Sechster Auftritt


[391] Nelkenstein, Natzi im Fasse.


NELKENSTEIN. Unbegreifliche Dreistigkeit! Was er nur damit will?

NATZI klopft im Fasse.

NELKENSTEIN glaubt, man habe an der Türe geklopft. Herein! Wer klopft? – Es ist niemand, ich muß mich getäuscht haben.

NATZI klopft wieder.

NELKENSTEIN wie oben. Herein! – Ich muß doch sehen. Geht zur Türe, öffnet sie und kehrt dann wieder zurück. Es ist niemand; das ist doch sonderbar!

NATZI klopft wieder.

NELKENSTEIN. Schon wieder?

NATZI klopft sehr stark.

NELKENSTEIN. Alle Teufel! Das ist ja im Fasse –

NATZI schreit. Aufg'macht! Aufg'macht!

NELKENSTEIN das Faß untersuchend. Sollte das ein Schwank vom Eulenspiegel sein? Halt, hier seh' ich einen Schuber. Er zieht an demselben, der Deckel geht auf.

NATZI steigt in die Höhe. Tausend sapprawalt! Erblickt Nelkenstein. O Jegerl! Der gnädige Herr!

NELKENSTEIN. Bursche! Wie kommst du hierher?

NATZI erschrocken. Herg'walzt haben s' mich.

NELKENSTEIN ruft zur Türe hinaus. Heda! Bediente!

NATZI. Barmherzigkeit! Fällt auf die Knie.


Zwei Bediente treten ein.


NELKENSTEIN zu den Bedienten. Tragt das Faß hinaus! Die Bedienten gehen mit dem Fasse ab.

NELKENSTEIN zu Natzi, welcher noch ängstlich knien bleibt. Was fürchtest du denn?

NATZI. Schläg'.

NELKENSTEIN. Warum denn?

NATZI. Weil Sie ein gnädiger Herr sein.

NELKENSTEIN. Einfaltspinsel, steh auf![391]

NATZI aufstehend. Also sein Sie nicht bös auf mich? Nicht einverstanden mit die Spitzbuben? Dann bitt' ich um Rache.

NELKENSTEIN. Erzähle mir!

NATZI. Nur Rache!

NELKENSTEIN. Zuerst mußt du mir ja –

NATZI. In mir ist die Menschheit beleidigt.

NELKENSTEIN. Das zweifle ich, darum erzähle mir erst.

NATZI. Die ganze Sache ist so – dann aber Rache! Der Jäger von Euer Gnaden war in dem Faß, ich hab'n g'sehn.

NELKENSTEIN für sich. Aha!

NATZI. Ich ruf den Vettern; der neue Mühlknecht, der Ulrich, kommt dazu, ich wieder zurück, er will's nicht glauben, daß man im Faß sitzen kann, ich zeig' ihm's, er schlagt den Deckel zu und laßt mich fortwalzen.

NELKENSTEIN bricht in lautes Gelächter aus.

NATZI. O, da is gar nix zum Lachen dran! Lassen sich Euer Gnaden nur einmal kugeln von der Mühl' bis daher – das war eine Empfindung! Ich bin ohnedem dem Schwindel ergeben – ich ruf' in der Todesangst in einem fort: Ulrich! Ulrich! Aber der Ulrich hat getan, als höret er mich nicht.

NELKENSTEIN. Dir ist recht geschehen. Man muß nicht über alles gleich einen Lärm machen, was man sieht, hübsch verschwiegen sein!

NATZI. Ich fordere aber Euer Gnaden zur Rache auf.

NELKENSTEIN. Du bist ein Esel! Geht zur Seitentüre rechts ab.


Quelle:
Johann Nestroy: Gesammelte Werke. Ausgabe in sechs Bänden, Band 2, Wien 1962, S. 391-392.
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