Von Schimpff das 291.

[184] Das Graumenlin můß als tragen.


Es was ein Müller, der het fier kleiner Pferdlin, die im die Seck zů der Mülin trůgen; das ein hieß Brünlin, das ander Replin, das drit Schimlin, das fierd Graumenlin. Die drei spart er und brucht das fierd stetz; das můst die Bürde alle tragen, das es darunter niderfiel und verdarb.

Der Müller bedüt ein jeglichen, der die fier Pferdlin hat, das sein seine fier Alter. Es ist sein Kindheit biß uff die 20 Jar, sein Jugent biß uff die 40 Jar, sein Manheit biß uff die 60 Jar, sein Alter biß uff den Dot, das ist das Graumenlin. Jegliche Zeit, wie jetz erzelt ist, hat sein Penitentz und Ordnung, wie man Got dienen sol; aber wir sparen unsern Leib in der Jugent und wöllen es als dem alten Leib ufflegen, so du grau bist worden uff dem Kopff und wa du Har hast, das Graumenlin mein ich. ›Ja wan ich alt bin, so wil ich Got dienen.‹ Nieman sol seine gůten Werck sparen biß in das Alter, wan du dan ungeschickt bist zů der Penitentz. Lieber Got, wiltu fasten, so magestu zů Nacht nit schlaffen; wiltu betten, so entschlaffestu darüber; du bist dür in dem Mund, und wer not, wan du betten woltest, das du ein Flesch mit Wein neben dir hettest. Alt kalt, je älter je kälter, vol, faul, öd, blöd. Sein wir alten Lüt nüchtern, so sein wir blöd; sein wir vol, so sein wir faul und entschlaffen über dem Tisch. Betracht das bei Zeiten!

Quelle:
Johannes Pauli: Schimpf und Ernst. Teil 1. Berlin 1924, S. 184.
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