Von Ernst das 466.

[273] Ein Bischoff sach ein Kind betten.


Uf einmal lag ein heiliger Bischoff an einem Morgen und schlief. Da traumt im, wie ein kleins Kneblin, ein Schůlerlin ob einem Weiger stünd und het ein lange Růten in der Hand und het fornen ein guldinen Angel daran und zohe ein grosen Fisch heruß. Da erwacht der Bischoff und stůnd uff und gedacht dem Traum nach und lag under eim Fenster, das gieng uff den Kirchoff; da sahe er ein Kneblin uf einem Grab betten.

Da gieng er zů im und sprach: ›Was thůstu da?‹ Das Kneblin sprach: ›Mein Můter ist mir gestorben, die ligt da vergraben, und bit Got für sie.‹ Er sprach: ›Was bettestu?‹ Das Kneblin sprach: ›Ich bet das Miserere und das Paternoster daruff.‹ Da erkant der Bischoff, das das Miserere die lang Růt was und das Paternoster der guldin Angel, der Weiger das Fegfeüer, der Fisch die Seel des Kinds Můter.

Darumb ist heilsam und gůt zů bitten für die Doten, das sie von iren Sünden entbunden werden.

Quelle:
Johannes Pauli: Schimpf und Ernst. Teil 1. Berlin 1924, S. 273-274.
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