Das dritte Capitel.

D. Faustus machet und verschaffet aus Rachgierigkeit einem Wirt einen Poltergeist, in seine Behausung.

[381] ES kam D. Faustus auf eine Zeit gen Gotha in die Stadt zu einem Wirt, einem ehrlichen und frommen Mann, bey diesem blieb er über die vierzehen Tage, inner welcher Zeit er nichts anders thate als Fressen und Sauffen mit andern, und täglich wol leben; man hielte ihn auch ehrlich und stattlich, weil man sahe, das Geld vollauf da ware: man bestellte ihm täglich die Spielleute, worzu denn auch Frauenspersonen kamen, mit welchen er und die andern Zechgesellen tantzten, und guter Dinge waren.

[357] Nun kam einsten D. Faustus der Wirthin zu nahe, machten auch bereits gute Kundschafft miteinander, welches aber der Hausknecht zeitlich warname, liesse sich doch zur Zeit nichts mercken, allein folgenden Tags, als der Wirth vom Marckt wieder nach Hause kommen, zeiget er solches seinem Herrn an. Wie aber diese Zeitung dem guten Mann müsse empfindlich zu vernemen gewesen seyn, daß er also unverdienter Weise mit Hörnern gekrönet worden, ist daher abzunemen, daß er sobald samt dem Hausknecht in das Zimmer D. Fausti gantz ergrimmet eingetretten, ihme dieses unerbare Stück vorgehalten, und weiln er so bald nichts darauf antworten kunte, fehlete es nicht viel, er hätte ihm die blosse Wehr in den Leib gestossen, allein er besanne sich, und gedachte, wie er doch nur den Schimpff mit dem Schaden haben würde; gebote ihm derentwegen mit allem Ernst, daß er sich unverzüglich aus seinem Wirthshaus machen, und solches räumen solte, oder er wolte ihm etwas weisen das ihm nicht gefallen dörffte.

D. Faustus nicht weniger erschrochen, als hernach, da er sich etwas erholet, auf den Wirth gleichfalls ergrimmet, wegen der unversehenen Uberfallung und Verbietung deß Hauses, gedachte bald, wie er dem Wirth mit seiner Zauberkunst[381] eines wolte versetzen, daß er eine Weil daran zu gedencken hätte; aber GOtt wolte es damals nicht zu lassen: und da D. Faustus sahe, daß er mit aller seiner Kunst nichts schaffen kunte, gieng er zur Stund aus dem Wirtshaus in ein anderes, auf dem Marckt, und im Herausgehen verschwure er sich bey allen Teuffeln, er wolte solche Schmach [358] und Schimpff rächen, und es solte nicht lang anstehen: wie er denn auch dieses nach etlichen Tagen meisterlich zu Werck gerichtet hat, indem er durch seine Kunst verschaffet ein Gespenst oder Poltergeist in den Keller, der nicht allein die Liechter, wenn man Wein holen wollen, ausbliese, sondern auch, und welches das Vornemste war, die gantze Nacht über ein solches Poltern und Rumoren daselbst hatte, daß weder die in dem Hause, noch auch die Nachbarn darfür ruhen kunten. Und da es hernach eine Zeit lang gewäret hatte, und doch kein Mittel darwider helffen wollen, beklagten sich deßwegen die Nachbarn insgesamt, es wolte auch überdas kein Gesinde mehr im Hause bleiben, noch jemand mehr daselbst einkehren; daß also der gute Mann gezwungen worden die Wirchschafft aufzugeben: und wie die Sage ist, soll noch auf den heutigen Tag daselbst niemand wohnen, oder die Wirtschafft treiben können.

Nota: M. Moir meldet unter andern von dieser Histori, daß solche D. Faustus selber habe aufgezeichnet, folgender Gestalt: Anno fünff und dreyssig kam ich in Gotha zu einem Wirth, Valentin Hohenweyer; der hat mich eine Zeit lang also tractiret, daß ichs nicht besser gewünscht hätte; aber er ist mir um Ursach willen gram worden; doch hat er dessen wol entgelten und büssen müssen. Ich hoff mit meiner Kunst soll weder er, noch jemand anders im Haus wohnen können, noch Glück und Stern haben, wie mir denn mein Geist zugesagt hat.


[359] Anmerckung.

I. Bey diesem, daß D. Faustus allhier mit aller seiner Zauber-Kunst, wie gern ers auch gethan hätte, dem Wirth weder an seinem Leib noch Leben schaden können, weiln ihn GOtt bewahren wollen,[382] ist dieses erstlich zu einem beständigen Trost zu behalten: daß, obwol deß Teuffels Sinnen und Beginnen, Dichten und Trachten Tag und Nacht dahin gerichtet ist, wie er uns möge beykommen, uns Schaden thun, und in seine Gewalt bringen, so kan er doch mit aller seiner Gewalt nichts thun, noch etwas ins Werck setzen, wenn GOtt nicht will. Er kann auch nicht mehr thun als GOtt will, welches nicht nur aus deß frommen Hiobs Histori erhellen mag, dem der Teuffel nicht konte beykommen, er muste zuvor dessen Erlaubniß von GOtt haben, Job. 1. v. 12. u. 2. v. 56. sondern auch aus der Histori, die sich mit der Heerd Säu der unverständigen Gergesener zugetragen; in welche eine gantze Legion Teuffel nicht konte von sich selbsten fahren, sondern, immassen der Evangelist Lucas zeuget, Cap. 8. v. 31. Sie baten zuvor den HErrn Christum, daß Er es ihnen erlaubete: und da Er es ihnen erlaubet hatte, da fuhren die Teuffel aus von dem Menschen, und fuhren in die Säu. Hat nun der Teuffel nicht Macht über die unvernünfftigen Thier, mit ihnen von sich selbsten zu thun, was er will, so hat er es viel weniger Macht mit den vernünfftigen, sonderlich mit Christi hochschätzbarn Blut erlöseten Menschen.

O wenn er mit uns verfahren dürffte und könte wie er wolte, wir würden gewißlich keinen Augenblick sicher seyn; denn an dem Willen mangelts ihm niemals, aber am Vollbringen mangelts ihm, denn das stehet in GOttes Willen, sagt gar recht Gregorius.

Dieses wuste Antonius der Einsiedler wol: dannenher als ihm einsten die bösen Geister hart zusetzten, sagte er zu ihnen: Si quid valetis, si vobis in me potestatem Dominus dedit, ecce præstò sum, devorate concessum, si verò non potestis, cur frustrà nitimini? das ist: Wenn ihr etwas vermöget, und euch GOtt über mich Macht gegeben hat, sihe hie bin ich, fresset mich gar, wenns euch erlaubet ist, wenn ihrs aber nicht könnet, ey was unterstehet ihr euch denn vergeblich?

Er ist zwar gleich einem Hund, der an der Ketten ligt, und weiter nicht kan, als ihm die Ketten zulässet; aber wer ihm gleichwol zu nahe gehet, den beisset er: also ligt [360] der Höllenhund gleichsam an der Ketten der Erlaubniß GOttes, daß er weiter nicht kan, als Er es ihme zulässet, aber wer ihm durch Sicherheit zu nahe kommt, den beisset er.


II. Darnach und zum andern, ist bey dem Poltergeist allhie, den D. Faustus in die Behausung deß Wirths eingezaubert hat, dieses zu erwägen, was denn eigentlich solche Geister und Gespenster seyn.

Nemlich nichts anders als böse Geister, welche entweder in mancherley Form und Gestalt erscheinen und sich sehen lassen, oder aber sichtbarlich nicht erscheinen, doch aber warhafftig gegenwärtig, und[383] bisweilen die Menschen allein erschrecken, bisweilen an einem und dem andern Ort allein ihr Rumpeln und Poltern hören lassen, bisweilen auch Menschen und Ort zugleich angreiffen, und mit ihnen verfahren und umgehen, so weit und viel es ihnen von GOtt verhängt, und zugelassen wird. D. D. König. Hept. Consc. Miscell. p. 10.

Bey welcher Beschreibung kürtzlich zu mercken stehet, daß erstlich die Gespenste, weder der Abgestorbenen Seelen, noch auch ihre Leiber seyn können, denn die Toden kommen nicht wieder zu uns, wir aber zu ihnen, 2. Sam. 12. v. 23. Sie kommen nicht mehr in ihr Haus, ihr Ort kennet sie nicht mehr, Job. 7. v. 10. Sondern es seyn eigentlich böse Geister, zum Unterscheid von den heiligen Engeln, als deren Erscheinungen viel und weit besser Visiones oder Gesichter genennet werden; und welcher Gespenster Beginnen und Vornemen, Thun und Handel gemeiniglich dem, was die gute Geister und heilige Engel thun, gantz zuwider laufft.

Zum andern daß die Gespenste und böse Geister in mancherley Form und Gestalt erscheinen; denn das ist dem Teuffel nicht unmüglich, daß er allerley Gestalten kan an sich nemen, und zwar nicht nur allein lebloser Creaturen, und der unvernünfftigen Thier, sondern auch der Menschen, ja auch heiliger Leute und GOttes Diener, immassen er, wie aus dem 1. Buch Samuel. im 28. v. 8. bekant ist, die Gestalt deß heiligen Propheten Samuels an sich hat genommen, und ist in derselben dem Saul erschienen; ja er kan sich gar verstellen in einen Engel deß Liechts, wie Paulus saget, 2. Corinth. 11. vers. 14.

In vitis Patrum gedencket D. Georg. Maior; es habe einer in der Wüsten gewohnet, dem der Teuffel vielfältig ein Geplerr vor die Augen gemacht, er aber vermeinet, es wären die heili[361]gen Engel, die ihm also erschienen. Nun pflegte sein Vatter offt zu ihm in die Wüsten zu kommen, ihn zu besuchen. Eines Tages nam sein Vatter eine Holzaxt auf seine Achsel, auf daß er, wenn er wiederum heimgienge, ihm ein Holtz oder zwey abhiebe, und mit anheim neme. Da kam der Teuffel in eines Engels Gestalt zum Sohn im Wald, ehe denn der Vatter zu ihm kam, und sagte zu ihm: sihe der Teuffel kommt zu dir, in Gestalt deines Vatters, und hat eine Axt, darmit gedencket er dich zu erschlagen, darum komm du ihm zuvor, nimm die Axt, und schlage ihn zu tod. Als nun der Vatter kam, ergreifft sein Sohn die Axt, und erschlug ihn, kam also in Teuffels Gewalt mit seiner erwählten Heiligkeit.

Also gedencket auch Lutherus an einem Ort, daß eine Jungfrau zu Wittenberg kranck gewesen wäre, deß alten Œconomi Freundin, der auch ein Gesicht vorkommen, als sehe sie Christum in einer herrlichen[384] Gestalt: nun hätte sie solches Bild schier angebetet, denn sie nicht anderst gemeinet, als wäre es der HErr Christus. Als man nun eilend einen Boten aus dem Collegio ins Closter geschicket, und D. Lutherum holen lassen, er auch zu der krancken Jungfrauen kommen, und das Bild, so deß Teuffels Affenspiel gewesen, angesehen, da hat er sie vermahnet, daß sie sich den Teuffel nicht solte äffen lassen. Darauf fähet sie an, und speyet dem Bild ins Angesicht, sihe, da verschwindet der Teuffel alsbald, und wird das Bild verwandelt in eine grosse Schlange, die laufft zur Jungfrauen aufs Bett, und beisset sie in ein Ohr, daß ihr die Blutstropffen auf dem Ohr stunden, und verschwande darauf die Schlange.

Ja, wo er nicht von der höhern Gewalt GOttes gehindert wird, so kan er in der jenigen Form und Gestalt erscheinen, in welcher er will; doch erscheinet er gemeiniglich in der jenigen Gestalt, in welcher er seinen Zweck am meinsten gedencket zu erreichen, und deß Menschen Temperament, Eigenschafften und Inclinationen oder Neigungen vermeinet am gleichesten zu werden, ihm zu schaden, und ihn je länger je mehr in sein Netz zu ziehen.

Drittens ist zu mercken bey dem was gesagt worden, daß sie entweder erscheinen und sich sehen lassen, oder aber auch sichtbarlich nicht erscheinen, und doch warhafftig gegenwärtig seynd; denn die Gespenste seynd entweder eigentlich in ihrer blossen Form und Gestalt gegenwärtig, und können also von menschlichen Augen nicht gesehen [362] werden, wegen ihrer Natur, nach welcher sie Geister seynd, und keine Leiber haben, allermassen dorten Christus selber spricht Lucæ 24. v. 39. ein Geist hat nicht Fleisch und Bein: was aber keinen Leib hat, kan von dem, das einen hat, mit seinen leiblichen Augen und natürlich nicht gesehen werden: Oder aber sie seynd gegenwärtig in angenommener leiblicher Gestalt, um welcher leiblichen Gestalt willen sie gesehen werden können, wenn sie sich wollen sehen lassen, auch nicht können gesehen werden, wenn sie es nicht wollen, wegen der Verblendung, durch welche sie das Gesicht hindern; können aber doch, ob sie wol unsichtbar seynd, das thun und vollbringen, was ihnen von GOtt zugelassen wird.

Vierdtens ist auch in der Beschreibung gemeldet worden, daß die Gespenste bisweilen die Menschen allein erschrecken, bisweilen an einem und dem andern Ort allein ihr Rumpeln und Poltern hören lassen, bisweilen aber auch Menschen und Ort zugleich angreiffen, und Schaden zu fügen.

Denn die Erfahrung und Exempel, deren anderswo gedacht worden, bezeugens, daß die Gespenste bisweilen in den Häusern ihr Unwesen[385] treiben mit ihrem Poltern, und thun als ob sie das Oberst zu unterst kehren wollen, jedoch aber die Menschen und Einwohner mit frieden las sen, und ihnen keinen Schaden thun; bisweilen es aber bey solchem Unwesen nicht bleiben lassen, sondern auch den Menschen zusetzen, sie schlagen, mit Steinen werffen, verwunden, aus den Betten ziehen, aus dem Haus jagen, sie nöthigen dasselbe zu verlassen, und anderswohin zu ziehen, wenn sie anderst für ihnen sicher seyn und bleiben wollen.

Sigebertus schreibet in Chronic. Anni 856, daß zu Mayntz ein Gespenst herum gangen, so mit Steinen um sich geworffen, an den Hausthüren angeklopfft, geredet, Diebstal geoffenbaret, viel Gezäncke erweckt, auch einem, dem es sonderlich aufsätzig gewesen, sein Haus angezündet, daß alles darinnen verbronnen: hat auch gemacht, wo der Mann in ein Haus gangen, daß es alsobald ist angezündet worden, daß der Mann nirgend als auf dem Feld unter dem freyen Himmel bleiben können.

Jedoch ist aber dieses fünfftens sonderlich zu mercken, wenn ferner gesagt worden, daß sie nicht weiter thun können, als ihnen von Gott verhängt und zugelassen wird. Denn obwol der Teuffel ein mächtiger und gewaltiger Feind [363] und Geist ist, so kan er doch nichts thun, wenn es ihm GOTT nicht erlaubet und zulässet. Er kan mit allem seinen Anhang nichts anfangen, noch sich unterstehen, noch auch durch Gespenste die Leut erschrecken, noch sie plagen und ihnen schaden, wenn es GOtt nicht haben will.


III. Letzlich ist auch hierbey etwas zu gedencken von den Ursachen der Gespenste, woher sie kommen, und woraus sie bestehen.

Hiervon saget M. B. Waldschmid, in der sechsten Predigt von den Gespensten also: Wir wollen allhier von guten Geistern, also zu nennen, nicht reden, sondern allein von den bösen. Bey denen haben wir zu mercken, erstlich die vornemste hauptwürckende Ursach derselben; die ist nun keine andere als der böse Geist und der leidige Teuffel, von diesem kommen sie her, denn der ist es der auf GOttes Zulassung den Menschen auf mancherley Weise erscheinet, sein Spiel durch seine Gespenste unter den Menschen treibet, oder durch seine Werckzeuge, die Zauberer und Hexen treiben lässet.

Zum andern, die Materi der Gespenste, woraus dieselbe bestehen: da ist nun zu wissen, daß obwol die bösen Geister oftermals die Augen der Menschen also blenden, daß sie dieses oder jenes scheinen zu seyn, welches sie doch warhafftig nicht seynd, jedoch aber so ist dieses gewiß, daß die Geister mit den Menschen nichts Leibliches, Sichtbarliches und Empfindliches handeln können, sie nemen denn auch einen[386] Leib an sich, als ein Instrument und Werckzeug, dardurch sie sich greifflich, sichtbar und empfindlich machen, reden, stehen, gehen und andere ihre Wercke verrichten.

Daß aber die Geister, sie seyen gleich gut oder bös, aus GOttes Zulassung, Leiber an sich nemen, sich darinnen verkleiden, dardurch reden, und ein und anders thun können, bezeuget GOttes Wort und die Exempel.

Dem Jacob erschien der Sohn GOttes in Gestalt eines Manns, der rang mit ihm, Genes. 32. v. 24. Diß mus in einem angenommenen Leib geschehen seyn, denn bey diesem Ringen hat der Mann das Gelenck seiner Hüffte angerühret, durch welches Anrühren die Hüffte Jacobs verrencket worden, und hat ihn auch Jacob so gehalten, daß er ihn nicht lassen wollen, er segne ihn denn, vers. 25. 26. 27.

Der Engel Raphael ist mit dem jungen Tobia gereiset, als ein junger Gesell, Tob. 5 v. 5 hat auch gemeinet er sey ein Mensch, Tob. 9. v. 1. Also hat die Zauberin zu Endor [364] gesehen, daß ein alter Mann herauf kommen, der bekleidet gewesen mit einem Seiden Rock, welcher auch mit dem Saul geredet hat; welches denn durch ein leibliches Wesen muß geschehen seyn, aus dem 1. Buch der Könige, im 28. v. 28.

Etliche alte Kirchenlehrer halten dafür, daß die Boten, die dem frommen Hiob den grossen Schaden, den ihm der Satan zugefüget, so geschwind nacheinander verkündiget, nicht Menschen, sondern böse Geister und Teuffel gewesen seyn, den Hiob dardurch zu quälen, und in höchstes Hertzenleid und Lästerung GOttes zu stürtzen.

In der Kirchen Histori wird gelesen von Mose Cretensi, einem betrügerischen Juden, daß er die Juden in der Insul Creta habe beredet, er sey Moyses, und vom Himmel gesendet, daß er sie aus derselben Insul über Meer ins gelobte Land führen solte; als sie nun ihm geglaubt, und es mit ihm gewaget, seynd ihrer vil ersoffen und umkommen: und da die andern ihn greiffen und tödten wollen, haben sie nicht gekonnt, denn er verschwunden, wie bey dem Socrate zu lesen, lib. 7. H. E. c. 38.

Daß der Pfeiffer, der in menschlicher Gestalt durch die Gassen der Stadt Hammeln im Jahr Christi 1084. den 26. Junii gegangen, und die Kinder aus der Stadt mit sich hinweg geführet hat, daß man noch nicht weiß, wo sie hinkommen, der Teuffel gewesen sey, wird niemand läugnen.

Eben dieses daß die bösen Geister ein leibliches Wesen an sich nemen können, bezeuget auch dieses, daß sie offtermals stinckende und abscheuliche Leiber hinter sich haben gelassen, auch wol noch lassen,[387] welches bisweilen Cadavera und stinckende Todten-Aas seynd, welches jenem begegnet, der mit dem Teuffel in Gestalt einer schönen Weibsperson Unzucht getrieben, der aber nach vollbrachter That ein Todten-Aas vor sich gesehen, davon beym Zeillero, Theatr. Trag. Hist. 1.

Bey Rotenburg an der Tauber hat sichs begeben, daß bey einem frommen Mann ein stattlicher Gesell mit zween andern, herrlich gekleidet, mit einer köstlichen Music eingekehret, Mahlzeit gehalten, und nach der Mahlzeit einen Tantz angestellet, und sich vernemen lassen, er begehrte deß Wirths Tochter zu heuraten, machte dabey viel Rühmens von seinem adelichen Geschlecht und grossen Reichthum, und daß ihm nichts mangelte als ein schönes Weib; es wolte aber dieser Gast dem frommen Wirth nicht gefallen, berieffe derentwegen auch seinem Prediger zur Mahlzeit, und nam Ursach in Gegenwart [365] seiner Gäste ein gottseliges Gespräch mit ihm aus GOttes Wort zu halten. Die Gäste aber, denen es nicht gefiele, wurden unwillig und sprachen: ob man denn jetzt mit solchen Pfaffen-Händeln müste zu schaffen haben, die man wol in die Kirch versparen, und dargegen von lustigen Sachen discurriren könte.

Da nun der Wirth dieses hörete, und die Vögel an ihrem Gesang kennen lernete, trieb er die Gäst zum Haus hinaus, und sagte: hebt euch von dannen, ihr habt nichts mit mir und den Meinigen zu thun, wir sind getauffte Christen, der HErr JEsus hat uns mit seinem Blut erkaufft. Worauf die Gäste mit einem grossen Sturm verschwunden, haben einen übeln Geruch, und drey dürre erhenckte todten-Cörper in der Stuben hinter sich gelassen.

Herr G. P. Harsdörf. im 5. Theil deß grossen Schaupl. Jämmerl. Mordgesch. Hist. 115. erzehlet folgende Begebenheit. Bey einem Graven von Roggendorff hat sich ein unbekanter Mann vor etlichen Jahren für einen Bereiter ausgeben, und nach gethaner Prob in Dienst angenommen worden. Es hat sich aber begeben, daß einer von Adel bey Hof ankommen, der mit diesem Bereiter an die Tafel gesetzt worden, den er auch mit Erstaunen angesehen, auch traurig worden, und keine Speiß zu sich nemen wollen, ob ihm wol vom Graven deßwegen freundlichst zugesprochen worden. Als nun nach gehaltener Tafel der Grav den vom Adel um die Ursach seines Trauerns gefragt, hat er ihm erzehlet, daß dieser Bereiter keine natürliche Person, sondern sey vor Ostende ihm an der Seiten erschossen worden, und hab er ihn selbst zum Grab begleitet; auch alle Umstände erzehlet, als sein Vatterland, seinen Namen, sein Alter, welches alles auch mit dem, was der Bereiter von sich selbst gesagt, eingetroffen. Darauf, als der Grav hieran nicht zweifflen können, hat er diesem Gespenst Urlaub gegeben.

[388] Da der Bereiter gemercket, daß ihn zwar der Gast verschwätzet, aber doch er, der Grav, nicht Ursach hätte ihn abzuschaffen, er ihm auch treue Dienste geleistet, und noch leisten wolle, und gebeten ihn länger am Hof zu dulten, der Grav aber auf beym einmal gegebenen Urlaub beharret, hat der Bereiter kein Geld, sondern ein Pferd und ein Narrenkleid mit silbernen Schellen begehrt, welches ihm gegeben worden.

Als aber der Grav nachgehends in Ungarn verreiset, hat [366] er bey Raab diesen Bereiter mit vielen Kuppelpferden in dem Narrenkleid angetroffen, welcher seinen alten Herrn mit Freuden begrüsset, und ihm ein Pferd zu verehren angebotten, welches aber der Grav nicht angenommen, hat aber einem Diener deß Graven den er zuvor an seinem Hof wol gekennet, dasselbe verehret, welcher, als er sich dessen erfreuet, und es kaum beschritten, ist es mit ihm in die Höhe gesprungen, und hat ihn halb tod auf die Erden fallen lassen, und ist Pferd und Bereiter mit seinem gantzen Kuppel verschwunden.

Noch eines: in Franckreich eiferte ein Edelmann mit seinem Weibe und hatte desselben genugsame Ursachen, suchte deßwegen Mittel sich ihrer zu erledigen. Nach langen Bedacht und vielem Versuch, welchen allen sie listig vorgebogen, hat er sie einsten bey Nacht erdrosselt. Dieses fürchtete er, möchte ihm das Leben kosten, und begab sich zu einem Zauberer, welcher ihm ehedessen etwas wider Hauen und Stechen angehängt, und fragte ihn um Rath. Der Zauberer verspricht ihm, er wolle etliche Tage seiner Frauen Gestalt hin und wider gehen machen, und er solte inzwischen verreisen, daß kein Argwohn auf ihn kommen könnte, wenn sie in seinem Abwesen tod gefunden würde. Dieses richten sie abgeredter Massen zu Wercke, und fande man den Leichnam so stinckend und erfault in deß Edelmanns Haus, daß viel meineten, es müsse nicht recht mit hergehen, wuste aber niemand, warum dieser tode Leib den ersten Tag also gar verfaulet und gleichsam verwesen schiene.

Man wuste daß der Edelmann eine böse Ehe hatte, und vermeinten ihre Befreunde, er hätte ihr so starcken Gifft beygebracht. Zudeme war vielen seine Gemeinschafft mit dem Zauberer verdächtig, und wird der Edelmann deßwegen zu Rede gesetzt, und in Verhafft, von seinem Gewissen überzeuget, und als ein Mörder lebendig gerädert, der Zauberer aber hat die Flucht genommen, und ist her nach an einem andern Ort lebendig verbrennet worden.

Demnach so nemen die bösen Geister in solchen Gespensten entweder Leiber an von solchen toden Aasen, oder auch wol aus den Elementen, Lufft, Wasser, Feuer und Erden; welche sie also wissen zu mischen, und Gliedsweise zusammen zu fügen, daß ein wahres leibliches[389] Wesen daraus wird.

Drittens hat man zu betrachten die Form und Gestalt solcher Gespenst. Die äusserliche Form und Gestalt ist viel und mancherley; denn da können die bösen Geister, wenns ihnen [367] GOtt zuläst, die jenige Gestalt an sich nemen, welche sie wollen, wie aus bisher erzehltem erhellet: das Regen und Bewegen aber der toden Cörper, die sie an sich nemen, bestehet nicht etwan darinnen, daß sie ihnen das Leben sollen geben, denn dieses kan GOtt allein thun, und nicht der Teuffel, sondern daß sie dieselbe localiter, von einem Ort zum andern, bewegen, und durch ihre Assistenz und Gegenwart in ihnen und durch sie das jenige thun, was sonsten die lebendige Creaturen thun durch die Seele, die in ihren Leibern wohnet.

Vierdtens ist auch noch zu mercken die Endursach der Gespenste, warum sie den Menschen erscheinen, sie erschröcken, und ihnen molest seynd? solche Menschen nun, denen sie erscheinen, seynd entweder fromme, gottsfürchtige und glaubige Menschen, an welche, sie zu versuchen, sich der Teuffel auch machet, wie dieses nicht allein die Exempel Hiobs, und deß HErrn Christi selbst, sondern auch vieler anderer frommen Leute, deß frommen Bischoffs Martini, wie auch Hilarionis, Lutheri, u. d. g. beweisen mögen.

Die Ursach aber warum GOtt dem Teuffel verhängt und zulässet, die Frommen zu versuchen, und ihnen durch seine teuffelische Gespenste zu erscheinen, ist auf Seiten GOttes diese, daß ihr Glaub und unerschrockener Mut, wormit sie dem Teuffel Widerstand thun, andern desto mehr bekant und offenbar, und sie desto mehr veranlasset werden, desto vester und beständiger ihrem GOtt anzuhangen, wiewol der Teuffel auf seiner Seiten eine andere Ursach hat, und das Gegentheil suchet: denn seine Intention und Meinung gehet da hinaus, sie durch solchen Schrecken zum Abfall von GOtt zu bringen, und sie von ihm abzukehren, ihn zu lästern, und ihm zu fluchen, wie er es bey dem frommen Hiob gesuchet, Job. 1. v. 11. und Cap. 2. v. 5.

Oder aber die Menschen seynd böse, gottlose und unglaubige Menschen, über welche miteinander der Teuffel zwar Macht und Gewalt hat, aber doch setzet er etlichen unter ihnen sonderlich vor andern zu, durch die Gespenste, welches ihme GOtt zulässet, theils, daß sie in diesem Leben ihrer Sünden halben durch sie gestraffet werden; theils damit andere durch solche Straffen von Sünden abstehen, und sich bessern mögen; theils damit die Gottlosen selbsten dardurch der Buß mögen erinnert werden: wiewol diesen Zweck der Teuffel auf seiner Seiten niemals hat, als der nichts anders, als den Menschen zu verderben suchet und begehret.[390]

Quelle:
Pfitzer, Nikolaus: Das ärgerliche Leben und schreckliche Ende deß viel-berüchtigten Ertz- Schwartzkünstlers Johannis Fausti [...]. Tübingen 1880 [Nachdruck: Hildesheim, New York 1976], S. 381-391.
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