Von Ernst das 32.

[26] Ein Nar überdisputiert ein Witzigen.


Da Rom zů einem Teil gebauwen was, da schickten die Römer gen Athenis eerliche Botten uß dem Radt dar und entbotten in, sie solten ein Gesatz und Statuten und Ordnungen schicken, wan es was ein hohe Schůl da, und wie sie ir Stat wol regierten. Sie schickten ein hochgelerten Man gen Rom, der het der Stat Recht und ir Ordnung bei im. Doch so ward im befolhen, wan er gen Rom kem, so solt er inen die Ordnung und Satzung nit vorlesen noch geben, er solt sie vorhin beweren mit Disputieren, ob sie würdig weren die Ordnung zu empfahen, und solt doch die Disputacion geschehen mit Zeichen und Tüten.

Da die Römer das horten, da legten sie einem Narren ein kostlichen hübschen Rock an und satzten im ein hübsch rot hoch Baret uff. Und ob es Sach wer, das der Kriech sie überwünd, so het er nicht mee dan ein Narren überwunden; und wer es aber Sach, das der Nar den von Athenis überwünd, so hetten die Römer alle überwunden. Da nun die Stund kam, das man disputieren solt, und der Rat da was und sunst jederman, wer da wolt zůhören, da satzten die Römer den Narren uff den Sessel gegen dem Kriechen von Athenis. Dem[26] Narren ward befolhen, das er kein Wort solt reden. Der Kriech von Athenis achtet in für ein hochgelerten Man; wan er ansichtig was.

Der Kriech von Athenis fieng die Disputation an und hůb ein Finger uff, den Zöger, als wolt er verston, das nit me dan ein Got wer. Da verstůnd es der Nar und meint, er wolt im ein Aug ußstechen mit dem Finger; da hůb der Nar zwen Finger uff, als wolt er sprechen: ›So wil ich dir zwei Augen ußstechen.‹ Nun ist es gewonlich, wan einer zwen Finger uffstreckt, so streckt er den Dumen auch uß. Da nam es der Kriech von Athenis uff, er wolt zu verston geben die heilig Dreiheit in einem gewaren Gott; darumb so streckte er drei Finger uß. Darnach hůb der Kriech von Athenis eine flache offne Hand uff, als wolt er zů verston geben, das Got dem Herren alle Ding offenbar weren und kunt. Da nam es der Nar uff, er wolt im mit der flachen Hand eins an den Backen geben, und macht ein Faust, als wolt er in mit der Faust umb den Kopff schlagen. Da nam es der Kriech von Athenis uff und meint, Got het alle Ding in seinem Gewalt beschlossen, und die Urteil Got des Heren weren heimlich und aller Welt verborgen.

Also erkant der Kriech von Athenis, das sie würdig weren das Gesatz zů empfahen; wan sie hetten gelerte Leüt zů Rom, dieweil diser Nar stil schweig und nit ret. Da achtet in der Kriech von Athenis für ein weisen, hochgelerten Man; het er aber geret, so het er gleich wol gesehen, was er für ein Man wer gewesen. Als noch hützůtag sich vil Ratherren des gebruchen.

Quelle:
Johannes Pauli: Schimpf und Ernst. Teil 1. Berlin 1924, S. 26-27.
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