Von Schimpff das 554.

[316] Einer nam sich an, er wer dot, und starb recht.


Zů Parys ist es geschehen, das etlich diser Meinung feind waren und wolten ir Meinung mit einem falschen Mirackel bestedigen und hatten angelegt mit einem Edelman, das er sich kranck macht und sich darnach annem, er wer dot. Und er ward in ein Dotenbaum gelegt, und wurden alle Priester uß den Klöstern und uß den Stifften geladen zů der Begrebniß und sunst auch vil Frauwen und Man. Und man trůg die Leich in die Kirchen, die semlichen Mißbruch bestetigen wolten und semlich Ding hetten zůgericht. Und gieng desselben Edelmans Eefraw hindennach und nam sich an Weinens und Klagens; sy wüßt aber wol von dem Betrůg. Da man die Bar für den Predigstůl bracht, da stalt man sie nider, und nach Gewonheit des Lands da gieng der Predicant uff den Predigstůl und predigt von den Doten, und in Mittin der Predig sprach der Predicant: ›Es ist ein Irrung von unser lieben Frawen Empfencknis. Das ir erkennen, das unser Opinion war sei und recht ist, und sie in Erbsünden empfangen sei, so trüw ich ir, sie werd jetz ein Zeichen thůn und werd diser Dot wider erston von den Doten. Darumb du Juncker N., ist sie in Erbsünden empfangen, so stand uff von den Doten! Ist sie on Erbsünden empfangen, so stand nit uff! Das gebüt ich dir zů dem erstenmal.‹ Es wolt nichtz daruß werden. Er gebot im zů dem andernmal, es wolt aber nichtz daruß werden. Er gebot im zů dem drittenmal. Und da er nit uff wolt ston, da lieff die Hußfrau dar und warff die Sergen von der Bar und thet den Dotenbaum uff; da was ir Man dot. Da schalt sie den Predicanten fast übel und sprach: ›Du hast mir meinen Man gedöt,‹ und sagt jederman den falschen Anschlag. Also giengen sie mit groser Schand hinweg.

Quelle:
Johannes Pauli: Schimpf und Ernst. Teil 1. Berlin 1924, S. 316-317.
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