Von Ernst das 352.

[213] Umb eins Dolchens willen ward einer gehenckt.


Uf einmal gieng einer über Feld, der fand ein silberin Dolchen. Es kam einer, der fragt in, ob er nit ein silberin Dolchen funden het. Er sprach Nein und löcknet es. Es stůnd ein Zeitlang, uff einmal het einer ein Deschen mit Gelt verloren, und was nieman uff demselben Weg dan[213] diser. Man fieng in; er löcknet es fast und sprach, er het das Gelt nit funden. Da man in ußfůrt und wolt in hencken, da kam er zů einem Crucifix, da sprach er: ›O Her Jesu Criste, du weist, das ich hüt unschuldig sterben můß und das Gelt nit funden hab.‹ Da hort man ein Stim, die sprach: ›Es ist nit umb der Deschen willen, aber umb des silberin Dolchens willen.‹

Also kumpt es offt, das einem ein Rad über ein Bein gat nit umb des willen, das man ein schuldiget, aber umb des willen, das vergangen ist. Gottes Urteil sein heimlich und verborgen; es můß alles gestrafft werden hie oder dort, und etwan hie und dort.

Quelle:
Johannes Pauli: Schimpf und Ernst. Teil 1. Berlin 1924, S. 213-214.
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