Vierter Auftritt

[518] Vorige; Adolf.


ADOLF. Was soll ich?

BEAMTER. Von mir die Nachricht eines großen, unverhofften Glückes vernehmen.

ADOLF erstaunt. Glück!?[518]

SCHLUCKER. Ja, was treibt denn 's Glück heut'?!

DAMIAN. Die Fortuna muß sich den Fuß überstaucht haben, daß s' nit, in den ersten Stock auffisteigen kann, sonst kehret s' gewiß nit zu ebner Erd' ein.

BEAMTER zu Schlucker. Zuerst muß ich einige Fragen an Euch stellen. Wo habt Ihr vor zwanzig Jahren domiziliert?

SCHLUCKER. Zwanzig Meilen von hier, ich war damals Schneider in Mühlenberg.

BEAMTER. Wer hat neben Euch gewohnt?

DAMIAN. Ein z'grund' gegangener Uhrmacher.

BEAMTER. Namens?

SCHLUCKER. Uns hat er g'sagt: Berger; aber d' Leut' haben g'sagt, das is nur ein falscher Namen g'west, unter dem er vor sein'n Gläubigern sich Ruh' verschafft hat.

BEAMTER. Ganz recht! Was hinterließ er Euch, als er in die Fremde ging?

DAMIAN. Fünf Gulden und ein' kleinen Bub'n.

SCHLUCKER. Die fünf Gulden haben wir schon lang aus'geb'n –

DAMIAN. Den klein'n Buben haben wir noch. Auf Adolf zeigend. Da steht er.

SCHLUCKER. Unser einzig's Kind is damals grad g'storb'n.

DAMIAN. War auch bübischen Geschlechts.[519]

SCHLUCKER. So haben wir den gleich b'halten.

BEAMTER. Alles stimmt überein, es ist kein Zweifel. Zu Adolf. So wissen Sie denn, junger Mann, Ihr Vater lebt.

ADOLF freudig überrascht. Lebt!? Wär's möglich!? O, sagen Sie, wo, daß ich in seine Arme eile!

BEAMTER. Die Entfernung seines Aufenthalts ist für Ihre Wünsche viel zu groß. Ihr Vater kam nach langer Wanderfahrt nach Ostindien; dort lächelte ihm das Glück und machte ihn zum reichen Manne. Die Aufenthaltsveränderung Ihrer Zieheltern machte alle Nachforschungen nach seinem Sohne fruchtlos, bis endlich der Zufall einen Freund Schluckers, einen Maurer namens Winter, nach Kalekut führte.

SCHLUCKER. Wer hat denn dem Maurer Winter das Geheimnis entdeckt, daß der Adolf nur ein angenommener Sohn war?

SEPHERL. Ich, lieber Mann, ich!

SCHLUCKER zu ihr. Du? Ich will nit hoffen – mir scheint, du hast den Winter gern g'sehn.

DAMIAN. Warum nit gar? Gern g'sehen? Sie hat bloß ein blindes Zutrauen g'habt!

BEAMTER zu Adolf. Ihr Vater, auf diese Weise in Kenntnis gesetzt, ersuchte brieflich das hiesige Gericht, seinem einzigen Sohne die Schrift einzuhändigen, die ihn mit seinem wahren Namen bekannt macht und[520] ihn zum künftigen Erben seines ungeheueren Reichtums ernennt. – Bankier Walter weiß Ihnen nähere Auskunft zu geben und ist zugleich beauftragt, Ihnen dreißigtausend Dukaten auszuzahlen. Gibt ihm eine Schrift.

ADOLF die Schrift nehmend. Mein Vater lebt, und wäre der Weg zehnmal so weit, ich muß zu ihm, ich muß in seine Arme sinken.

SCHLUCKER ganz verblüfft. Dreißigtausend Dukaten!

DAMIAN. Das is a Roßglück!

SCHLUCKER mit respektvoller Verlegenheit. Herr von Adolf –

DAMIAN. Lieber Baron –

SCHLUCKER. Wie soll ich gratulieren?

DAMIAN einen Stuhl bringend. Nehmen Euer Exzellenz Platz!

SEPHERL. Ich freu' mich – und kann mich doch nicht recht g'freun, weil ich jetzt mein' Adolferl verlier'.

ADOLF wirft die Schrift auf den Tisch und umarmt sie. Sie haben mich als wahre Mutter geliebt.

SCHLUCKER. Ich etwan nicht als wahrer Vater? Das mit dem Brief gestern, glaub'n Sie mir, Herr von Adolf, das war ein bloßes Mißverständnis; wie hätt' ich sonst die Frechheit gehabt –

DAMIAN. Sei stad, Schwager, das; sieht er schon ein, der Herr Graf, nicht wahr? Euer Durchlaucht vergessen auch meinerseits alle Puffer und Schopfbeutler der frühen Jugend?[521]

ADOLF. Ich habe für nichts Gedächtnis als für das Gute, was ihr mir erwiesen, und mein Dank wird ohne Grenzen sein. Zum Gerichtsbeamten. Doch jetzt bitte ich, führen Sie mich schnell dorthin, wo ich mehr von meinem Vater erfahre, ich brenne vor Ungeduld.

BEAMTER. Kommen Sie! Beide links ab.

DAMIAN. O Gott, das ist ein lieber Mensch – der dumme Kerl! –


Quelle:
Johann Nestroy: Gesammelte Werke. Ausgabe in sechs Bänden, Band 2, Wien 1962, S. 518-522.
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