Von Schimpff das 642.

[356] Der hieß im die Stifel spicken.


Uf einmal was ein Abenthürer, der kunt jederman spotten. Der kam in eins Schůmachers Huß und bracht im zwen Stiffel und sprach: ›Lieber Meister, spicken mir da die Stiffel! Ich můß noch in fier Tagen reiten.‹ Er sprach: ›Gern.‹ Und da er hinwegkam, da sprach der Knecht: ›Meister, diser Gesel kan jederman ein Schellen anhencken. Lassen unß im die Stiffel spicken, wie er es geheissen hat!‹ Der Meister sprach: ›Ja, gern.‹ Und spickten im die Stiffel, wie man Fögel und Hüner spickt.

An dem dritten Tag kam der Gesel und fragt, ob sein Stiffel gespickt weren. Der Meister sprach Ja und gab sie im. Der Gesel sprach: ›Das ist recht, das einer thůt, das man in heißt. Was ist der Lon?‹ Der Meister sprach: ›Acht Crützer.‹ Er zalt es im dar und fůr damit darvon. Und da er die halb Gaß hinufkam, da kart er sich widerumb und thet den Hůt für die Augen und stieß den Kopf durch das Scheibenfenster hinyn in die Stuben und sprach: ›Meister, was Specks ist das, damit die Stiflen gespickt sein? Ist es von einer Moren oder von einem Rotberg?‹ Der Schůmacher ward zornig und sprach: ›Das dich dis und jens angang, můstu mir die Fenster zerstossen!‹ Der Abenthürer sprach: ›Ich můß wol fragen, was Specks es sei.‹ Damit gieng er hinweg. Der Meister sprach zů dem Knecht: ›Wer hat nun dem andern ein Schellen angehenckt? Ich mag das Scheibenfenster mit einem Guldin nit wider lassen machen. Den Schaden hastu mir zůgefügt.‹

Quelle:
Johannes Pauli: Schimpf und Ernst. Teil 1. Berlin 1924, S. 356.
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