Erster Auftritt

[276] Philemon, Doris, Seladon und Mirtillo.


PHILEMON zu Doris.

Komm! Weine nicht, mein Kind, du bist nicht schuld daran;

Es hat's die Eifersucht, der Neid, die List getan.

Ein wenig fehltest du, da dich dein Vater fragte.

Wie kam es, daß dein Mund ihm nicht die Wahrheit sagte?

DORIS.

Ach! ich erschrak zu sehr. Sein Zorn bewegte mich,

Ich bin es nicht gewohnt.[276]

PHILEMON.

Ich weiß, er liebet dich;

Darum hat ihn der Zorn so heftig eingenommen.

Warum bist du nicht gleich zu mir aufs Feld gekommen?

DORIS.

Ich furchte dich und ihn; ein jedes leichte Laub

Bracht' mich zur größten Furcht, der allerkleinste Staub

Schien mir ein Berg zu sein; ich konnte fast vor Zagen

Mir selbsten nicht die Qual, die mich doch rührte, klagen.

PHILEMON.

Du bist ein schüchtern Reh.

DORIS.

Ich sehe es wohl ein,

Man ist schon strafenswert auch durch den bloßen Schein.

Es soll mir künftig doch zu guter Warnung dienen;

Ich will behutsam sein, und zwar in allen Mienen.

Mein lieber Seladon war auch sehr aufgebracht;

Er stieß mich von sich weg und hat mich ausgemacht.

Er warf mir Sachen vor, die mir ganz fremde waren.

PHILEMON.

So hat der Seladon mit dir so hart verfahren?

DORIS.

Ach! sei nicht bös auf ihn; er ist gewiß recht gut.

Es klopfte mir das Herz, es wallete mein Blut;

Ich hätt' ihm gar zu gern das alles abgebeten,

Was ich mein Tage nicht getan, noch übertreten.

Allein er war so bös; er sagte mir den Kauf

Mit rechtem bittern Schimpf vor allen Leuten auf.

Ich will ihn jetzund nicht dadurch bei dir verklagen;

Du wolltest ja von mir, ich sollt' dir alles sagen.

PHILEMON.

Ei, ei, mein Seladon, das hätt' ich nicht gedacht,

Daß dir ein Schatten gleich so großen Argwohn macht.

Das ist zu fürchterlich. Auf Freundschaft und Vertrauen

Muß man die Festigkeit der zarten Liebe bauen.

Du kränkest mir zu früh das gute treue Herz.

DORIS.

Ach! schmäle nicht mit ihm.

PHILEMON.

Versüß ihr diesen Schmerz.

SELADON.

Die Unschuld ihrer Brust wird ihr das schon versüßen,

So gut, als meine Brust sie frei hat sprechen müssen.

Nicht wahr, du denkst nicht mehr an die Verdrießlichkeit?


Zu Doris.


Nein; ich vergess' sie gern und war darzu bereit,

Viel eher, als mich konnt' der harte Zufall rühren.[277]

PHILEMON.

Dadurch zeigt sie dir an, wie du dich aufzuführen

Und zu verhalten hast. Gib mir die Hand, mein Sohn,

Und denk vernünftig nach.


Gibt ihm die Hand.


Gelt, du verstehst mich schon?

Mirtillo, darf ich dir wohl meinen Rat erteilen?

So hüte dich hinfort; du kannst dich übereilen.

Im Lieben ist man sich für diesen Fall nicht gut:

Siehst du die Macht davon? Hat sich nun nicht dein Blut

Mit solcher Kraft gezeigt, die deinen Haß bezwungen?

Der Sieg ist keinem Held, auch keinem Held gelungen,

Die Liebe gar zu fliehn. Da sind wir alle schwach;

Sie hat verborgne List und fängt uns tausendfach.

Wann wir der einen Art gleich mit Bedacht entweichen,

So weiß sie doch geschwind in unser Herz zu schleichen,

Eh man bewaffnet ist. Auch die Vernunft bleibt stehn

Und läßt uns in dem Fall für uns alleine gehn.

Du hättest mir dein Herz nur gleich eröffnen sollen;

So hätt' ich dir als Freund darinnen raten wollen.

Die Doris war als Braut an meinen Sohn bestimmt,

Der sehr unleidlich ist und das gleich übelnimmt,

Wenn man ihn, was er liebt, in die Gefahr will setzen;

Sein Lieben hat die Art; man kann sie leicht verletzen.

SELADON zum Philemon.

Du warest noch sein Schutz.

PHILEMON.

Es war nicht gar zu fein.

Dein Zorn muß künftighin nicht zu gefährlich sein.

Mir war zwar dein Gemüt nicht ganz und gar verborgen;

Doch glaub' ich nicht an dir die Härte zu besorgen.

MIRTILLO.

Ich habe nicht gewußt, daß Doris dir gehört.

Sonst hätte mich gewiß schon die Natur belehrt,

Was eines andern ist, für mich nicht zu begehren.

Du liebest deine Braut, und ich darf sie doch ehren.

Vergib mir nur, mein Freund.

PHILEMON.

Heut ist ein Tag der Lust,

Da du dich und den Wahn und Haß bezwingen mußt.

Die Wildheit schickt sich nicht für sanfte Schäferherzen;

Die Tugend, die Vernunft, die Billigkeit, das Scherzen[278]

Soll ihnen eigen sein. Die hülfreich gute Hand,

Die gerne freundlich gibt, ein unschuldsvoller Stand,

Die Treue, der Bestand, soll ihre Tugend heben;

Das Mitleid und der Fleiß muß auch das Ansehn geben.

Dadurch die Zärtlichkeit ihr sanftes Recht erlangt;

Daran das ganze Wohl der Menschen wahrhaft hangt.

Das ist die Pflicht von euch, das müßt ihr gut studieren,

So nutzet euch die Welt und so könnt' ihr sie zieren.

So müßt ihr hier vergnügt, dort wahrhaft glücklich sein.

Die Freudigkeit, der Ruhm, das Glück ist ungemein

Selbständig, wahr, gewiß; der Tod kann es nicht rauben.

Das ist den Seelen Ruh', das könnt' ihr mir fest glauben.

Nun, meine liebe Braut, leg deinen Zierat an;


Zur Doris.


Zeig, daß dein gutes Herz auch recht vergeben kann.

Nimm keinen Groll mit dir; das reine Band der Liebe

Muß ohne Flecken sein. Dein Herz hat sanfte Triebe.

Dem folge.

DORIS.

Herzlich gern!

PHILEMON.

Nun gehe, putz dich schön.

DORIS.

Darf dann mein Seladon mit mir nach Hause gehn?

PHILEMON.

Wann du wirst fertig sein, so soll er dich gleich holen.


Doris geht ab.


Quelle:
Deutsche Literatur in Entwicklungsreihen. Reihe Aufklärung. Band 3Leipzig 1933–1935, S. 276-279.
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