Von Ernst das 682.

[381] Von heimlichen Urteilen Gotes drü Exempel.


Jacobus de Vitriaco schreibt, das da ist gewesen ein heiliger Einsidler, der sahe so vil seltzams Dings uff Erdreich, des er sich verwundert und bat Got, er solt im etwas zögen von der Heimlicheit seins Urteils. Got wolt in erhören und schickt im ein Engel, der sprach zů dem Brůder: ›Kum mit mir! Ich wil dir zögen die heimlichen Urteil Gottes.‹

Und kamen uff ein weit Feld, da begegnet inen einer reiten, dem empfiel ein Deschen mit Gelt, das er es nit gewar ward. Da kam ein Hirt, der fand die Desch und trůg sie mit im hinweg. Diser Kauffman, da er gewar ward, das er die Desch verloren het, und kart sich wider umb und sůcht uff dem Weg die Deschen und fand ein jungen Gesellen und fragt in, ob er sie nit funden het, und wolt dem die Desch mit dem Gelt angewinnen, und wurden uneins, und zuckt von Leder und hüw im ein Fůß ab, das er lam ward. Diser Brůder verwundert sich des. Der Engel sprach: ›Nit verwunder dich! Der das Gelt hat verloren, das ist überkumen von des Hirten Gůt und Arbeit; darumb hat er es billich uffgehebt. Der ist darumb lam worden, das er mit dem Fůß sein Můter hat gestosen, und ist darumb gestraft worden.‹

Der Engel fůrt in weiter, und kamen in der Wůste in ein Zel, da funden sie[381] ein Altvatter, den hetten die Lewen zerrissen. Der Einsidel sprach: ›Ach Got, wie ist es dem ergangen! Der hat Got 40 Jar gedient und ist so ellendlich gestorben.‹ Sie kamen weiter in ein Zel, da funden sie ein Altvatter uff einem Baum sitzen. Der Engel ret mit im. Der sprach: ›Ich hab 40 Jar Anfechtung gehebt, das ich solt widerumb in die Welt gon.‹ Da sie hinweggiengen, da warff der Engel disen über den Baum ab zů Dot. Diser Einsidel sprach: ›Ich mein, du seiest der Tüffel.‹ Der Engel sprach: ›Gottes Urteil sein heimlich, die sol ich dir zögen. Der Lew hat jen gedöt; wan durch den Dot ist er dem Fegfeüer entlauffen, darumb hat er Got lang Zeit gebetten. Den ich zů Dot hab geworffen, het er lenger gelebt, so wer er wider in die Welt gangen und verdampt worden. Sunst ist er behalten.‹

Der Engel fůrt in weiter, und kamen zů einem Burger, der empfieng sie wol und gab inen uß einem silberin Becher zů trincken. Da sie an dem Morgen hinweggiengen, da stal im der Engel den silberin Kopff. Sie kamen weiter, da begegnet inen ein Edelman, der schalt sie übel. Dem schanckt der Engel den silberin Kopff. Sie kamen weiter zů einem reichen Man, der behielt sy über Nacht, und des Morgens bat der Engel den Hußwirt, er solt inen sein Sun leihen, das er inen den Weg zögt über die Bruck hinuß. Da sie uff die Bruck kamen, da warff der Engel den Knaben über die Bruck ab in das Wasser, und ertranck. Und sprach zů dem Einsidler: ›Dem hab ich den silberin Kopff genumen, das er nit verdampt würd; wan er was nit von rechtem Gůt da. Dem Edelman hab ich in geben für ein zeitliche Belonung gůter Werck, die er gethon hat in Dotsünden. Den Knaben hab ich dem Vatter ertrenckt; wan ee er in het, da was er ein großer Almůßner. Das hat er abgebrochen, auch hat er angefangen unfertig Gůt zů gewinen, damit er seinem Sun gůte Narung ließ.‹

Da der Einsidler das hort, da verwundert er sich nit me.

Quelle:
Johannes Pauli: Schimpf und Ernst. Teil 1. Berlin 1924, S. 381-382.
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