Das vierdte Capitel.

Der Teuffel gibt dem D. Fausto seinen Dienst und Bund auf, als er nur noch einen Monat zu seinem End hatte.

[550] Dle Glocke war einmal schon gegossen, und das Stundglas des Lebens D. Fausti lieffe nunmehr aus, denn er hatte nur noch einen Monat vor sich, nach welchem seine 24. Jahr zum Ende geloffen, worüber und über welcher Rechnung ihm der bittere Angstschweiß ausbrache, und war ihm alle Stund und Augenblick gleich als einem Mörder, der alle Augenblick der Straffe des Todes, die ihm bereits in dem Gefängniß angedeutet worden, gewärtig seyn muß: indem er nun solches behertziget, gehet seine Stubenthür auf, und tritt hinein der Lucifer, so gantz schwartz und zotticht war gleich als ein Bär, der erhube seine gräßliche Stimm, und sprach zu ihm: Fauste, du weist dich noch wol zu erinnern, wie verstockt, ehrgeitzig, auch gottsvergessen du im Anfang gewesen, und hast dich an Gaben Gottes nicht lassen begnügen, sondern bist oben hinaus ge[542]fahren, hast mir auch keine Ruhe gelassen, so lange daß du mich beschwurest, dir in allem zu Willen zu seyn; da must du nun selbst sagen und bekennen, daß solch dein Begehren dir durch mich gantz reichlich sey erfüllet worden, ja dir gantz keinen Mangel gelassen, allen Wollust nach deines Hertzens Begierde verschaffet, ich bin dir in aller Gefährlichkeit beygestanden, hast mehr gesehen und erfahren, denn je einer erfahren hat: ich habe dich herfür gezogen bey männiglich, hohes und niedriges Standes, daß du allenthalben wehrt und angenehm warest, das alles must du selbst sagen und bekennen.

Weiln nun aber deine bestimmte Zeit der 24. Jahr bald wird aus seyn, daran ich mein Pfand nehmen und holen will, als gebe ich anjetzo dir meinen Dienst auf, den ich dir doch jederzeit treulich habe geleistet: so halte du mir auch treulich, was du mir versprochen hast. Dein Leib und Seele ist nun mein, darein gib dich nur willig; und ob du schon woltest[550] hierüber unwillig werden, so beschwerest und kränckest du nur dein Hertz desto mehr. Auf diese Aufgebung meines Diensts, citire und lade ich dich vor das Gericht Gottes, da gib du Rede und Antwort, weil ich an deiner Verdamniß nicht Schuld hab, und wenn die bestimmte Zeit sich wird verlauffen haben, will ich mein Pfand hinweg nehmen, und holen.

D. Faustus konte vor Schrecken und Hertzens Bangigkeit nicht wissen, wo er daheim wäre, und als er wieder zu sich kame, hube er leiß mit niederer Stimme, als ein verzweiffelter Mensch an zu reden, und sprach: ich hab solches alles gefürchtet, also wird es mir auch gehen: Ach ich bin verlohren, meine Sünde seynd grösser, denn daß sie mir können vergeben werden!

[543] Als nun in zwischen der Teuffel verschwunden, und sein Famulus der Wagner, solches alles gesehen und mit angehöret hatte, sagte er zu seinem Herrn, er solte nicht so kleinmütig seyn und verzagen, es wäre noch wol Hülffe da, er solte seine vertraute Freunde, die um ihn schon eine geraume Zeit gewesen, beschicken, ihnen die Sach, wie sie an sich selbsten wäre, entdecken, damit er von ihnen, oder so sie auf bedürffens, in der Stille einen gelehrten Magistrum mitbrächten, Trost aus der H. Schrifft haben und nemen möchte; und ob ja der Leib müste eingebüsset werden, die Seele dennoch erhalten würde.

Deme antwortet der geängstete D. Faustus, bitterlich weinende, und sprach: ach was hab ich gethan, wohin hab ich gedacht, daß ich wegen einer so kurtzen Zeit, und gleich als im Augenblick, die Seeligkeit habe verschertzet, da ich doch vielleicht auch mit andern Auserwehlten der Himmelsfreud hätte geniessen können! wie hab ich doch so schändlich von wegen einer so kurtz wehrenden Wollust der Welt, die unausprechliche Herrlichkeit der Ewigen Freude verscherzet! Es ist nun mit aus. Und wolte dieser elende Mensch fast verzweifflen, jedoch richtete ihn aufs müglichste sein Famulus auf und getröstete sich deß bald ankommenden Trostes der Studenten.


Anmerckung.

[551] I. Wie schrecklich ists erstlich, zu hören, daß der Satan dem D. Fausto allhie seine rohe, mutwillige Ehr und gottsvergessene Sünden, Sicherheit und wollüstiges Leben vorwirfft, daß er Anfangs Tag und Nacht dahin getracht, wie er durch Beschwörung einen Geist erlangen, dardurch allerley Wollust, tägliches Wolleben und Zeitliche Ehre überkommen möchte; weßwegen er bey dem Lügen- und Mordgeist, Warheit und Glauben, bey dem wissentlichen abgesagten Feind guten Raht und Lehre, und bey dem verdamten [544] Höllendrachen die höchste Hoffnung Zeitlicher Glückseligkeit zu haben verhoffet; hergegen Gott seinen Schöpffer verachtet und hindan gesetzet, Christum seinen Mitler und Erlöser verläugnet, den in der H. Tauff mit der Heiligen Dreyfaltigkeit aufgerichteten Bund vernichtiget, alle Gnaden und Gutthaten Gottes, ja sein eigen Heil und Wolfahrt, so zeitlich so ewig, in die Schantz geschlagen, den heiligen Geist von sich gestossen, und den Lügengeist und den leidigen Teuffel angenommen, ihme gehorchet, sein leibeigen seyn wollen. Ey so geschehe ihm nun recht, und er müsse es wol anhören, daß ers (der Satan) ihm eine gute Lection und Capitel lese, das habe er nun von ihm zu Danck, U. s. w.

Daran sollen sich nun alle rohe, gottlose und sichere Menschen wol spiegeln, und bedencken, daß der Teuffel nicht über tausend Meilen von ihnen sey, es könne ihnen zu ihrer Zeit auch wol den Hals brechen, mit ihnen sein Register anstellen, ihnen an Leib und Seele absagen, und noch dazu sie verhönen und verspotten. Demnach so stehen auch fromme Christen seinethalben in höchster Gefahr, weil er uns immer auf dem Fuß nachschleichet, und versuchet, wie er uns verführen möge, denn er wartet gar nicht, bis wir ihm ruffen, sondern er ist uns immerdar der nächste, und schleichet uns hinden und vornen nach.

Etliche, sagt Lutherus, Tom. 5. Jen. p. 334. glauben wol, daß Teuffel seyen, aber das glauben sie nicht, daß sie so nahend seynd, sondern wenn sie vom Teuffel hören reden, meinen sie, er sey etlich hundert Meil von uns hinweg: aber ein Christ soll das wissen, daß er mitten unter den Teuffeln sitze, und daß ihm der Teuffel näher sey, denn sein Rock oder Hemd, ja näher denn seine eigene Haut, daß er rings um uns her sey, und wir also stets mit ihm zu Haar liegen, und uns mit ihm schlagen müssen.

Es ist gewißlich der Teuffel ein rechter artifex tentationum, ein rechter Meister der Versuchungen, massen er auch der Versucher genennet wird Matth. 4. v. 3. Der erschiene einsmals dem Altvatter Macario in Gestalt eines Teriackskrämers, und hatte allerhand Püchsen um sich hangen; und als er ihn fragte, was er mit solchen Püchsen meinete, antworte er, es wären darinnen allerhand Versuchungen, die[552] er den Menschen beybrächte; so viel der Büchsen wären, so viel Räncke wüste er den Menschen zu versuchen, und in Unglück [545] zu stürzen. Und das kan er gantz meisterlich: in der einen Püchsen hat er das süsse Gifft falscher Lehr, in der andern die verguldete Pilulein deß zeitlichen Reichthum, in der dritten den angenemen Zucker der fleischlichen Wollust, in der vierdten den lieblichen Honig der weltlichen Hoheit, Pracht und Herrlichkeit, und so fortan: darmit kan er uns leichtlich verführen, wie dem D. Fausto allhie, und vielleicht noch manchem widerfahren ist.

Und da dörffen wir nicht meinen, er werde sich an uns nicht machen. O er hat sich wol an andere Leute gemacht als wir seynd, und sie mit seinen Versuchungen überwältiget. Wer waren unsere erste Eltern, waren sie nicht nach GOttes Ebenbild erschaffen, und gemacht? er hat sie gleichwol durch die Schlang versucht und überwunden, daß wir alle noch darüber zu klagen haben. Er kans in anderer Gestalt bey uns nachthun, darum ist desto mehr vonnöthen, daß wir fleissig beten, und sprechen mit der Christlichen Kirchen: Führ uns HErr in Versuchung nicht, wenn uns der böse Feind anficht, etc.


II. Zum andern, daß der Teuffel fein ausdrücklich den D. Faustum citiret und ladet vor den Richterstul Christi, ist daraus zu sehen, wie der Teuffel Tag und Nacht die Menschen vor GOtt verklage, ja nicht allein die Frommen ohn-Unterlaß bey GOtt dem HErrn verleumde (wie es sein Nam mit sich bringet) und beschuldige sie vor ihm, sie seyen Heuchler, ihr Thun geschehe nicht aus aufrichtiger Lieb gegen GOtt, sondern es geschehe aus Hoffnung zeitlicher Vergeltung, oder anderer Ursachen halben, wie er den Hiob bey Gott verleumdet, Job. 1. v. 9. sondern gern wolte, daß alle Menschen mit ihme zu gleicher Verdamniß kommen möchten. Denn er weiß gar wol, daß GOtt ein allgemein Gericht über die Guten und Bösen halten werde, als David im 96. Psalm v. 14. spricht: Der HErr kommt zu richten das Erdreich, Er wird den Erdboden richten mit Gerechtigkeit, und die Völcker mit seiner Warheit. Und Actor. 17. v. 30. prediget Paulus: GOtt gebeut allen Menschen an allen Enden Busse zu thun, darum daß er einen Tag gesetzt hat, auf welchen er richten will den Kreiß deß Erdbodens, durch einen Mann (Christum) in welchem ers beschlossen hat.

Aber solche Citir- und Ladung belangend, die der Teuffel gegen alle Gottlose und Verdamte thut, weiß auch er wiederum gar wol, daß sie mit ihm zugleich werden zur ewigen Ver[546]damniß verurtheilet werden, und darff er deßwegen niemand dahin citiren, sintemal er ebenmässig mit den Verdamten in den Abgrund der Höllen verstossen wird. Christus der Richter selbst sagt hievon Matth. 25. v. 41. daß[553] er am Jüngsten Tage zu den Verdamten sagen wolle, gehet hin von mir in das ewige Feuer, das bereitet ist dem Teuffel und seinen Engeln. Und Johannis 16. v. 11. sagt der HErr Christus, der Fürst dieser Welt sey schon gerichtet. Und S. Paulus Coloss. 2. v. 15. spricht: Christus habe schon ausgezogen die Fürstenthum und die Gewaltigen, und sie schau getragen öffentlich, und einen Triumph aus ihnen gemacht durch sich selbst. Das leget denn S. Johannes der Evangelist im 12. 14. und 16. aus, da Christus zu seinen Jüngern gesagt, es gehet nun das Gericht über die Welt, und wird der Fürst dieser Welt ausgestossen werden.

Der Apostel Jacobus meldet im 2. Capitel v. 19. daß die Teuffel glauben, daß ein einiger GOtt sey, aber für seinem Namen erzittern sie. S. Judas in seiner ersten Epistel spricht, die Engel, die ihre Fürstenthum nicht behielten, sondern verliessen ihre Behausung, hat Er behalten zum Gerichte deß grossen Tags, mit ewigen Banden der Tunckelheit.

In der Offenbarung Johannis im 12. wird angezeiget, wie sich ein Krieg im Himmel erhoben habe mit dem Ertzengel Michael, und dem alten Drachen, dem Teuffel; aber er vermochte nichts, sondern der Teuffel ward ausgeworffen auf die Erden. Und im folgenden 20. v. 10. ist der Satanas ledig worden, der ist ausgangen zu verführen die Heiden, in den vier Örtern der Heidenschafft, den Gog und Magog, sie zu versamlen zum Streit: aber das Feuer GOttes fiele vom Himmel und verzehret sie, und der Teuffel der sie verführet, ward geworffen in den feurigen Teich und Schweffel, da das Thier und der falsche Prophet war, und wurden gepeiniget Tag und Nacht, von Ewigkeit zu Ewigkeit.

Aus welchem denn erhellet, was der Teuffel selbst und alle Gottlosen dermaleins zugewarten haben.


III. Zum dritten, wird in der Histori gemeldet, daß D. Faustus mit seiner Bekantniß hervor bricht, indem er gesagt, was er lang gefürchtet habe, das begegne ihm nun. Woraus zu sehen, was das böse Gewissen vermöge, und daß solche und dergleichen beharrliche Sünder in stäter Furcht, in Ängsten und Jammer leben, bis endlich die Straffe herbey kommet, und durch einen offt schmertzlichen Tod die beharrliche Furcht endiget.

[547] Herr G. P. Harsdörfer erzehlet unter andern hiervon in der 98 Hist. deß 4. Theils, des grossen Schaupl. Jämmerl. Mordgesch. folgende Geschicht.

In einer vornemen Stadt in Schlesien wohnte ein reicher Wirth, Namens Alarich, welcher nur eine Tochter hatte, die in aller Zucht und Gottesfurcht auferzogen worden. Dieser Wirth war ein ehrlicher redlicher Mann, und von GOtt gesegnet, daß er wol ohne diese Wirthschafft zu leben gehabt, wenn er nicht viel mehr auf die Gesellschafft[554] der Fremden, welche er liebte, als auf seinen Nutzen gesehen. Alarich hatte einen Diener, Namens Gilbert, einen armen Tropffen, aus Österreich bürtig, der durch seinen Fleiß und Wolverhalten seines Herrn Gunst gewonnen, daß er ihme in seinem Abwesen, das Haushalten vertrauet, wolwissend, daß es versorget. Dieser Gilbert verhoffte Electram, deß Wirths Tochter endlich zu verdienen, wie Jacob die Rebeccam, hörte aber daß Alarich keinen Mangel an seiner Person, aber an seinem Vermögen, und daß er seine einige Tochter keinen so armen Gesellen gebe, und müste er ein paar tausend Gulden in den Beutel haben, wenn er sein Tochtermann werden solte, u.s.w. Dieses faste Gilbert zu Ohren, und als Alarich auf eine Zeit mit Weib und Kind auf seinem Landgut, kommt ein Gast, der gibt Gilbert ein schweres Felleisen zu verwahren: er betrachtet es, daß es schwer und sihet, nachdem er eine Naht getrennet, daß über tausend Ducaten darinnen. Diese, sagte er bey sich, sollen mir Electram erwerben, und mich zu einem reichen Wirth machen. Zu Nachts gräbt er eine grosse Grube in den Garten, und zu Früh schneidet er dem Kauffmann die Gurgel ab, und wirfft ihn mit allen seinen Kleidern hinein, das Pferd aber verkaufft er einem andern Reisigen, daß also niemand als er und GOtt davon wissen können.

Als nun Alarich wiederkommen, sagte er zu seinem Herrn, er wäre so arm nicht, als er wol meinen möchte, sondern hätte einen reichen Vettern zu Cracau zu erben, welchen er besuchen wolte, und begehrte auf etliche Wochen Urlaub dahin zu reisen. Alarich willigte darein, und kommet er zu bestimmter Zeit wieder: bringt bey 1000. Reichsthaler mit sich, und sagt, daß er noch ein mehrers durch Wechsel zu empfahen, wolwissend wo er es nemen solte. Alarich gibt ihm also seine Tochter, und mit derselben die gantze Wirtschafft, setzet sich auf sein Landgut, die Zeit seines übrigen Lebens ruhig zuzubringen.

Also bliebe Gilberts Mordthat viel Jahre verschwiegen, bis ihm endlich das Gewissen aufgewachet, ihn traurig, erschrocken, [548] furchtsam und vielmal seufftzen gemacht, den Schlaf benommen oder mit erschröcklichen Träumen verunruhiget, und dörffte er doch seine Geheimniß keinem Menschen offenbaren. Sein Weib fragte oft die Ursach seiner Traurigkeit, er hütete sich aber auch für der, die in seinen Armen schlieffe, wie der Prophet warnet.

Man solte einsten einen Mörder richten, welches dieser Gilbert auch sehen wolte, bevor aber frühstücken, und als er sich zu Tische gesetzt, brachte sein Weib einen Kalbskopff in einer Schüssel, welche er sonsten sehr zu essen geliebt. So bald er dessen ansichtig wird, schreyet er überlaut: weg, weg mit diesem Menschen-Haupt, man möchte vermeinen,[555] ich hätte ihn ermordet! Electra erstaunet ob dem Wort, und vermeint, daß er wolte närrisch werden, sagte daß es ein Kopff von einem Kalb, das der Fleischer geschlachtet; er aber beharret darauf, daß es ein Menschen-Haupt.

Also gehet er ungeessen darvon, und höret dem Mörder sein Urtheil verlesen, wie er einen wegen seines Gelds auf freyer Strassen getödet, und beraubet, deßwegen er lebendig solte gerädert werden. Der arme Sünder betete fleissig, und wurde von den Geistlichen deß ewigen Lebens vertröstet. Als er nun auf den Richtplatz kommet, dringet Gilbert hervor, und bittet den Bannrichter, er soll auch ihn wegen dergleichen Verbrechen, durch deß Henkers Hand tödten lassen.

Jedermann verwundert sich über dieses Begehren, und vermeinte man, dieser Gilbert wäre von Sinnen kommen: als er aber auf seiner Aussage beharret, und nochmals bate, ihn in das Gefängniß zu führen, weil ihn sein Gewissen zwinge, alle Umstände seiner Mordthat zu bekennen, und die Straff auszustehen, hat ihm der Bannrichter willfahret, und ist also, nach Entdeckung des Verlauffs, gleich dem andern Mörder, gerädert worden.

Zu Hamburg hatte ein Schustergesell einen andern erwürget, und sich mit der Flucht gerettet. Sieben Jahr hernach treibt ihn sein böses Gewissen, daß er nicht ruhen mögen, bis er sich zu Hamburg in die Gefängniß gestellet, den Todschlag bekennet, und um ein gnädiges Urtheil gebeten. So bald er solches angehöret, hat er sich zu Ruhe begeben, und bekennet, daß keine grössere Marter, als ein böses Gewissen, oder wie es David nennet, eine unruhige Seel haben. [549] Hat sich auch Christlich zu dem Tod bereitet, und ist ausser allem Zweiffel selig worden.

Zu Jetzeho in Holstein wurde einer auf der Strassen ermordert, und weil man den Thäter nicht mochte handvest machen, hat man den Leichnam begraben, und eine Hand darvon, als das Freischzeichen, in der Gefängniß an einer Schnur aufgehängt. Nach zehen Jahren ist der Mörder besagtes Wandersmanns die Gefängniß zu besehen, in eben diesen Ort, wo die Hand gehangen, gekommen, und hat solche, ob sie wol gantz verdorret und eingeschrunden gewesen, zu bluten angefangen.

Der Kerkermeister, als er solches sahe, hat den unbekannten Mörder angehalten, und den Verlauff der Obrigkeit angemeldet, welche H. Rantzau ersucht, diesem Mann hierüber beweglichst zuzusprechen, und ihn seines Gewissens zu erinnern. Der Mörder laugnete zwar An fangs, muste aber GOtt die Ehre geben, und ohne fernere Zeugschafft bekennen, daß er einen vor zehen Jahren erschossen, welches Hand, allen Umständen nach, in dem Gefängniß aufgehangen war. Deßwegen[556] wurde er auch mit dem Rad, als ein Mörder und Strassenrauber getödet. Diese Geschicht hat Herr Heinrich von Rantzau, Königlicher Dennemärckischer Stadthalter, an D. Chytræum geschrieben.


IV. Letzlich will hie D. Faustus fast verzagen und verzweiffeln, da er die Rede deß gottlosen Brudermörders deß Cains, brauchet, seine Sünde wären grösser, denn daß sie ihm könten vergeben werden. Was seynd nun die Ursachen, daß Cain und hie D. Faustus solche verzweiffelte Wort führet? Nemlich, daß kein Glaub noch Trost in ihren Hertzen war, das Evangelium war ihnen genommen und geraubet, die rechte Erkäntniß GOttes hatten sie nicht mehr, und sahen nichts denn den greulichen Ernst GOttes, und ihre Sünden-Menge, darum musten sie verzweiffeln und zu Grund gehen. Denn ein solch verzagtes Hertz siehet hin und her, und weiß nicht wo es für Hertzens-Angst bleiben solle, da feyret nun der Teuffel auch nicht, schüret hefftig zu, leget Stroh zum Feuer, es wird ihnen alsdenn die Welt zu enge, wie auch Cain sagen muß, sihe, du treibest mich vom Erdboden, das seynd aber eitel verzweiffelte Wort: denn wie solte Er ihn vom Erdboden verstossen? war doch die Welt so groß und weit. Aber das Gewissen machte ihm wol tausend Welt zu enge. Item, wie solte er sich für GOttes Auge verbergen? und [550] wer kan GOtt entlaufen? Es ist alles deß Gewissens Schuld, das ist in solcher Angst, und wolte gern aus der Welt lauffen, und vor GOttes Angesicht fliehen, wenn es könte. Das ist die höchste Angst der bösen Gewissen, das wird auch eigentlich die höllische Pein seyn, daß die Verdamten werden fliehen wollen, und sich verbergen, daß sie Gott nicht sehe, und doch nicht können.

Von dem Cain schreibt Lutherus an einem Ort: da Gott durch Adam zu Cain, der seinen Bruder Abel erschlagen hatte, sagte, ists nicht also, wenn du fromm bist, so bist du angenem, bist du aber nicht fromm, so ruhet die Sünde vor der Thür? damit zeiget er an die Sicherheit der jenigen, die da sündigen, und redet mit Cain, als mit dem grösten Heuchler, und wolte Adam sagen: wie war mir damals im Paradeyß zu mut? ich wolts auch verbergen mit Feigenblättern, und versteckte mich hinter die Bäume, aber höre Gesell, unser Herr Gott läst sich nicht betriegen, die Feigenblätter und Bäume halffen nicht. Ach es muß dem guten Adam sehr schmertzlich gewesen seyn, und wehe gethan haben, daß er seinen erstgebornen Sohn hat sollen ausstossen, hat ihn auch von sich gejagt und aus seinem Hause vertrieben, und gesagt, packe dich weg von mir, und laß dich hinfort nicht mehr sehen, ich weiß wol, was ich im Paradeyß verloren habe, ich will deinethalben nicht Gottes Zorn über mich ziehen, u.s.w.

Darbey sollen zugleich auch fromme Christen lernen, und nicht[557] meinen, daß sie allerdings ohne Anfechtung seyn, und gleichwie im Rosengarten immer leben werden; sondern daß ihnen in diesem Leben bis in ihr Absterben, Kümmerniß, Sorg und Trübsal werde gewiß aufstossen: auch die heiligsten Leute haben dem Teuffel einen Stich und Streich nach dem andern überwinden und ausstehen müssen. Worüber eben gar sehr klaget S. Paulus 2. Corinth. 12. v. 7. und spricht: auf daß ich mich nicht überhebe der hohen Offenbarung, nemlich, daß ich in den dritten Himmel bin verzuckt worden, und allda unaussprechliche Wort gehöret, welche kein Mensch sagen kan, ist mir ein Pfal ins Fleisch gegeben, deß Teuffels Bot, der mir Kopffstreiche giebt, und schlägt mich mit Fäusten, dafür ich den Herrn drey mal gebetten habe, daß er von mir wieche, Er aber hat zu mir gesagt, laß dir an meiner Gnad benügen, denn meine Krafft ist in den Schwachen mächtig.

Was auch in den Frommen und Gottesfürchtigen manchmal für Anfechtung stecke, und was sie tragen müssen, solches [551] gibt David zu erkennen, wenn er im sechsten Psalm v. 1 spricht: Ach Herr straff mich nicht in deinem Zorn, und züchtige mich nicht in deinem Grimm. Im 38. Psalm v. 3. 4. 5. Deine Pfeile, HErr, stecken in mir, und deine Hand drucket mich, es ist nichts Gesundes an meinem Leibe für deinem Drohen, und ist kein Fried in meinen Gebeinen für meiner Sünde; denn meine Sünde gehen über mein Haupt, wie eine schwere Last sind sie mir zu schwer worden, mein Hertz bebet, meine Krafft hat mich verlassen. Und im 40. Psalm v. 13. Es hat mich umgeben Leiden ohne Zahl, es haben mich meine Sünde ergriffen, daß ich nicht sehen kan, ihrer ist mehr als Haar auf meinem Haupt, und mein Hertz hat mich verlassen, laß dirs gefallen HErr, daß du mich errettest, eyle HErr mir zu helffen, und abermal im 88. Psalm v. 4. 5. Meine Seele ist voll Jammers, und mein Leben ist nahe bey der Höllen, ich bin geachtet gleich denen die zur Höllen fahren, ich bin ein Mann der keine Hülffe hat. Darum sagt Sirach im 2. Cap. v. 1. Mein Kind, wilt du Gottes Diener seyn, so schicke dich zur Anfechtung, halte vest, und leide dich, und wancke nicht. Wenn man dich davon locket, halt dich an GOtt und weiche nicht, auf daß du immer stärcker werdest: alles was dir widerfähret, das leide, und sey gedultig in aller Trübsal; denn gleichwie das Gold durchs Feuer, also werden die so GOtt gefallen, durch das Feuer der Trübsal bewähret. Vertraue GOtt, so wird er dir aushelffen, richte deine Wege und deine Hoffnung auf ihn.[558]

Quelle:
Pfitzer, Nikolaus: Das ärgerliche Leben und schreckliche Ende deß viel-berüchtigten Ertz- Schwartzkünstlers Johannis Fausti [...]. Tübingen 1880 [Nachdruck: Hildesheim, New York 1976], S. 550-559.
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