich. Armer, hinausgeworfener Jüngling!

HEINRICH unwillig. Geht das Ihn was an?

EULENSPIEGEL. Nein, dasmal is's nur Ihnen an'gangen. Ich bin überhaupt noch gar nicht oft hinausg'worfen worden. Ich hab' darin sehr einen feinen Takt; wie ich seh', daß sich einer die Ärmeln aufstreckt und mich packen will, da geh' ich selber.

HEINRICH. Lass' Er mich zufrieden!

EULENSPIEGEL. Das tät' ich recht gern, aber Sie sein ja nicht zufrieden, Sie unglücklicher Liebhaber übereinand'.

HEINRICH. Ich weiß nicht, soll ich mich ärgern, oder –

EULENSPIEGEL. Nein, heiraten sollen Sie, und der Müllner soll sich ärgern, daß er schwarz wird.

HEINRICH. Das ist leicht gesagt –

EULENSPIEGEL einfallend. Und ebenso leicht getan, wenn Sie sich mir anvertraun.

HEINRICH. Wer bist du?

EULENSPIEGEL. Ich bin der Eulenspiegel.

HEINRICH freudig überrascht. Was, der Gauner? Der Vagabund? Der Galgenstrick?

EULENSPIEGEL. Sie kennen mich also schon par renommée?

HEINRICH. Wem sind deine Schelmenstreiche nicht bekannt? Aber sprich, wie kann ich dir trauen?

EULENSPIEGEL. Gehn Sie meine ganze Lebensgeographie durch, so werden Sie nirgends finden, daß ich einem Liebespaar einen Schabernack gespielt hab'.

HEINRICH. Wenn du mir mein Lenchen verschaffst, dann bin ich überglücklich.

EULENSPIEGEL. Ist sie wahrhaft in Ihnen verliebt?

HEINRICH. Soeben hat sie mir's aufs zärtlichste geschworen.

EULENSPIEGEL. Sie hat Ihnen was weis g'macht.

HEINRICH. Weh dir, wenn du dich unterstehst, das Geringste gegen diesen Engel sagen zu wollen![356]

EULENSPIEGEL. Nein, nein, schauen S' Ihnen an, ich mein' ja nur beim Ärmel.

HEINRICH sieht, daß sein Ärmel voll Mehlstaub ist. Ja so!

EULENSPIEGEL. Wenn das Herz Mehlgeschäfte treibt, muß man immer eine Bürste im Sack haben; es ist wegen die Leut'.

HEINRICH. Da hast recht.

EULENSPIEGEL. Da hab' ich's viel ärger g'habt. Ich war verliebt in eine Kohlenbrennerstochter; die hat ihrem Vater immer g'holfen beim Aufladen; so oft mir die ein Bussel hat 'geben, hab' ich ein G'sicht 'kriegt als wie ein Schlosserbub'.

HEINRICH. Zur Sache also! Kannst und willst du mir helfen?

EULENSPIEGEL. Ums Geld kann ich alles; übrigens tu' ich es ohne Intresse. Also rucken S' aus!

HEINRICH. Ums Geld und ohne Intresse, wie geht das zusammen?

EULENSPIEGEL. Auf die natürlichste Weis' von der Welt. Für das Geld, was Sie mir geben, dürfen Sie mir keine Intressen zahlen, also tu' ich es ohne Intresse. Schaun Sie, ich nähmet gar kein Geld, aber 's Geld braucht man halt zum Leben, und leben tu' ich in einemfort, also brauch' ich halt in einemfort ein Geld.

HEINRICH gibt ihm Geld. Da, nimm indessen die sechs Taler, die ich bei mir habe; wenn dein Plan gelingt, so wirst du reichlich belohnt.

EULENSPIEGEL. Ha! Wie diese Laschi mich begeistert! Noch eh' der Kukuruz verblüht – was sag' ich – noch eh' die heurigen Maikäfer hinwerden – was sag' ich – noch eh' die morgige Sonne sich in die Abendwolken verhaspelt und ins Meer hineinplumpst – eher noch ist die Müllnerische als Gattin in Ihren Armen. Hören Sie, das is ein Schwur, der sich g'waschen hat.

HEINRICH. Wohlan, ans Werk! Auf dich bau' ich mein Glück![357]

EULENSPIEGEL. Jetzt wär's ganz am Platz, wenn wir zwei das Duett singeten aus 'n »Barbier von Sevilla«, ich den Figaro und Sie den Almaviva. Aber nein, tun wir's lieber nicht, wir könnten ein Malheur haben, und es laßt überhaupt viel bescheidener, wenn wir uns ganz in der Still' empfehlen; es muß ja nicht allweil gesungen sein. Geht mit Heinrich im Hintergrunde ab.


Die folgende Dekoration fällt vor.


Verwandlung


Zimmer im Hause des Müllners mit Mittel- und Seitentüren.


Quelle:
Johann Nestroy: Gesammelte Werke. Ausgabe in sechs Bänden, Band 2, Wien 1962, S. 355-358.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Schnitzler, Arthur

Das neue Lied und andere Erzählungen 1905-1909

Das neue Lied und andere Erzählungen 1905-1909

Die Sängerin Marie Ladenbauer erblindet nach einer Krankheit. Ihr Freund Karl Breiteneder scheitert mit dem Versuch einer Wiederannäherung nach ihrem ersten öffentlichen Auftritt seit der Erblindung. »Das neue Lied« und vier weitere Erzählungen aus den Jahren 1905 bis 1911. »Geschichte eines Genies«, »Der Tod des Junggesellen«, »Der tote Gabriel«, und »Das Tagebuch der Redegonda«.

48 Seiten, 3.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon