[368] Das vierdte Capitel.

D. Faustus nimt einen jungen Schuler zu einem Famulo auf, mit Namen Christoff Wagner.

[391] ES kam zur rauhen Winterszeit eines Tags ein junger Schuler vor D. Fausti Behausung, der sang, selbiger Zeit Gebrauch nach, das Responsorium; diesem hörete eine Weile D. Faustus zu, und weil er sahe, daß der arme Kerl übel bekleidet und hart erfroren war, erbarmet er sich seiner, fordert ihn hinauf in seine Stuben, sich zu wärmen, besprach sich mit ihm, und fragte woher er wäre, wer seine Eltern seyen? deme der Jung bald antwortete, er wäre eines Priesters Sohn zu Wasserburg, hätte seines Vatters tägliche Ungestümmigkeit nicht länger vertragen können, u.s.w.

Als nun D. Faustus dieses Schulers Complexion betrachtete, aus seinen Reden und allen Anzeichen abname, daß er eines gelernigen und zugleich verschmitzten Kopffs wäre, wiewol er ein Bastart, und also von einer Concubin erzeugter Sohn gewesen, nam ihn D. Faustus zu einen Famulum an, und hatte ihn hernach sehr lieb: bevorab da er nach und nach an ihm wargenommen, wie er gantz verschwiegen war, und im wenigsten keine Schalckheit seines Herrn offenbarte, ja selbst voll böser Lüsten stacke, darum er öffnete er ihm einsten alle seine Heimlichkeit, und liesse ihm überdas eines Tags seinen Geist, in der gewöhnliehen Münchs-Gestalt sehen, dessen er nicht allein nicht erschrocken, sondern auch bald gewohnet; ja er verrichtete hernach alle Sachen, wie ihm der Geist befahle, so wol, und [369] mit solchem Fleiß, daß ihn sein Herr, D. Faustus, so lieb gewonnen, daß er ihm vor seinem Tod in seinem hinterlassenen Testament alle seine Verlassenschafft legiret und vermacht hat.


Anmerckung.

I. Von der verbottenen Priester-Ehe im Papstum, aus welcher dergleichen Früchtlein, wie hie der junge Schuler, welcher eines Priesters zu Wasserburg, und von einer Beyschläfferin erzeugter Sohn gewesen,[391] hervor kommen, wird Anlaß zu reden genommen. Weiln aber hiervon ein gründlicher und mehrerer Bericht mag eingeholet werden aus der sogenanten Apologia der unveränderten Augspurgischen Confession, als soll nur etwas weniges von solcher allhier mit beygefüget werden.

Es ist zu beklagen, daß der Teuffel, als ein Feind GOttes, und aller Christlichen Ordnung, es dahin bey hohen Potentaten und Herren im Papstum gebracht hat, daß die Ehe den Priestern allerdings verbotten, hergegen, wo nicht öffentlich, jedoch gewißlich heimlich zugelassen worden, daß die Ehelosen Pfaffen und Mönche, Concubinen und Beyschläfferinnen halten, ja in Unzucht oder wol Blutschanden fast ungescheuet mit ihnen leben mögen: und solches gefällt diesem Ehestands Verfolger sowol, daß er nur dahin trachtet, solcher Gestalt sein Sünden-Reich zu vermehren, und die Menschen gar von GOtt abzureissen, und um ihre Seligkeit zu bringen; wie denn der Teuffel erstlich durch die Ketzer Manichæum, Marcionem, Carpocratem und Tatianum, solch heilsame Ordnung GOttes sehr grob angegriffen und verlästert, letzlich aber durch die heiligsten Päpste gar verstöret hat, unter dem Schein einer erdichteten Keuschheit.

Und obwol anfänglich die Päpste den beweibeten Priestern nicht die Ehe gantz und gar zerrissen, hat doch Papst Siricius, Anno Christi 390. ihnen die Ehliche Beywohnung verboten, und es dahin gebracht, daß man forthin keinen Ehemann zum Priester-Amt solle zu lassen.

Endlich haben die Päpste gar allen Ordensleuten die Ehe verboten, welche wolten ein vollkommen Leben führen; dadurch auch etliche gemeine Eheleute eingenommen, daß sie sich von einander gescheidet haben, und Gelübde gethan, [370] Münche und Nonnen worden seynd, daher es kommen, daß man gesagt hat: Votum solvit matrimonium, das Gelübde scheidet den Ehestand.

Lampertus Hirsfeldensis schreibet, daß Gregorius VII. der zuvor Hildebrandus genant habe dem Bischoff Otto zu Costnitz geschrieben, und geboten, daß er den Priestern, die noch keine Eheweiber hätten genommen, solte gebieten, daß sie keine Eheweiber nemen, welche aber schon Eheweiber hätten, die solte er wiederum von einander jagen. Als ihm aber der Bischoff solches abgeschlagen, habe ihn der Papst gen Rom auf einen Synodum citiret, in welchem er das Verbot der Ehe den Priestern noch härter beschlossen, daß hinfort auch keiner zum Priester solte geweihet werden, er thäte denn zuvor einen Eyd, daß er sein Lebtage kein Eheweib nemen wolte.

Papst Julius hatte einen Cardinal von wegen seiner hohen Gaben und Geschicklichkeit sehr lieb; derselbe hielt mit einer schönen Nonnen zu, doch fragte der Papst nichts darnach, liesse es ihm hingehen, und[392] möchte ihn wol um sich leiden, ob er schon wuste, was zwischen beeden täglich vorgienge: da aber der Cardinal sie, wegen ein und anderer Ursachen, zur Ehe nam, da wolte diß der Papst nicht zugeben, nam den Segen von ihm, und sagte, die Ehe wäre ein unreines und unflätiges Ding.

Wie greulich hat der Teuffel und der Papst gewütet, da D. Martin Luther ist aufgestanden, und hat den Ehestand gebilliget, den Cœlibat aber (denen darzu nicht tauglichen) als unchristlich verdammet? da er auch eine Nonne, eine von Adel, Catharina von Born, aus dem Closter genommen, und ihme verehlichen lassen, was ware zur Zeit für ein Toben und Lästern wider ihn?

Da doch unlaugbar, und gewiß ist, daß die Priester deß Alten und Neuen Testaments Eheweiber gehabt heben, als Aaron, Zacharias und wie sie nacheinander heissen, beydes Propheten und Apostel.

S. Petrus der Apostel hat ein Weib gehabt, welche er auch getröstet hat, als sie zur Marter geführet worden: O Conjux mea, memento Domini DEI tui. in Histor. Ecclesiast.

Philippus der Apostel hat vier Töchter gehabt, die seynd Jungfrauen gewesen, und haben geweissaget, wie davon zu lesen in den Geschichten der Apostel im 21.

Der Apostel Petrus gedencket seines Weibs, zun Philip[371]pern im 4. da er saget: Ich bitte dich du getreuer Gesell, stehe ihnen bey, die samt mir über dem Evangelio kämpffen; und scheinet aus der ersten Corinthier im siebenden, daß Pauli Weib gestorben sey, als er diese Epistel geschrieben, denn allda spricht er: Ich sage zwar den Ledigen und Witwen, es ist ihnen gut, wenn sie auch bleiben wie ich.

S. Lucas der Evangelist hat ein Weib gehabt in Bithynia, zur Zeit Cleti, deß Römischen Bischoffs, und ist gestorben seines Alters im 83. Jahre.

Spiridion, ein Bischoff in Cypro, hat Weib und Kinder gehabt. Hist. Tripart. l. 1. c. 10.

Gregorius Nazianzenus ist eines Bischoffs Sohn gewesen, und hat im Bischoffsamt seinem Vatter succediret. Dieser Gregorius hat einen Sohn gehabt, Polycrates genant, welcher Bischoff zu Epheso gewesen ist.

Basilius Cæsariensis Bischoff hat drey Söhne gehabt, Basilium, Petrum und Gregorium, seynd alle drey Bischöffe worden.

Epiphanius Bischoff zu Salamin, wird gerühmet vom Imperat. Justiniano, daß er aus Bischofflichen Stamm geboren.

Es werden gezählet zwölff Römische Päpste, derer Vätter theils Priester und Diaconi gewesen.

Bonifacius I ist eines Priesters Sohn, Jocundus genant, gewesen;[393] deßgleichen Papst Theodorus, ist deß Bischoffs zu Jerusalem Theodori Sohn gewesen.


II. Was kan aber, fürs ander, aus solcher verbottenen Priester-Ehe (bey manchem, nicht allen) anders erfolgen, als allerhand greuliche Sünden, Hurerey und Ehebruch, ja Mord und Todschlag, so wol an den unschuldigen Leibesfrüchten, derer sie wegen befürchtender Abschaffung vom Dienst, u.s.w. mit der Ermördung abzukommen trachten, als auch wol zu mancher Zeit an den Concubinen und Beyschläfferinnen selbst begangen, derer sie vielleicht müde worden, und nach einer andern verlangen, wie die Exempel bezeugen? Massen denn gelesen wird, daß S. Ulrich, Bischoff zu Augsburg, in einem Sendschreiben hierüber folgender Gestalt geklaget: als der Papst Gregorius hatte den Cœlibatum recht aufrichten und bestettigen wollen, nicht lang hernach aber einen tieffen Teich zu Rom, so hart bey einem Nonnencloster gelegen war, fischen, und zuvor das Wasser abgelassen, habe [372] man im selbigem Teiche bey die 600. Kinderköpffe gefunden, die in den Teich geworffen, und also elendiglich ersäuffet worden; daß auch der Papst Gregorius, nachdeme man ihms hinterbracht, so sehr darüber erschrocken sey, daß er bey sich beschlossen, sein Decretum von Bestättigung deß Cœlibats wieder aufzuheben. Aber die andern Päpste, so dem Gregorio auf dem Päpstlichen Stul succediret, die haben den Cœlibatum wiederum aufgerichtet, wie er noch auf den heutigen Tag ist.

Anno 1557. in einem Dorff Abentheuer genant, nicht weit von Gent liegend, wie Fincelius berichtet lib. 2. hat ein solcher Eheloser Pfaff eines Bauermanns Tochter, die sehr schön ware, immer nachgetrachtet, sie mit alten Weibern heimlich beschickt, mit vielen Verheissungen, daß sie seine Köchin werden solte, hat endlich soviel zu wegen gebracht, daß er selber mit ihr zu reden kommen, und solches an ihr begehret; da die Jungfrau angezeiget, wie ihr hierüber sehr bange, so würdens auch ihre Eltern nicht gestatten, so fürchte sie GOtt, wo sie solches thäte, so würde sie in die ewige Verdamniß kommen. Der Pfaff antwortet ihr, sie dörffte sich an die arme Ehe nicht kehren, darinnnn nichts denn Armut, Elend und Unglück, Jammer und Noth wäre; bey ihm aber hätte sie gute Tage, das Beste zu essen und zu trincken, so wolte er sie herrlich kleiden, auch solte sie nichts thun, denn daß sie den Gästen zurichtete, und mit ihnen guter Dinge wäre: So dörffte sie sich auf für der ewigen Verdamniß nicht befahren, denn er hätte vom Papst zu Rom den Gewalt über den Teuffel, Menschen und Seelen, er wolte ihr wol für allem Schaden gut seyn, u.s.w.

Von solchen Worten lässet sie sich überreden, und gehet zu ihm[394] ohn allen Scheu, wider der Eltern Willen. Da sie nun eine Zeitlang bey ihm in aller Wollust deß Fleisches gelebt und einsmals Gäste eingeladen, vorher aber beede in der Stuben alleine beyeinander gewesen, sihe da kommt der Teuffel leibhafftig, stösset die Thür auf, ergreifft die Pfaffenköchin, und spricht: du bist mein, komme mit mir! führet sie, da sie kläglich genug geschryen, und den Pfaffen um Hülff angeruffen, zum Hause in einem Nu und Augenblick hinaus. Der Pfaff wolte wol den Teuffel beschwören, war aber vergeblich, und sagte der Teuffel zum Pfaffen: du bist auch mein, ich will dich bald auch holen, da wisse dich darnach zu richten. Fuhre also mit der Huren darvon.

[373] Und gesetzt, daß solche Ehelose Priester die mit ihren Concubinen heimlich erzeugte Kinder nicht ermorden, sondern, wie es viel hundertmal die Erfahrung beglaubet, solche etwan in der Nähe auf einem Dorff, oder Ort, erziehen oder auferziehen lassen, seynd und bleiben sie doch ein und für allemal Bastart und Hurenkinder, die gemeiniglich auch ihrer gottlosen Eltern entgelten, und deß zeitlichen Segens mangeln müssen; oder wie Salomon im Buch der Weisheit im 3. v. 16. saget: Die Kinder der Ehebrecher gedeyen nicht, und der Same aus unrech tem Bette wird vertilget werden, wie allhier deß Priesters Sohn, D. Fausti angenommener Famulus auch erfahren: bleibet auch darbey, was die Rechtsgelehrten von solchen Bastarten halten; daß sie nemlich zu keinen Ehrenämtern können oder mögen befördert werden, und denn auch von der ordentlichen Succession in einem Amt oder Regiment billich ausgeschlossen, Hart. Pistorius 1. quæst. 30. Rœner. Animadv. Pract. c. 17.

Wiewol auch einige andere eine andere Meinung hievon haben, Martini Cent. 9. Disp. 2. Thes. ult.

Laugnen kan man zwar auch nicht, daß nicht einige solten unter solchen Bastarten gefunden worden seyn, die sich den Geist GOttes treiben und regiren lassen, daß sie Gutes gewürcket, und endlich zu Ehren gekommen: allein wie von einem, und zweyen, und dreyen Exempeln keine genugsame Folge anzustellen ist, als ist auch dieses, der Erfahrung nach, fast ein seltenes, daß ein Bastart oder Hurensohn Gutes thue: dannenher die Frantzosen bewogen worden zu sagen:


Don Bastarde c'est d'aventure,

mais mechant c'est de Nature;


Welches vielleicht mag herrühren von dem bekanten Sprichwort, daß der Apffel nicht weit von Stamm falle.

Es möchte aber jemand einwenden und fragen, können denn solche unehlich Erzeugte nicht durch ein sonderbares Privilegium ehrlich gemachet werden?

[395] Ist die Antwort: Durch Käiserliche Gnade kan es wol geschehen, also, daß hinfüro niemand ihre Schande ihnen öffentlich vorrücken oder fürwerffen darff; wiewol etwan doch gleichwol die Bosheit ihrer eigenen Natur sie darum nicht verläst, Molinæus de Just. et Jure, Tr. 2. Disp. 169.[396]

Quelle:
Pfitzer, Nikolaus: Das ärgerliche Leben und schreckliche Ende deß viel-berüchtigten Ertz- Schwartzkünstlers Johannis Fausti [...]. Tübingen 1880 [Nachdruck: Hildesheim, New York 1976], S. 391-397.
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