Dritter Auftritt


[652] Nachtwächter. Klaus.


KLAUS. Sonderbar, daß wir vom Amt so wenig Sympathie haben unterm Volk.

NACHTWÄCHTER. Is Ihnen leid, daß S' jetzt nichts rapportieren können bei Sr. Herrlichkeit?

KLAUS. Herr Nachtwachter, frotzeln Sie mich nicht, Sie sind selbst Beamter.[652]

NACHTWÄCHTER. Ich tu' meine Schuldigkeit, deswegen bin ich aber doch ein freisinniger Mensch.

KLAUS. Als solcher sind Sie uns bereits denunziert, wir wissen, daß Sie auswärtige Blätter lesen, sogar österreichische.

NACHTWÄCHTER. Na, und was is weiter?

KLAUS. Diese Blätter waren einst – so unschuldig, wie gewässerte Millich, und jetzt unterstehen sie sich, den Absolutismus zu verheanzen.

NACHTWÄCHTER. Unser Bürgermeister kriegt gewiß über jeden Artikel die Krämpf'.

KLAUS. Sie haben noch einen Fehler, den wir recht gut wissen.

NACHTWÄCHTER. Und der wär'? –

KLAUS. Sie denken bei der Nacht über das nach, was Sie beim Tag gelesen haben, das liebt die Krähwinkler Regierung nicht.

NACHTWÄCHTER. Natürlich, 's Denken is viel größern Regierungen verhaßt.

KLAUS. Mit einem Wort, ich kann Ihnen sagen, daß Sie sehr schwarz angeschrieben sind bei uns.

NACHTWÄCHTER. Mein G'schäft ist die Nacht, die Nacht is schwarz, also verschlagt mir das nix.

KLAUS. Sie reden sich –

NACHTWÄCHTER. Doch nicht um den Kopf?

KLAUS. Das will ich nicht direkte behaupten, aber um den Magen, wenigstens um das, was den Magen füllt.

NACHTWÄCHTER. Larifari! In freisinnigen Ländern wächst auch Getreid.

KLAUS. Sie reden in den Tag hinein, und das is bei einem Nachtwächter unverzeihlich.

NACHTWÄCHTER böse werdend. Herr Klaus –

KLAUS. Kurz und gut, ich sag' Ihnen, beachten Sie meine bürokratischen Winke, wenn Sie anders die Fortdauer Ihrer Existenz nicht in Frage gestellt wissen wollen.

NACHTWÄCHTER. Kümmer' sich der Herr Klaus um die seinige, die Freiheit hat noch keinen einzigen Nachtwächter, wohl aber schon a paar tausend Spitzln brotlos gemacht.[653]

KLAUS stolz. Verhungert is deswegen doch noch keiner, a Zeichen, daß s' noch alleweil heimlich g'futtert werden. Und jetzt schweigen Sie, Sie sind ein Aufrührer, ein Wühler, ein Demagog.

NACHTWÄCHTER. Ich bin ein Nachtwächter, der in einer Stund schreien wird: »Zwölfe hat's g'schlagen«, und die Zwölfe wird der Herr Klaus auf sein' Buckel haben.

KLAUS. Hilfe! Meuterei, Blutbad, Verrat!


Quelle:
Johann Nestroy: Werke. München 1962, S. 652-654.
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Freiheit in Krähwinkel: Posse mit Gesang in 2 Abtheilungen und 3 Akten / von J. Nestroy (German Edition)