Von Schimpff das 463.

[271] Der Man gab eim das Pferd.


Es was ein Frau, die was nit gantz witzig; sie was aber reich und het ein Sun gehebt, der was gestorben. Uff einmal da was der Her in dem Rat, da kam ein farner Schůler, der begert ein Suppen von ir. Die Frau gab im zů essen und sahe das Gernlin, das er anhet, und sprach zů im: ›Ich sihe, das ir ein farner Schůler sein, und mein Sun ist in ein[271] ander Welt gefaren. Haben ir in nit gesehen? Ir faren weit hin und her.‹ Er sprach: ›Ja, ich hab in gesehen, und er leidet Hunger und grosen Frost und laßt euch bitten, das ir im ein beltzin Rock und Hembder schicken und sechs oder siben Guldin.‹ Die Fraw sprach: ›Gern‹, und nam des Mans Rock mit Fuchs gefütert, doch nit den besten, und ein lang Hembd und drei Guldin und band es in ein Leilachen als ein Blunder und sprach zů im: ›Machen euch bald damit hinweg, ee das mein Man kumpt! Wan er würd es euch sunst wider nemen.‹

Er für darvon. Und nit lang darnach kam der Man uß dem Rat, und die Frau sagt es im, wie sie irem Sun etwas geschickt het. Der Man was zornig und meint, sie het im vil Geltz geschickt, und saß behend uff ein Pferd und ylet im nach, meint, er wolt es im wider nemen. Da in der faren Schůler sahe hernachreiten, da verbarg er das Blunderlin under ein Studen und lent sich also uff ein Stecken.

Da der Her kam, da sprach er zů disem: ›Hast du nit ein Gesellen gesehen, der tregt ein weiß Blunderlin uff dem Rucken?‹ Der faren Schůler sprach: ›Ja, er ist da über den Zun gesprungen mit dem Blünderlin, sobald er euch gesehen hat, und laufft zů dem Wald zů. Ir erlauffen in noch wol.‹ Der Her fiel bald von dem Pferd herab und gab es disem zů behalten, biß das er widerkem. Da der Her zů dem Wald zů lieff und wolt jenen sůchen, dieweil nam er das Blünderlin uff sein Rucken und saß uff das Pferd und reit hinweg.

Da der Her niemans fand, da gat er wider umb und wil wider heim reiten; da fand er das Pferd auch nit me und můst zů Fůß heimtraben. Da er nun wider heimkam, da fragt in die Frau, ob er den Man funden het. Er sprach: ›Ja, ich hab immer Geltz geben und hab im mein Pferd darzů geschenckt, das er dester ee zů im kum.‹

Quelle:
Johannes Pauli: Schimpf und Ernst. Teil 1. Berlin 1924, S. 271-272.
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