Von Ernst das 446.

[262] Einer schreib ein Rat uff Bapeyr.


In einer Stat heten die jungen Rät die alten Ratzherren vertriben in das Ellend, das sie das Regiment allein hetten; einer zohe hieher, der ander dorthin. Einer under den jungen Räten het seinen Vatter daheim behalten. Und einer von den Vertribnen der was in einer Stat; da hort er sagen, wie man die Stat, uß deren er was, yn wolt nemen und sie mit Verretterei gewinnen. Etlich sagen, er sei gefangen gewesen und het es gern seinem Sun geoffenbart und kunt es nit zůwegen bringen. Und bracht doch so vil zůwegen, das im Züg und Materi ward, und schreib ein Brieff, wie sie darvor solten sein, das der groß Mord kein Fürgang het, und leimt denselben Brieff uff ein Bret und überzohe den Brieff mit Wachs und erwarb von dem Thurnhüter, das er die Taffel seinem Sun solt schicken. Da der Thurnhüter sahe, das nichtz an dem Wachs geschriben stůnd, da ließ er es nach.

Und da seinem Sun die Taffel ward, da wüßt er nit, was es bedütet, und trůg es in den Rat. Es waren jung Gesellen, doch gedachten sie: Was hat er im an der Taflen geschickt? Und der, der seinen Vatter daheiman het verborgen, der sagt es seinem Vater. Der Vatter sprach: ›Sun, du solt nit glauben, das also ein weiser Man, als des Vatter ist, das hab umbsunst gethon. Darumb wan du morgen in den Rat kumest, so rat, das man an einem Ort unden das Wachs uffheb und lůg, ob etwas under dem Wachs geschriben sei!‹ Da man das Wachs also uffthet, da sahen sie ein Buchstaben oder zwen. Da theten sie das Wachs gar hinweg und funden, wie sie sich halten solten, und sprachen zů disem, er het die Weißheit nit von im selbs. Da sagt er inen, wie er seinen alten Vatter daheiman het, der het in das gelert. Da erkanten sie die Weißheit der Alten und stalten widerumb nach inen.

Quelle:
Johannes Pauli: Schimpf und Ernst. Teil 1. Berlin 1924, S. 262-263.
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