Erstes Capitel.

Wie Johannes Faustus, als er zu Ingolstadt studiret, durch böser Gesellschafft Verführung, mit aberglaubischen Characteren, und teuffelischen Beschwerungen, umgangen sey.

[61] Johannes Faustus, ist gebürtig gewesen, aus der Grafschafft Anhalt, (nicht zu Roda bey Weinmar gelegen, wie sich der Author hierinn, in der vor diesem gedruckten D. Fausti Historia, verstossen) und haben seine Eltern gewohnet in dem Marckt oder Flecken, Sondwedel: Diese waren nun arme fromme Bauersleute. Er hatte aber einen wolbegüterten Vettern zu Wittenberg, welcher seines Vattern Bruder gewesen, derselbe hatte keine Leibes-Erben, darum er denn diesen seinen jungen Vettern, Johannem Faustum, welchen er von wegen seines fähigen Kopffs, und guten Ingenii zu sich genommen, an Kindes Statt aufer zo[2]gen, und zur Schul fleissig gehalten; da er denn mit zunehmenden Alter so wol zugenommen, daß er von da auf die Hohe Schul zu Ingolstadt verschickt worden. Als er nun daselbst in seinen Studiis solcher Gestalt zuname, daß er endlich tüchtig erfunden wurde, den Titul eines Magistri zu erlangen, erhielte er solchen mit gutem Lobe, nebenst eilff andern. Ob welchem Beginnen und Wolverhalten denn sein Vetter zu Wittenberg nicht geringe Freude empfunden, nicht minder auch, wie leichtlich zu glauben, seine Eltern; welche[61] auch beederseits, sonderlich der Vetter zu Wittenberg, nicht wenige Unkosten darauf gehen liessen, der Hoffnung, daß sie dermaleins an ihm, als einem Geistlichen, (denn auf dieses Studium solte er sich einig und alleine begeben) Ehre und Freud erleben wolten.

Damals aber, als vor Lutheri sel. Reformation, da das alte Päpstliche Wesen annoch überall, im Schwang ware, und man hin und wieder viel Segensprechen, exorciren und Teuffelsbannen, und ander aberglaubisches Thun triebe, beliebte auch solches dem Fausto sehr wol. Weiln er denn zu böser und gleichgesinneter Gesellschafft, ja an solche Bursch geriehte, welche mit dergleichen aberglaubischen Characteren oder Zeichen-Schrifften umgiengen, die Studia aber auf die Seiten setzeten, ware er gar bald zur Folge gebracht, und verführet. Zu diesem kame noch dieses, daß er sich zu denen damaligen umschweiffenden Zigeunern fleissig hielte, und von ihnen die Chiromantiam, wie man nemlich aus den Händen wahrsagen oder weissagen möge, erlernete; ingleichen gebrauchte er auch an hohen Festtägen, wenn die Sonn Morgends [3] frühe aufgienge, daß so genannte crepusculum matutinum, und andere aberglaubische Sachen mehr.

Als er nun in diesen Dingen gantz und gar ersoffen war, und sich also den Teuffel gar liesse verleiten, setzte er sein bisher getriebenes Studium Theologicum beyseits, legte sich mit Fleiß auf die Artzney-Kunst, und unter solchem Vorwand befleissigte er sich zu erforschen den Himmelslauff, lernete Nativität-stellen, und den Leuten, was sie von ihrer Geburts-Zeit an, für Glück und Unglück erleben solten, u.s.f. verkündigen: nach und nach ward er ein guter Prognosticant, und wuste mit Calender oder Almanach schreiben wol umzugehen.

Welches alles denn seinen gewissen Weg gehabt hätte, wenn er nicht dessen vielfältig gemißbrauchet, und darinnen zu fern gegangen wäre. Es ließ es aber darbey nicht verbleiben, sondern kam gar auf die Beschwörungen der Geister, welchen er dergestalt nachgrübelte, und darinnen dermassen zunahme, daß ihme etliche anhiengen und zuschlugen.

Alldieweiln er sich nun bey seinen Eltern und Vettern[62] zu Wittenberg nothwendig entschuldigen, und ihnen anzeigen muste, aus was Ursachen er von dem Studio Theologico abgelassen hätte, wandte er unter andern ein, daß ihm die Medicina und Astronomia viel eher und besser, als zu welchen er gleichsam von Natur geneiget wäre, eingiengen, weder die Theologia, u.s.w. Er brachte auch von der Universität zu Ingolstadt, ein gutes Zeugniß und Testimonium, seines bisherigen Studirens, aus; darum muste es auch sein Vetter ein gutes [4] Werck seyn lassen, war ihm also darzu in allem behülfflich, daß er nach dreyen Jahren den gradum Doct. in Medicina erlangte: (welches aber Herr Freudius, in den Gewissens-Fragen von Zaub. p. 265. nicht glauben noch zugeben will.)


Anmerckung.

I. Aus Bisherigem hat die liebe studirende Jugend erstlich zu lernen, wenn ihnen GOTT der HERR feine Ingenia, und guten Verstand verliehen, daß sie sollen bedencken, solches sey eine grosse Gabe und Gnade GOttes, solche auch nicht liderlich versäumen, verderben lassen, noch mißbrauchen; daß sie nicht gleich werden einem ungebaueten Acker, der keine Früchte bringet, sondern nur Unkraut, Distel und Dornen heget, deß Poeten Worten nach l. 5. de Trist.


Adde quod ingenium longa rubigine laesum

torpet, et est multo, quam fuit ante, minus.

Fertilis assiduo si non renovetur aratro,

Nil nisi cum spinis gramen habebit ager.


Und so denn ferner die Eltern mit ihrem Fleiß, und Aufwendung der Unkosten, damit sie um so viel besser studiren mögen, viel darauf gehen lassen, daß sie auch solches erkennen, das Ihrige thun, und alles zu GOttes Ehren anwenden sollen: sonderlich aber sich für groben wissentlichen Sünden und Lastern hüten, und die Gelegenheit zu sündigen bestes Fleisses vermeiden. Daher Anna Römers in ihren Sinn-Poppen zu mahlen pflegen einen Damm zwischen zweyen Wassern, welcher mit einem Schlagbaum verwahret stunde, mit dieser Uberschrifft: Principiis obsta verhüte den Anfang, oder Eingang: verstehend, daß die Sünde alsdenn vermeidet werde, wenn man derselben Gelegenheit aus dem Wege gehet; und spricht der Poet gar recht:


Du kanst dich der Sünden Leid,

meidend die Gelegenheit,

leicht entziehen.[63]

Tritst du auf der Laster Bahn,

so gelangst du Höllen an

in dem Fliehen.


[5] II. Vor allen Dingen aber, sich für böser verführischer Gesellschafft hüten, nach dem tausendmal wahrgemachten Wort: Wer sich zu rechten Leuten gesellet, dem gehet es auch recht. Es ist eben wenn sich der Wolff zum Schaf gesellet, als wenn ein Gottloser sich zum Frommen gesellet, sagt der Tugendlehrer Sirach, im 13. Capitel, und der weise Salomon, in seinen Sprüchen im 1. 4. 6. 20. und 29. Cap. redet auch von der bösen verführischen Gesellschafft gar vernünfftig, da er unter andern also Warnungsweise lehret: Mein Kind, wenn dich die bösen Buben locken, so folge nicht, komme nicht auf der Gottlosen Pfad, und tritt nicht auf den Weg der Bösen: Lasse ihn fahren, gehe nicht darinnen, weich von ihm, und gehe vorüber, denn sie schlaffen nicht, sie haben denn Schaden gethan, und sie ruhen nicht, sie haben denn Ubels gethan.

Denn es pflegt also zuergehen, daß böse Geschwätze gute Sitten verderben, 1. Cor. 15. v. 34. und böse Exempel verführen und verderben einem das Gute, Sap. 4. v. 12. Ein räudiges Schaf kan andere mehr anstecken; bey den Verkehrten wird man verkehrt; stehet das Schaf neben dem Wolff, so stehets in grosser Gefahr; liegt Stroh und Flachs nahe beym Feuer, so wirds leichtlich angezündet: Sic enim habet rerum natura, ut quoties bonus malo conjungitur, non ex bono malus melioretur, sed ex malo bonus contaminetur, sagt der alte Kirchenlehrer Chrysostomus, in Math. Das ist: In der Welt gehets so zu, daß wenn ein Frommer, mit einem Bösen umgehet, so wird von dem Frommen der Böse nicht gebessert, sondern von dem Bösen wird der Fromme angestecket und verderbet.


III. Zum dritten, drohet GOtt der HErr in seinem Wort und Gesetze, den jenigen, die sich durch böse Gesellschaft, oder anderwärtige Verursachung, zur Zauberey und Segensprechen verführen lassen, beydes den zeitlichen und denn auch dem1 ewigen Todt.

So viel den zeitlichen Todt betrifft, saget zwar die Heilige Schrifft an vielen Orten, daß man die Zauberer und Zauberinne solle tödten und ausrotten, als Exodi 22. Levitic. 20. und Michæ im 5. zu lesen. Beym Propheten Jesaia drohet GOtt der HErr dem grossen Babylon, und meldet, er wolle sie lassen umkehren, um ihrer Zauberey willen. Und im 47. Cap. erstgedachtes Propheten, erzürnet er über die Israeliten[64] der massen, da sie mit Weissagern und Zauberern umgiengen, daß er befihlet, man solle sie von seinem Angesicht hinweg thun: Massen [6] denn von allen hernach nichts mehr als der einige Stamm Juda überbliebe, 2. Reg. 21.

Plutarchus schreibet von den Persern, daß die Zauberer bey ihnen aufs greulichste seyen hingerichtet worden, als die ihnen die Köpffe zwischen zweien Steinen zerstossen, Carpzov. qu. Crimin.

Die Römer haben die Zauberer, Valerii Maximi Zeugniß nach l. 6. c. 3. theils den Thieren vorgeworffen, theils gecreutziget, theils verbrennet, theils von den Felsen herunter gestürtzet, theils auch und zwar die geringsten enthauptet.

Und bezeugen sowol die Historien, als die Exempel so sich zugetragen, daß wenn gleich zu weilen die Obrigkeit hat verschonen wollen, und also ihr Amt hierinnen nicht gethan und verrichtet, daß der Teuffel selbst zum Hencker an ihnen worden.

In der Peinlichen Hals-Gerichts-Ordnung Käiser Caroli V. im 109. Articul stehen diese Wort: So jemand den Leuten durch Zauberey Schaden oder Nachtheil zugefüget, soll man ihn straffen vom Leben zum Tod, und man soll solche Straff mit dem Feuer thun.

Und obwol gleich darauf diese Wort gesetzet folgen: Wo aber jemand Zauberey gebrauchet, und darmit niemand Schaden gethan hätte, soll sonsten gestrafft werden nach Gelegenheit der Sachen, so ist doch gewißlich solches dahin zuverstehen, wofern die Hexen oder Zauberer keinen ausdrücklichen oder heimlichen Pact mit dem Teuffel gemacht, von GOtt abgefallen, und dem Teuffel sich mit Leib und Seele zu eigen gegeben: Denn wenn dieses geschehen: So, sollen und müssen sie nichts desto weniger, wo sie auch schon sonsten niemand, weder an Menschen noch Viehe, Schaden zugefüget, am Leben gestraffet werden, D. Carpsov. 1. qu. Crim. 49. n. 7.

Es haben sich zwar Leute gefunden, die diese Straffen der Zauberey für unbillich und unrecht gehalten, immassen Bodinus zweyer Geistlichen gedencket, deren der eine Wilhelmus Luranus, Theologiæ Doctor, der andre aber Montanus geheissen, die diese Straffen für unrecht gehalten, und vorgegeben, es sey nur eine Fabel und Gedicht, was man von den Zauberern und Hexen sage, und sey gar zu grausam und blutgierig gehandelt, wenn man sie zum Todt verdamme. Dieses haben sie aber darum gethan, weil sie beyde selbsten Zauberer, Exoristen und Teuffelsbanner gewesen; denn der eine, nemlich [7] Wilhelmus Luranus, ist hernach zu Poictirs in Franckreich, wegen seiner Zauberey, zum Todt verdamt worden, und hat selbsten bekennet, daß er in seinem mit dem Satan aufgerichteten Bund, GOtt abgesaget,[65] und dargegen dem Teuffel versprochen, zu predigen, daß alles was man von Zauberey und Hexen sage, lauter Fabelwerck und Gedicht wäre, und daß es unrecht und blutdürstig gehandelt, wenn die Obrigkeit sie zum Todt verdamme. Wordurch er es auch dahin gebracht, daß die Abstraffung derselben eine Zeitlang unterlassen worden, und das Reich deß Teuffels, indem unterdessen der Hauff dieses seines Geschmeisses sich gemehret, gewaltig zugenommen hatte. Der andre aber, nemlich Montanus, ist ein Zauberer und berühmter Exorcist und Teuffels Austreiber gewesen, von welchem sich der Satan in den Besessenen vernemen lassen, er wolle keinem andern, als diesem Montano zugefallen ausfahren.

Andere, unter denen sonderlich Alciatus Ponzinibus und Wierus seynd, haben nicht nur mit offentlichen Schrifften, die Zauberer und Hexen, daß man sie nicht straffen solle, vertheidiget, sondern auch gar übel und fast lästerlich von der Obrigkeit geredet, und sie Schinder und Hencker genennet, die sie am Leben abgestrafft haben. Es hat aber bey diesen das Ansehen gehabt, daß sie mehr dem Teuffel zugefallen, und daß sein Reich möchte gemehret werden, haben reden, als für GOttes Ehre, der Menschen Wolfahrt, und die Administration der Gerechtigkeit, streiten wollen.

Darnach straffet auch GOtt die Zauberey mit dem ewigen Todt: Denn S. Paulus zählet sie in seiner Epistel an die Galater im 5. unter die Wercke deß Fleisches, und saget, daß die solches thun, dieselben das Reich GOttes nicht ererben werden. Und im 21. Capitel der hohen Offenbarung, schreibet Johannes der Theologus, daß der Zauber und Abgötter Theil seyn werde in dem Pful der mit Feuer und Schwefel brennet, welches ist der andere Todt.


IV. Man sihet letzlich am D. Fausto allhie, wie diese grosse Sünde der Schwartzkünstlerey bey ihm einen so gar geringen und kleinen Anfang gehabt.

Solches ist auch deß Teuffels Weise, die er beständig pfleget zu halten, wenn er die Leute zu verführen und in das Verderben zu stürtzen sich hat unterstanden; denn er giebet den Sachen, so an sich selbst geringe und schlecht zu seyn sich ansehen lassen, einen feinen Schein und Anstrich, als daß er sie [8] erstlich lehret segnen und büssen, und darbey GOttes Namen und Wort gebrauchen: Wenn er nun die verblendeten sichern Leute darmit bethöret und eingenommmen, daß sie vermeinen und auch glauben, solches seye ja keine Sünde, alldieweilen ja GOttes Wort darbey geführet werde, u.s.w. so gehet er denn weiter per gradus und gleichsam staffelweise, machet sie vorwitzig, daß sie zukünfftige Dinge zu wissen begehren: So sie auch hierinnen etwas ergriffen und fundiret seynd, stürtzet er sie gar, ehe sie es vermeinen, in das verdamliche Zauber-Wesen bis über die Ohren hinein.

Fußnoten

1 ? den.


Quelle:
Pfitzer, Nikolaus: Das ärgerliche Leben und schreckliche Ende deß viel-berüchtigten Ertz- Schwartzkünstlers Johannis Fausti [...]. Tübingen 1880 [Nachdruck: Hildesheim, New York 1976].
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