Siebzehnter Auftritt

[459] Schlucker und Adolf.


Chevalier Bonbon, Johann kommen von links.


BONBON in eiliger Geschäftigkeit. Hat Er den Spagat, lieber Johann?

JOHANN. Da ist er, Euer Gnaden!

BONBON. Befestige Er ihn am Fenster und lass' Er ihn hinab.

JOHANN. Das wird gleich geschehen sein. Tut, wie ihm befohlen.

BONBON für sich. Ich bin doch neugierig, ob sie mir schreibt? Ohne Zweifel schreibt sie, das pauvre Ding – aber hübsch ist sie. Pauvre, aber hübsch!

SCHLUCKER von rechts, einen Brief in der Hand. So! Da is eine Antwort, die sich gewaschen hat, die steckt sie nicht vors Fenster!

ADOLF ihm folgend. Vater, wenn Ihnen das Leben Ihres Sohnes lieb ist, nur das tun Sie nicht!

SCHLUCKER. Nix da, ich leid' keine Löfflerei, ich will keine Löfflerei und ich mag keine Löfflerei, außer die, wo Messer und Gabel dabei ist.

ADOLF schmerzlich. Emilie! Bedeckt sich das Gesicht mit beiden Händen und sinkt rechts auf den Stuhl.[459]

SCHLUCKER zum Fenster gehend. Die Schnur hängt richtig noch da – Knüpft den Brief an.

ADOLF. Vater!

JOHANN zu Bonbon. Sie bandelt schon unten.

SCHLUCKER schließt sorgfältig das Fenster. Du bleibst dort und rührst dich nicht von der Stelle! – So!

JOHANN zieht den Brief herauf und beim Fenster herein. Da is der Brief. Euer Gnaden werden doch ein Herzensbezwinger sein aus 'n ff! Will ihm den Brief übergeben.

BONBON. Da hat Er zwei Dukaten, lieber Johann, jetzt les' Er mir aber den Brief vor, ich habe meine Brille vergessen.

JOHANN liest. »Keckes Geschöpf!«

BONBON befremdet. Was für ein Geschöpf?

JOHANN. Da steht: »Keckes Geschöpf«. Liest weiter. »Verschonen Sie mich mit Ihren Zudringlichkeiten –«

BONBON erzürnt. Das ist ja impertinent!

ADOLF trostlos. Der Brief muß sie empören, das arme Fräulein.

SCHLUCKER vom Fenster kommend. Das is recht, sie soll sich ärgern, die verliebte Flitschen, die! Sieht den Rock, den Damian in seiner ersten Szene über den Stuhl gehängt.


Adolf geht verzweifelt auf und ab.[460]


JOHANN weiterlesend. »Bleiben Sie bei Ihresgleichen und mir hübsch vom Leibe, wenn Sie sich Unannehmlichkeiten ersparen wollen.« – Ohne Unterschrift. – Den verwegenen Stil hätt' ich der Jungfer Salerl gar nicht zugetraut. Gibt ihm den Brief.

BONBON. Ich könnte rasend werden.

JOHANN. Wär' schad', grad vorm Essen; das müssen Euer Gnaden nicht tun!

BONBON. Ja, ja, Er hat recht. Mach' Er, daß wir bald speisen, ich will meinen Grimm verbeißen.

JOHANN. Ich werde gleich zum Koch hinausschaun. Ab.

BONBON für sich, den Brief zusammenballend. Insolenz ohnegleichen! Geht wütend ab.


Quelle:
Johann Nestroy: Gesammelte Werke. Ausgabe in sechs Bänden, Band 2, Wien 1962, S. 459-461.
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