Von Schimpff das 369.

[222] Einerlei Wein must einer trincken.


Es zohe ein Thucher einmal gen Rom und kam in dem Welschen Land in ein Wirtzhauß. Der Wirt bracht im gůten Wein herfür. Der Gast tranck mit Lust. Darnach bracht der Wirt im ein anderer Lei Wein und sprach: ›Her Gast, versůchen den Wein auch!‹ Der Gast sprach: ›Ich hab ein böse Natur, ich můß bei einem Trunck bleiben.‹ Er wüßt wol, das kein besserer kam. Der Wirt gedacht: ›So würstu nit vil an dem Mal gewinnen.‹ Da der Gast widerumb von Rom kam, da rechnet er alle Tag uß, wan er wider zů seinem Wirt kem, zů dem gůten Wein. Da er zů im kam, da het der Wirt geordnet ein schlechten sauren Wein. Da der Gast nun wol gessen hat und wolt ein gůten Trunck thůn, da rumpfft er sich darab und růfft dem Wirt und gab im zů trincken. Da der Wirt getranck, da sprach der Gast: ›Geben ir euwern Gesten Essich zů trincken?‹ Der Würt flůcht und zörnt über das Gesind und sprach, wer im den Wein het geben; es wolt es nieman gethon haben. Zů dem letsten sprach der Wirt: ›Her Gast, mir ist nit als leid, das man euch den Tranck geben hat; mir ist vil leider, das ich euch kein andern darzůsetzen hab. Wan ir sprachen zů dem nechsten, ir müsten bei einem Tranck bleiben; wa ir zweierlei Tranck trüncken, so würden ir siech, das wer euwer Natur.‹ Also kam der Wirt der andern Ürtin auch widerumb zů.

Quelle:
Johannes Pauli: Schimpf und Ernst. Teil 1. Berlin 1924, S. 222.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Schimpf und Ernst
Sinnreiche Und Unterhaltende Geschichten Aus Frater Johannes Pauli's Schimpf Und Ernst
Schimpf und Ernst