Von Ernst das 435.

[257] Der ein Kolben machet.


Es was ein reicher Man, der het drei Döchteren, die versorgt erin die Ee und gab inen Man und darzů was sich zimpt, und er behielt im selbs ein Narung und hielt also Huß mit einer Kellerin, das was eine frume Frau. Und er wolt den Kinden zů lang leben. Sie lagen an im zů bitten, er solt inen sein Gůt geben, so wolten sie in alle sein Lebtag ziehen und sie wolten im ein eigen Kamer yngeben und wolten im des besten Essen und Trincken geben. Der Vatter übergab inen alles sein Gůt und kam zů inen. Und das erst Jar ward er wol gehalten von inen. Das ander Jar, wan er me zu einer Dochter kam dan zů der andern, so sprach sie: ›Vatter, ir ligen mir stetz uff dem Hals. Gon auch zů den andern! Die haben eben als vil empfangen als ich.‹

Der gůt Vatter sahe wol, das er unwert was worden, und het Rat mit einem Burger. Der Burger gab im ein alten Trog, da was Sant und Stein yn, und ließ in in sein Huß tragen und sprach zů der Dochter, sie solt im ein Fierling und drei Liechter leihen, er het etwas zů rechnen. Und da saß der Vatter dy halb Nacht zů klinglen, als ob es Guldin weren. Morgens ließ er mit Fleiß ein alten Behemisch ligen in dem Fierling und gab in der Dochter. Der Man sprach: ›Vatter, ir haben nechtig geklinglet, als ob es Guldin weren gewesen. Ich hab es wol gehört.‹ Er sprach: ›Ich hab in einem Trog mir noch selber Gelt behalten, und welchs mir under euch zů dem allerfrüntlichsten thůt, dem wil ich es lassen.‹ Da sie das horten, da wolt in ein jegliche haben, und kriegten umb in. Er ward wol gehalten. Und da er sterben solt und meinten, es wer kein Blybens me da, da giengen sie über den Trog. Da lag Sant und Stein darin und ein Kolben, daran stůnd geschriben also in engelischer Sprach: ›Kunt und wissen sei aller Welt, das man den mit dem Kolben schlagen sol, der seinen Kinden gibt, das er darnach manglen můß.‹ Sie sahen einander an und schampten sich. – Merck uff!

Quelle:
Johannes Pauli: Schimpf und Ernst. Teil 1. Berlin 1924, S. 257.
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