Achter Auftritt


[353] Till Eulenspiegel allein.

Liedes, währenddem tritt Eulenspiegel auf.


EULENSPIEGEL.


Lied


1.

So recht fidel leb'n und umsunst,

Das, sag' ich, das ist d' größte Kunst.[353]

Ein' tüchtigen Zins zahl'n zweimal alle Jahr'

Und drum ein Quartier hab'n, das kann jeder Narr;

Den Wirt zahl'n fürs Essen, den Schneider fürs G'wand,

Dazu braucht der Mensch noch kein Quintel Verstand –

Aber ganz ohne Geld leb'n wie i,

Dazu g'hört sich schon ein Genie.


2.

Verliebten hilf ich, wo ich kann,

Denn das Geschäft nährt seinen Mann.

Wenn's heißt: Na, da nehmt's euch und schließet den Bund,

Da kann man leicht heiraten zu jeder Stund';

Doch wenn es heißt: Nein, aus der Hochzeit wird nix,

Dem Madel drohn Schläg', dem Amanten gar Wichs' –

Aus solcher Verleg'nheit hilf i,

Dazu g'hört sich schon ein Genie.


Ich bin ein Künstler, das kann mir kein Mensch abstreiten, ich betreibe die große Kunst, auf Unkosten andrer Leut' zu leben. Mein Bleiben ist nirgends, aber meine Werkstatt ist überall. Ich steh' jetzt häufig den Verliebten in ihren verwickelten Angelegenheiten bei, und das is ein Geschäft, bei dem man nicht zugrundgehen kann. Dieser Ort is zwar sehr klein, allein er könnte viel größer sein, wenn er mehr Häuser und Inwohner hätt'. Übrigens, für mich ist auch die kleinste Bevölkerung groß genug; denn ich hab' es bloß mit Liebesleuten zu tun und unter hundert Einwohnern gibt es immer einen Geizhals, fünf Säufer, einen Gelehrten, fünf Gescheite und achtundachtzig Verliebte. Auf diese statistische Bemerkung gründ' ich mein Metier und hab' noch immer meine Rechnung g'funden dabei. Man hört Lärm im Hause des Müllers. Was ist denn das für ein Lärm? Da muß ich mich auf die Lauer legen. Zieht sich zurück.


Quelle:
Johann Nestroy: Gesammelte Werke. Ausgabe in sechs Bänden, Band 2, Wien 1962, S. 353-354.
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