Der siebente Auftritt

[218] Karl Southwell. Jakob.


KARL. Laß sie ihre Kunst zu sterben lernen, Jakob. Karl, der glückliche Karl versteht die bessere Kunst, zu leben, glückselig zu leben.

JAKOB. O Herr! daß Sie doch die erstere nicht gar über der letztern vergessen möchten! Wissen Sie wohl, wieviel Augenblicke Sie noch die erstere werden entbehren können?

KARL. Tor! mit deinem Geschwätze! Darfst du dich wohl unterstehen, bei der Freude deines Herrn, des glückseligsten Menschen von der Welt, zu seufzen?

JAKOB. Haben Sie sich mit dem Himmel und Lucien versöhnt und sind so glücklich geworden, als Sie sein können?

KARL. Schweig, Narr! der Überfluß meiner Freude allein verzeiht deiner Unverschämtheit. Wisse, Amalie liebet mich. Nur noch eine kleine Zeit, so wird sie auf ihren Gemahl, auf ihren Karl Southwell stolz sein. Sagete ich nicht, daß ich Sieger sein würde? Jakob! Ja, was kann weiblicher Stolz und weibliche Tugend wider mich? Besaß nicht Lucie beides? Himmel! Sieh die Größe meiner Freude und beneide mich![218]

JAKOB. Rufen Sie nicht den Himmel, Ihre Freude zu sehen, damit er sich nicht dabei an Ihre Verbrechen erinnern möge.

KARL. Predige, alter Sirach, predige. Ich kann mich heute über meinen ärgsten Feind nicht erzürnen. Aber der ehrliche Sir Robert! Jakob, er verdienet meine ganze Dankbarkeit. Er riß mich aus einer Unruhe voll Verzweiflung. Bald hätte mein Vater durch meine Unvorsichtigkeit meine ganze Liebe mit Lucien erfahren. Aber es ging alles gut, ehrlicher Jakob. Ich will dir es zu einer andern Zeit erzählen, wenn ich ruhiger bin. Jetzt bin ich lauter Freude. Aber du so gleichgültig, so närrisch traurig?

JAKOB. Verschonen Sie mich mit Ihrer Freude: Ich bin nicht von einem so feinen Gefühle wie Sie. Aber Amalie, die tugendhafte Amalie konnte die Pflicht gegen Lucien vergessen? Warum vergaß sie ihren Stolz gegen Sir Karln?

KARL. Mußte sie ihn nicht vergessen? Saget nicht selbst die stolze Miene ihres Geschlechts jederzeit dem unsrigen: Ihre Dienerin ersuchet Sie, ja nicht so stolz, so grausam gegen sie zu sein, als sie sich gegen ihn zu sein stellt. Aber mein einfältiges Herz hätte sich bald durch ihre verstellte Sprödigkeit betrügen lassen. Würde sie nicht auch jedweden außer mich völlig betrogen haben? So ernsthaft, eifrig für ihre Freundin! Unerforschliche Tiefe der weiblichen Verstellung; wer kann dich ergründen? Komm! Jakob, laß uns die Anordnungen zu unserer Reise zu meinem Freund Atkins machen. Er soll Lucien ihre Ruhe wiedergeben. Schilt meine Gerechtigkeit, wenn du kannst.


Quelle:
Die Anfänge des bürgerlichen Trauerspiels in den fünfziger Jahren. Leipzig 1934, S. 218-219.
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