Siebenter Auftritt


[377] Lenchen, Natzi, Peppi treten zur Mitteltüre ein.


LENCHEN zu Natzi, welcher ihr auf Schritt und Tritt folgt. Was verfolgst du mich denn immer? Soll ich mich von dir auch quälen lassen?

NATZI. Ich muß achtgeben auf dich, d' Frau Mutter hat's g'schafft.

PEPPI. Wer weiß, ob es wahr ist; mir scheint, 's ist nur eine Wichtigmacherei vom Mussi Natzi.

NATZI zu Peppi. Und wenn sie mir's auch nicht geschafft hätte, so gibt mir unsere nahe Verwandtschaft das Recht, die Lenerl in der Korda zu halten.[377]

PEPPI spöttisch. Na, freilich, weil die Verwandtschaft gar so nahe ist.

NATZI zu Peppi. Das versteht Sie nicht. Die Cousine von ihrer Mutter war die Godel von meinem Stiefbrudern seiner Schwägerin ihrer Ziehtochter, das gibt mir zu gleicher Zeit Neveu- und Herr-Onkel- Rechte über sie.

LENCHEN. Ich werde mich überwinden und werde dem Vormund so lang schmeicheln, bis er dich einmal derb durchprügelt.

NATZI zu Lenchen gewendet. O, mich schützt meine Frau Mutter vor jedweder Unbill und widerrechtlicher Antastung meiner Person.

PEPPI zeigt am Ende dieser Rede hinter Natzis Rücken Lenchen, welche auf der entgegengesetzten Seite steht, ein Billett und winkt ihr zu.

LENCHEN einen Vorwand suchend, Peppi zu sich herüberkommen zu lassen. Peppi, mich sticht hier eine Haarnad'l, sei so gut –

PEPPI. Gleich, liebe Mamsell – Läuft zu Lenchen hinüber.

NATZI sie aufhaltend und dazwischentretend. Halt! Die Spitzbübereien kenn' ich; wer weiß, was d' Lenerl sticht. Zu Peppi, indem er sie an die linke Seite des Zimmers führt. Soll vielleicht ein Brieferl zug'steckt werden? Sie hat heut' früh beim Milichholen mit dem Jäger diskriert, das is verdächtig. Zu Lenchen gewendet, welche an der rechten Seite steht. Ich bin ein Pfiffikus, mich betrügt man nicht so leicht wie mein' Herrn Vettern.

PEPPI. Aber, Mussi Natzi, was haben Sie denn für einen schwarzen Fleck auf Ihrem neuen Anzug?

NATZI. Einen Fleck? Wo denn? Geht zu ihr.

PEPPI. Da grad beim Kragen. Wendet ihn und steckt ihm den Brief wie einen Papierhaarzopf an den Rockkragen. Na, wenn das die Frau Mutter sieht!

NATZI. Ich glaub', Sie foppt mich.

PEPPI. Fragen S' die, Mamsell Lenerl, wenn S' mir nicht glauben.[378]

NATZI geht zu Lenchen hinüber. Du, Lenerl, schau' her da, hab' ich da richtig ein' schwarzen Fleck? Wendet sich so gegen sie, daß sie den im Rockkragen steckenden Brief sehen muß.

LENCHEN den Brief nehmend. Freilich. Klopft ihn einigemal, ihren Zorn auslassend, tüchtig auf den Rücken. So, jetzt ist er schon weg.

NATZI wieder in die Mitte vortretend. Das kann ich nicht begreifen, wo ich mir den Fleck g'macht hab'.

LENCHEN. Ich werd' jetzt in meine Kammer gehen.

NATZI. Da geh' ich mit.

LENCHEN. Was? Auch in meiner Kammer soll ich keine Ruhe haben vor dir?

NATZI. Ich muß auf deine Seufzer lauschen, um den Zustand deiner Seele zu beurteilen und der Frau Mutter zu rapportieren.

LENCHEN geht auf Peppis Wink in die Seitentür rechts ab.

NATZI will ihr folgen.


Quelle:
Johann Nestroy: Gesammelte Werke. Ausgabe in sechs Bänden, Band 2, Wien 1962, S. 377-379.
Lizenz:
Kategorien: