Vierter Auftritt


[373] Eulenspiegel; die Vorigen.


EULENSPIEGEL im Eintreten. Na, das g'freut mich unendlich, daß ich Euer Gnaden einmal wieder seh'! Was treiben S' denn allweil? Wo waren S' denn die ganze Zeit?

NELKENSTEIN. Woher kennst du mich denn? Ich habe wohl viel von deinen Streichen gehört, aber zu Gesicht gekommen bist du mir noch nie.

EULENSPIEGEL. Ah, das is stark! Wir waren so genau miteinander bekannt, es war in Dings da – vor zwölf Jahren –

NELKENSTEIN. Vor zwölf Jahren? Da lebte meine Gemahlin noch –

EULENSPIEGEL. Die hat noch g'lebt, richtig!

NELKENSTEIN. Da war ich in Frankfurt.

EULENSPIEGEL. Richtig, in Frankfurt war's, da waren wir sehr gut miteinand'.

NELKENSTEIN erstaunt. Wir?

EULENSPIEGEL. Sehr gut, wir haben einander gar nix getan.

NELKENSTEIN. Das glaub' ich.

EULENSPIEGEL. Ich bin grad unterm Kaffeehaus g'standen, da sein Ew. Gnaden vorbeig'fahren.

NELKENSTEIN. Das also ist die ganze Bekanntschaft?

EULENSPIEGEL. O nein, ich hab' mir damals noch gedacht: Wenn der heut' ins Bierhaus kommt, so trink' ich die Bruderschaft mit ihm auf du und du. Sie sein aber nicht 'kommen.[373]

NELKENSTEIN. Du Schalksnarr!

EULENSPIEGEL. Hm, Euer Gnaden, ich könnt' auch noch eine Forderung machen.

NELKENSTEIN. Eine Forderung an mich?

EULENSPIEGEL. Euer Gnaden haben mich damals, wie S' vorbeig'fahren sein bei mir, angeschaut mit einem G'sicht, als wenn Sie mir fünfzig Gulden versprecheten. Na, denk' ich mir, dem Mann kann ich schon fünfzig Gulden aufs G'sicht kreditieren, da brauch' ich nix Schriftliches; hab' Euer Gnaden fahren lassen, und seit der Zeit, als wenn S' mir ausg'wichen wären, ich hab' Ihnen nicht mehr g'sehn; jetzt wär' ich halt da um das Geld.

NELKENSTEIN lachend. Du Gauner, du! Ich muß lachen über dich, und da kommt es mir auf fünfzig Gulden nicht an; da nimm! Gibt ihm einige Dukaten.

EULENSPIEGEL. Das ist halt ein pünktlicher Mann, zahlt seine Schulden, ohne daß man ihn klagt.

NELKENSTEIN. Jetzt aber zur Sache! Du hast meinem Jäger versprochen, ihm zum Besitze seiner Geliebten zu verhelfen.

EULENSPIEGEL. So was is eine Kleinigkeit für mich.

NELKENSTEIN. Du bist ein Großsprecher; die Sache ist schwierig.

EULENSPIEGEL. Ja, da muß man halt ein Genie sein.

NELKENSTEIN. Wir wollen sehen, was du kannst. Übrigens muß ich dir nur sagen, ich habe in meiner Jugend auch manchen listigen Streich ausgeführt.

EULENSPIEGEL. Ah, gegen mich kommen Euer Gnaden nicht auf.

NELKENSTEIN. Das käm' auf eine Probe an. Mich fängt jetzt die Sache an doppelt zu interessieren. Ich werde selbst einen Plan ersinnen, dem Alten die Mündel wegzukapern, du magst nach deiner Idee handeln, es wird sich zeigen, wessen Erfindungsgeist zum Ziele führt.[374]

EULENSPIEGEL. Studieren Euer Gnaden aus, was Sie wollen, mein Plan wird gelingen, und Sie brennen mit dem Ihrigen ab.

NELKENSTEIN. Es gilt, Prahlhans; bist du der Sieger, so bekommst du hundert Dukaten, und wenn du willst, eine bleibende Stätte auf meinem Gute.

EULENSPIEGEL. Und wenn Euer Gnaden den Sieg der Pfiffigkeit erringen, so stell' ich Ihnen – denn ich bin jetzt nicht bei Kassa – einen Wechsel von fünfhundert Dukaten aus, a vista zahlbar fufzig Jahre nach Sicht.

NELKENSTEIN. Ich sag' dir nur, waffne dich mit all deinen Ränken und Schwänken, wenn du mit mir in die Schranken trittst. Zu Heinrich. Nach der Tafel, Heinrich, besprechen wir ein weiteres. Geht in die Seitentüre rechts ab.


Quelle:
Johann Nestroy: Gesammelte Werke. Ausgabe in sechs Bänden, Band 2, Wien 1962, S. 373-375.
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