Zehnter Auftritt

[524] Vorige; dann Johann.


Vorige; Damian tritt etwas schüchtern links ein.


DAMIAN. Untertäniger Diener!

FANNY erstaunt. Wie, Herr Damian –? Was bringt Sie herauf?

DAMIAN. Mich? Hm! Beiseite. Wenn ich jetzt nur recht was Schwärmerisches sagen könnt'! – Hab's schon! Laut, indem er sie schmachtend ansieht. Wie geht's, wie befinden Sie sich?

FANNY. Ich dank' – passabel.

DAMIAN. Ich hätt' nicht denkt, daß wir heut' so ein' schön'n Tag krieg'n.

FANNY. Was fallt Ihnen ein? Es schaut sehr regnerisch aus.

DAMIAN verlegen beiseite. Wenn mir jetzt nur g'schwind noch eine Schwärmerei einfallet!

JOHANN tritt links ein. Guten Tag, schönes Kind, guten Tag!

SALERL erschrocken. Mosje Johann –?

JOHANN. Ihnen zu dienen! Immer fleißig?

SALERL. So so!

DAMIAN. Wie haben Sie geschlafen heut'?

FANNY. Ich kann wohl sagen: kurz, aber nicht gut.

JOHANN. Spinnen Sie Liebesfäden, um ein Netz für Herzen draus zu stricken?

SALERL. Was ich spinne, das gehört auf Hemder für die Kinder.[525]

DAMIAN. Hat Ihnen nichts geträumt vom Tandelmarkt und dessen interessanten Gegenständen?

FANNY. Nicht das Geringste.

SALERL. Ich versteh' Ihre Rede nicht.

JOHANN. Mädeln verstehn alles, was sie verstehen wollen. Es scheint also, daß –

SALERL. Ich manchesmal nicht Deutsch verstehen will.

DAMIAN. Möchten Sie mit keinem Tandler eine Liebeständelei anfangen?

FANNY. Zu was wär' denn das gut? Beiseite. Ich weiß gar nicht, was er will, der Mensch!

JOHANN. Ihr Herz ist wie mit einer Mauer umgeben, wirklich stark verpalisadiert.

SALERL. Warum nit gar? Um mein Herz ist keine Mauer, sondern nur ein Mieder, und da ist von keinen starken Palisaden, sondern nur von schwachen Fischbeinern die Red'.

DAMIAN für sich. Ich muß anders anpacken. Laut. Wissen Sie, daß Ihr Liebhaber ein schlechter Kerl is?

FANNY. Traurig für mich, aber Ihnen geht das gar nix an.

JOHANN beiseite. Ich muß anders zu Werke gehn. Laut. Wissen Sie, daß Ihr Liebhaber ein dummer Kerl is?

SALERL. Dumm und gut ist besser als g'scheit und schlecht.

DAMIAN beiseite. Sie is etwas abschnalzerisch.[526]

JOHANN. Wie meinen Sie das?

SALERL. Ich mein' halt, daß der Damian für mich just recht ist und ich für 'n Damian.

FANNY. Übrigens, was liegt mir an Johann! Es gibt ja noch mehr Männer auf der Welt!

DAMIAN. Das sag' ich halt auch. Mit Beziehung auf sich. Es ist ja fast in jedem Zimmer einer, mit dem was anz'fangen wär'.

JOHANN. Gesetzt, es fände sich einer, der den Damian in jeder Hinsicht weit übertrifft.

SALERL. Solche finden sich alle Tag', deßtwegen bleib' ich aber doch beim Damian.

DAMIAN für sich. Ich muß näherrücken. Laut. Gesetzt, es käm' ein Zauberprinz und leget Ihnen den ganzen Tandelmarkt zu Füßen?

FANNY. So ließ' ich das alte G'raffelwerk liegen.

JOHANN. Gesetzt, ich würde es versuchen, durch einen Strom von süßen Worten das Bild dieses Damians in Ihrem Herzen zu verwischen?

SALERL. Es ist mit Ölfarb' g'malen, durch's Wasser geht's nit aus.

JOHANN. Vielleicht doch! Ich adoriere dich, du holdes Kind! Kannst du widerstehen? Sinkt ihr zu Füßen.

DAMIAN losplatzend und auf die Knie stürzend. Fanny, auf meinen Knien beschwöre ich Sie!


[527] Zugleich.


SALERL. Jetzt gehen S', lassen S' Ihnen nit auslachen!

FANNY. jetzt gehen S', lassen S' Ihnen nit auslachen!


Quartett


SALERL.

Niederknie'n und solche Sachen,

Wie sie die Verliebten machen,

Bringen immer mich zum Lachen,

Rühren durchaus nicht mein Herz.

JOHANN.

Auf die Knie bin ich gefallen,

's war a Stellung, schön zum Malen,

Doch sie lacht zu meinen Qualen,

Spaß macht ihr mein Liebesschmerz.

FANNY.

Nein, was treibt der Mensch für Sachen,

Möcht' verliebt mich gerne machen,

Und er bringt mich nur zum Lachen,

Statt zu rühren dieses Herz.

DAMIAN.

Auf die Knie bin ich gefallen,

s' war a Stellung, schön zum Malen,

Jetzt fühl' ich kuriose Qualen,

Blaue Fleck' und Liebesschmerz.


Alle viere zugleich.


SALERL.

Wie doch ein Mann fast dem andern gleicht,

Bei jedem Blick ihre Treue entweicht!

JOHANN.

Sonderbar! D' Mädeln sind sonsten so leicht

Dasig zu machen, ihr Sinn gleich erweicht.

FANNY.

Wie doch ein Mann fast dem andern gleicht,

Bei jedem Blick ihre Treue entweicht!

DAMIAN.

Sonderbar! D' Madeln sind sonsten so leicht

Dasig zu machen, ihr Sinn gleicht erweicht.


[528] Allegro.


JOHANN.

Du willst mir also widerstreben?

SALERL.

Jetzt gehn S' fort, sonst mach' ich Lärm.

DAMIAN.

Liebst du mich nicht, kann ich nicht leben.

FANNY.

Da ist mir's leid, dann müssen S' sterb'n.


Zugleich.


JOHANN.

Ich kenn' mich fast vor Zorn nicht aus.

SALERL.

Gehn S' fort, sonst ruf ich 's ganze Haus!

DAMIAN.

Ich kenn' mich fast vor Zorn nicht aus.

FANNY.

Gehn S' fort, sonst ruf' ich 's ganze Haus!

JOHANN.

Man tröst't sich über so was bald,

Wenn man so vielen Mädeln g'fallt;

's wird jede andre mein wie nix,

Das ist das Werk des Augenblicks.

DAMIAN.

Wenn's schon nit ist, so geh' ich halt

Und unterdruck' die Lieb' mit G'walt.[529]

Ich bitt' nur, sag'n S' der Salerl nix,

Denn, glauben S' mir, ich krieget Wichs.


Zugleich.


SALERL.

Entfernen Sie sich, und das bald!

Geben S' acht sonst, wie mein Ruf erschallt!

Ich würd'ge Sie nicht eines Blicks,

Damit Sie sehn, mit mir ist's nix.

FANNY.

Entfernen Sie sich und das bald!

Geben S' acht sonst, wie mein Ruf erschallt!

Ich würd'ge Sie nicht eines Blicks,

Damit Sie sehn, mit mir ist's mix.


Alle viere zugleich.


SALERL.

Adieu, Mosje Johann, jetzt leb'n Sie recht wohl,

Sei'n S' ein andersmal g'scheiter und nicht mehr so toll.

JOHANN.

Adieu, Mamsell Salerl, jetzt leb'n Sie recht wohl,

Der spiel' ich ein' Streich, daß s' an mich denken soll!


Salerl rechts, Johann links ab.


FANNY.

Adieu, Mosje Damian, jetzt leb'n sie recht wohl

Sie'n S' ein andersmal g'scheiter und nicht mehr so toll.

DAMIAN.

Adieu, Mamsell Fanny, jetzt leb'n Sie recht wohl,

Verrraten S' nur nix, denn d' Salerl wurd' toll!

Fanny rechts, Damian links ab.


Quelle:
Johann Nestroy: Gesammelte Werke. Ausgabe in sechs Bänden, Band 2, Wien 1962, S. 524-530.
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