Erster Auftritt

[514] Goldfuchs, dann Johann.


GOLDFUCHS verstört aus rechts. Man hat mir alles versiegelt! – Johann! Johann! – Es steht Wache vor der Türe, das kann doch mich nicht angehn – Johann! – Ich habe ja nur mein und nicht fremdes Geld verloren! – Johann! – Wo mag er denn stecken? – Johann!

JOHANN tritt links ein. Was wollen S'?

GOLDFUCHS. Was bedeutet die Wache vor der Türe?

JOHANN. Das geht Ihnen nix an, sondern den Chevalier Bonbon.[514]

GOLDFUCHS. Wie das?

JOHANN. Man weiß, daß das Malheur mit 'n Schiff Ihnen und dem Bonbon sein'n Bruder in Marseille en compagnie z'grund' g'richt't hat. Na, und der Bonbon hat hier Schulden g'macht und versprochen, sein Bruder schickt's Geld. Jetzt versichern sich die Gläubiger derweil seiner einfältigen Person. Aber sagen Sie mir nur, wie kann man so ein Geschäft entrieren zur See ohne Assekuranz? – Für was wären denn die Assekuranzanstalten und für was würden all'weil noch neue erricht't? Wir kriegen jetzt eine Assekuranzanstalt, wo sich die Männer, die heiraten wollen, die Treue ihrer Frauen assekurieren lassen. Wir kriegen eine Assekuranz für Dienstboten, wenn s' an Sonntagen in Gros de Naples ausgehn, wo sie sich's Wetter assekurieren lassen, daß s' nit naß werden. Kurzum, Sie haben unüberlegt in den Tag hinein g'handelt! Da red't man über die jungen Leut'; ja, derweil machen d' alten, wie Sie sein, so dumme Streich'!

GOLDFUCHS frappiert. Ja, was wär' denn das? Du sprichst ja auf einmal in einem ganz anderen Tone mit mir!

JOHANN. Das is sehr natürlich. Das Gefühl, es steht ein reicher Mann vor dir, das is bei mir der Resonanzboden, über welchen man die Saiten der Höflichkeit aufzieht.[515] Kriegt dieser Resonanzboden durch einen tüchtigen Schlag einen Sprung, dann klingen die Saiten nicht mehr wie früher, sondern geben einen dumpfen, groben Ton.

GOLDFUCHS. Impertinenter Schlingel! Hinaus!

JOHANN. Ah, das glaub' ich, daß Ihnen das recht war', weil ich eine Forderung hab'.

GOLDFUCHS. Eine Forderung?

JOHANN. Die 6000 Gulden, die mein Vetter bei Ihnen angelegt hat.

GOLDFUCHS. Die soll Er haben. Ich bin nicht so ganz ruiniert, noch habe ich in einem hiesigen Handlungshaus –

JOHANN. Ich weiß, 80.000 Gulden haben Sie noch hier anliegen beim Bankier, von die werden Sie das Geld zahlen, und das heute noch, denn wie Sie dumm spekulieren, werden die 80.000 Gulden auch bald hin sein.

GOLDFUCHS ergrimmt. Pursche, ich geb' Ihm ein paar Ohrfeigen!

JOHANN. Das müssen S' nit tun, 's kost't 's Stück fünf Gulden, und Ihnen wird bald ein jeder Groschen weh tun. Das letzte Rettungsmittel für Ihnen, daß die Fräule Tochter eine brillante Partie macht, das is ja auch schon beim Teufel.

GOLDFUCHS. Wie meint Er das?

JOHANN. Sie ist ein sauberes Mädel, aber sie verschlagt sich ihren Ruf.

GOLDFUCHS wütend. Verleumder! Ich schnüre dir die Gurgel zu.[516]

JOHANN. Das müßten S' gar vielen Leuten tun, wenn über Ihre Tochter nichts Schlechtes gered't werden soll, denn es wird bald allgemein bekannt werden, daß sie eine liaison ferme hat, da unten mit dem Tandlerbuben. Sehr ehrenvoll das!

GOLDFUCHS. Schurke, du lügst!

JOHANN. Da derften S' froh sein. Werden schon daraufkommen, so was deklariert sich von selbst. Jetzt holen S' ein Geld und machen S', daß ich die 6000 Gulden bald krieg', nachher geh' ich. Links ab.


Quelle:
Johann Nestroy: Gesammelte Werke. Ausgabe in sechs Bänden, Band 2, Wien 1962, S. 514-517.
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