Von Schimpff das 239.

[153] Der Esel was witziger dan sein Her.


Ein semlicher fůret uff einmal sein Esel zů trincken über den Brunnen. Da der Esel gnůg getruncken het, da wolt er stetz heim. Diser bat den Esel, er solt me trincken. Der Esel wolt stetz heim. Da sprach der Man: ›Bei meinem Eid, du bist witziger dan ich. Wan du gnůg getruncken hast, so hörestu uff; wan ich schon genůg hab, so fahe ich erst wider an umb der Gesellen willen zů trincken.‹

Es ist ein Wort: Mesikeit stat wol in allen Dingen. Es solt keiner trincken, er solt ein Aberzil haben, damit er nit zů vil trincke. Aber was ist ir Aberzil? Der ein trinckt, biß das nichtz mer in dem Glaß oder in der Kanten ist; der ander trinckt, biß im die Augen überlauffen; der drit, biß er kein Atem me hat; der fierd, biß im der Wein biter würt in dem Mund. ›Ja,‹ sprechen sie, ›wir sein mesig; wir trincken ein Maß in einem Trunck uß.‹ Semliche Unfleter sein einem Land schedlicher dan ein kleiner Reiff. Hüt sich jederman vor Trunckenheit! Wa einem truncknen Menschen etwas widerfür und er also stürb, so wer er doch on alles Mitel verdampt; wan er sein Vernunfft nit[153] bruchen kan und kan nit sprechen an dem letsten End: ›O Got, erbarm dich über mich!‹ Sanctus Paulus (1. Cor. 6) spricht: ›Truncken Lüt besitzen Gottes Gericht nimer.‹

Quelle:
Johannes Pauli: Schimpf und Ernst. Teil 1. Berlin 1924, S. 153-154.
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