Von Schimpff das 299.

[187] eim Büch wolt einer beichten.


Uf einmal het einer sein Beicht in ein Bůch geschriben und kam zů seinem Pfarrer und sprach: ›Her, ich hab ein kurtze Gedechtniß, auch so stamel ich, und bit euch, ir wöllen mein Beicht und Sünd da lesen in dem Bůch. So wil ich zůhören.‹ Der Priester sahe wol, das er zwo oder drei Stund bedörfft zů lesen, und stůnden vil da und warteten zů beichten. Der Beichtvatter sprach: ›Ich hab jetz nit Zeit zů lesen. Nach Ostern kum, so wöllen wir es lesen. Sag jetz nit me dan die grösten Stück!‹ Das thet er. Der Priester absolviert in und sprach: ›Ich absolvier dich von allen Sünden, die in dem Bůch ston geschriben. Nun far hin!‹ Er sprach: ›Her, wöllen ir mir kein Bůß geben?‹ Der Beichtvater sprach: ›Nein.‹ Er sprach: ›Her, ich wil ein Bůß haben.‹ Der Beichtvater sprach: ›So gib ich dir zů Bůß, das du ein Monat lang alle Tag dis Buch drümal ußlesest.‹ Er sprach: ›Her, die Bůß ist mir zů hart.‹ Der Beichtvatter sprach: ›Magstu das Bůch nit selber lesen, wie wolt ich es dan lesen?‹

Darumb ein Gedechtnißbrieflin mag man wol machen, er sol aber Artickel machen und Zeichen, das es niemans verstand dan er allein. Aber an ein Brieflin schreiben oder einem Bůch lesen als die Nunnen, so sie gantze Beicht thůn, das sol nit sein.

Quelle:
Johannes Pauli: Schimpf und Ernst. Teil 1. Berlin 1924, S. 187.
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