Von Schimpff das 153.

[103] Ein Brief an Hals hencken für Augenwe.


Uf einmal kam ein erfarner Schůler, als etwan mit den Fischgernlinen gangen seind, ein Lütbescheisser in ein Huß, da was ein Frau in, deren thetten die Augen we. Er sprach zů derselben Frawen, wolt sie im ein Guldin geben, so wolt er ir ein Brieflin an den Hals hencken, das ir kein Aug me we thet, so lang und sie an dem Hals trüg, sie[103] solt es auch niemans zögen. Die Frau was fro und gab im den Guldin. Der Schůler gab ir das Brieflin yngenegt und hieng es ir an den Hals.

Die Frau trůg es wol drü oder fier Jar an dem Halß. Und da sie uff einmal beichtet, da fragt sie der Priester, ob sie kein Abergloben het. Sie sprach, ir wer ein Brieflin geben, wie sie so heilige Namen an dem Hals trůg für das Augenwe. Der Priester wolt sie nit ußrichten, sie ließ in dan den Brieff lesen. Als er es laß, da lacht er. Da sprach die Frau, wes er lacht. Der Priester laß es, das sie es auch verstůnd. Da stůnd es also: ›Der Hencker stech dir die Augen uß, und der Tüffel scheiß dir in die Lücken!‹ Die Frau wolt es nit glauben, das also in dem Brieflin geschriben stünd, und nam es und trůg es zů dreien oder zů fieren. Da můst es die Frau wol glauben, und da zerreiß sie das Brieflin, da fiengen ir die Augen widerumb an we zů thůn.

Der Tüffel kan wol Siechtagen machen uffhören ein Zeit lang. Liß Doctor Keiserspergs Omeiß, daryn findestu Bericht.

Quelle:
Johannes Pauli: Schimpf und Ernst. Teil 1. Berlin 1924, S. 103-104.
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