Von Schimpff das 97.

[67] Wan einen ein Lauß oder Floch beißt.


Wan das ist die recht Weiß und Maß für semliche gestiflette Doctores und gestreiflette Leyen, die etwan semliche hohe seltzame Fragen an die gelerten Lüt thůn, als die Edlen etwan thůn. So ein[67] Doctor an ein Hoff kumpt und wil etwas umb den Fürsten erwerben, so laden sie in und fragen in seltzame Fragen und wöllen in versůchen, was er kün. Und sprechen: ›Wa was Got, ee er Himmel und Erdtreich beschůff? Und wie kan so ein groser Man, als Cristus ist, in dem heiligen Sacrament sein under so ein kleiner Hostien?‹ Und dergleichen Frag legen sie an ein. So kan er sie nit baß verantwurten und inen ir Narheit erzögen, dan das er auch dorrechte Fragen an sie leg.

Als dem würdigen Doctor Keisersperg uff einmal geschach, der also versůcht ward, wie jetz gered ist. Da fragt er sie widerumb und sprach: ›Ir lieben Herren und Junckern, sagen mir eins! Wan euwer einen ein Lauß beißt, so würt ein Blatter da, ein Bühelin, und wan einen ein Floch beisset, so würt ein Rotzbletzin da, und wan einen ein Muck beisset, so würt nichtz da, wie kumpt es?‹ Sie sprachen alle, sie wůßten es nit. Da sprach er: ›So sollen ir euch schammen, das ir die Heimlicheit Gottes wöllen erfaren in dem Himmel, und wißen die dorechten kindlichen Werck nit.‹ Also sol man semliche gestiflette Doctores geschweigen.

Quelle:
Johannes Pauli: Schimpf und Ernst. Teil 1. Berlin 1924, S. 67-68.
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