Zweiter Auftritt

[431] Sepherl, die Kinder Friedrich, dann Goldfuchs.


SEPHERL. Ich bin doch ein recht unglückliches Weib. Mein' Mann sein Verdienst so schlecht und die Schar Kinder zum Abfüttern!

CHRISTOPH. Und das glaubt kein Mensch, was die Kinder essen, und essen müssen s', sonst wachsen s' nicht.

SEPHERL. Halt's Maul! Schau' deine jüngern G'schwister an, die sagen nix, und du, der größte, du hast all'weil 's Essen im Kopf.

CHRISTOPH. Freilich hab' ich's in Kopf, aber warum? Weil ich's nit in Magen hab'.

NETTEL. Wenn mir der Vater ein neu's Kleid gibt, was er als so alter kauft, das ist mir lieber als alles Essen der Welt.

SEPPEL. Eitle Kreatur!

RESI mit einem Hanswurst spielend. Ich verlang' mir gar nix, wenn ich nur all'weil spielen kann.


Friedrich legt auf dem Tisch links Servietten zusammen.


FRIEDRICH. Das Geld möcht' ich' haben, was mein Herr ausgibt in ein' Jahr. Trägt die Servietten zur Tafel zurück.

CHRISTOPH. Jetzt G'spaß apart, Mutter, wird heut' gar nit 'kocht?

SEPHERL. Wenn der Vater ein Geld nach Haus bringt, sonst nit.

CHRISTOPH. Da ist's z' spat, da kommen wir aus der Ordnung.[432]

SEPHERL. Was will ich machen? Zum Versetzen hab' ich nix mehr.

CHRISTOPH. Vielleicht ist doch noch was da, ich trag's ins Amt.


Sepherl geht zu einem Wandschrank, öffnet ihn und sucht in demselben.


GOLDFUCHS tritt aus rechts. He, Friedrich! – Gut, daß Er da ist, ich habe noch Verschiedenes hier aufnotiert. Durchblättert seine Schreibtafel und setzt sich im Vordergrunde rechts auf einen Stuhl. Die Tischweine brauchen wir gar nicht, wir fangen gleich mit dem Mosler an.

FRIEDRICH. Sehr wohl, Euer Gnaden!

GOLDFUCHS. Und hat Er dem Koch wegen dem Spargel gesagt?

FRIEDRICH. Der Koch meint, im Oktober bekommt man das Stammerl nicht unter ein' Gulden.

GOLDFUCHS. Nun –?

FRIEDRICH. Da hab' ich g'sagt, ich muß Euer Gnaden erst fragen, ob's nicht zu teuer ist.

GOLDFUCHS aufgebracht. Impertinenter Pursche! Mir ist gar nichts zu teuer als der Lohn, den ich für einen Schlingel von so gemeiner Denkungsart zahle, wie Er ist. Blättert in seiner Schreibtafel.


Friedrich beschäftigt sich an der Tafel.


SEPHERL. Die Kleider sein schon alle versetzt.

CHRISTOPH. So gehn wir über d' Wäsch'!

SEPHERL. Du wirst einmal ein rechter Lump werden.[433]

CHRISTOPH. Das sagt der Vater auch, und was die Eltern sagen, das muß g'schehn.

SEPHERL suchend. Da ist es umsonst. Jetzt will ich noch drin in den andern Kasten schaun. Rechts ab mit den Kindern.

CHRISTOPH folgend. Vielleicht finden wir da auch nix. Übrigens, Hunger g'litten wird nit! Da muß eher alles Bettg'wand studieren. Ab.

GOLDFUCHS dem mittlerweile das Schnupftuch auf die Erde gefallen ist. Apropos, Friedrich, sag' Er dem Koch, die Trüffelpasteten kommen nicht nach, sondern vor den Fasanen.

FRIEDRICH das Tuch aufhebend. Euer Gnaden, das Schnupftuch ist auf die Erde gefallen. Will es überreichen.

GOLDFUCHS erzürnt. Kecker Schuft! Was mutet Er mir zu? Glaubt Er, ich werde etwas berühren, was schon einmal auf die Erde gefallen ist?

FRIEDRICH. Es ist aber vom feinsten Batist.

GOLDFUCHS. Augenblicklich werf' Er es zum Fenster hinunter! Steht auf und liest in seiner Schreibtafel.

FRIEDRICH tut, als ob er das Schnupftuch zum Fenster hinauswürfe, steckt es aber schnell in die Tasche. Es is schon drunt',[434] Euer Gnaden. Es steckt's grad einer ein.

GOLDFUCHS. Der Johann soll sogleich zu mir kommen! Rechts ab.

FRIEDRICH allein. Ich bin kein Wahrsager, sondern nur ein Bedienter, ich glaub' aber all'weil, ich werd' noch was haben, wenn der einmal nix hat. Links ab.


Quelle:
Johann Nestroy: Gesammelte Werke. Ausgabe in sechs Bänden, Band 2, Wien 1962, S. 431-435.
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