Von Ernst das 640.

[355] Der ein Hudel für die Hüser schlůg.


Es was ein Ritter, der het alwegen Kreiden und Lumpen bei im, wa er hinreit. Und wa er für eins Edelmans Huß in einer Stat oder für ein Schloß hinreit, da ein Bůlerin in was, so henckt er ein Lumpen mit einem Nagel an die Thür und schreib darunder: ›Hie ist ein Hudlerin‹, und seinen Namen darzů. Wa er aber ein frume Frau oder Junckfrau in einem Schloß oder in eins Edelmans Huß wüßt, so gieng er zů ir und lobt sie und sprach zů ir: ›Frau, Got bestetig euwer Eer, und bleiben also in dem gůten Fürnemen biß in euwer End, so sein ir aller Eren werd.‹

Und wer gůt, das es noch wer, wie es vor Zeiten was, da man die frumen Frawen zůsamensatzt und die verlumpten Frawen auch zůsamen, ob sie schon nit als reich und gůt von dem Adel weren. Damit reitzt man die Frawen und Junckfrawen zů Frumkeit und die andern zů Scham, und das sie ir Augen nit uff dörften thůn. Aber jetz thůt man den gemeinen Metzen als vil Eer an als den frumen Frawen; und wa man etwan ein Hochzeit hat, so gedenckt manche: ›Es gilt doch gleich frum und unfrum.‹ In den Dörffern sitzen etwan der Pfaffen Frawen über alle frume Frawen. Wan das nit wer, so kemen sie nit dar, sie gaben auch etwan reilicher dan andere, des geniessen sie.

Quelle:
Johannes Pauli: Schimpf und Ernst. Teil 1. Berlin 1924, S. 355.
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