Das achtundzwantzigste Capitel.

D. Faustus ist ein berühmter Astrologus und Mathematicus zur selben Zeit gewesen.

[223] Oben ist gedacht worden, daß D. Faustus, ehe er sich gar dem bösen Geist ergeben, von dem Studio Theologico gäntzlich abgelassen, hergegen sich auf die Astrologiam, und zum Vorwandt auf die Medicinam mit gantzen Fleiß geleget: als er aber hernachmals den verdamlichen Bund mit dem Teuffel gemachet, ist er durch Beyhülff seines Geistes in der Astrologia dermassen erfahren gewesen, daß auch andere Astrologi zur selbigen Zeit vermeinet, und ihme zugeschrieben, daß er mit Fug der andere Zoroaster köndte genenet werden: denn seine Prognostica oder grosse Practica, welche er denn unterschiedlichen grossen Herren dedicirte, stimmeten alle überein, alldieweil er sich in solchen nach seines Geistes Weissagungen und Vorankündigungen zukünfftiger Dinge und begebender Fälle, welche sich auch also erzeigeten, richtete.

Seine Allmanach und Calender richtet er dahin, daß er alle Jahr ein anderes Werck für sich name, und durffte sich einer kecklich darauf verlassen, sonderlich was die Witterung belangte.

[183] Er verzeichnete benebens auch in solchen so gar Zeit und Stund, wenn dieses oder jenes künfftiges geschehen solte; warnet eine jede Herrschafft besonders, als so etwan eine Theurung, Krieg, Aufruhr, oder Seuche und Kranckheiten kommen solten, u.s.f. (wie denn der Teuffel aus langer Erfahrung der Natur, und aus dem sündlichen Leben der Menschen, viel zukünfftige Zorn-Straffen GOttes zuvor sehen kan:) dannenher er in der Stadt und in den umliegenden Orten in einem grossen Ansehen dieser seiner Calender wegen ware, so, daß er noch hin und wider gute Gönner fande, die ihme von wegen deß manchmaligen Crystallsehens, öfftern Warsagen, und anderer Gauckeley und heimlicher Zauberey, das Wort redeten.

Wie denn unter vielen nach seinem Tod gefundenen Briefen, einer ist gelesen worden, da ihme ein vornemer Prælat in[223] Italien, Azzolini vom Geschlecht, wohnende zur selben Zeit zu Pavia, zu geschrieben, darinnen er D. Faustum ersuchet, ihm seine wahre Nativität zu stellen. Deme denn D. Faustus gewillfahret, und in versichert, daß er bald werde in einen höhern Stand kommen: welches auch kurtz hierauf erfolget, denn er zum Cardinalat kommen, zu S. Maria in Porticu; daher er sich gegen dem D. Fausto gantz danckbarlich erzeiget, wie denn das andere Schreiben mit sich bringet, mit welchen er ihm zugleich zwey hundert Cronen überschicket.

Deßgleichen ward noch ein Schreiben gefunden von einer Fürstin, die sich hat in anderwertige Eheverlöbtniß einlassen wollen. Und deren noch mehr.


[184] Anmerckung.

I. Hiebey wird nun Anlaß und Gelegenheit genommen, etwas zu melden, was von der Astrologia judic. und Sternguckerey, ingleichen von der Calender-Schreiberey, und dem Nativitätstellen zu halten seye.

Die Astrologiam zwar betreffend, so wird dieselbe für eine solche Kunst ausgegeben, nach welcher man aus dem Gestirn deß Himmels und dessen Positu und Zusammenfügung künfftige Dinge erlernen kan. Darauf denn halten ihrer gar viel, sonderlich die Calender-Schreiber, welche diß und jenes in ihren Practicis prognosticiren, und das Thema erigiren (wie sie reden) darinnen sie geboren worden.

Nun können und wollen wir zwar (sagt Herr Freudius, in Gewiss. Frag. von Zaub. p. 207.) nicht in Abrede seyn, daß der allein weise GOtt den lieben Sternen am Firmament, unter denen der allerkleineste grösser sein soll als die Erdkugel, in der ersten Erschaffung kräfftige Würckungen, die sie unter den sublunarischen Creaturen verrichten solten, eingepflantzet habe; denn er befahle ihnen, Genes. 1. v. 14. sie solten scheiden Tag und Nacht, und geben Zeichen, Zeiten, Tag und Jahr, Lentz, Sommer, Herbst und Winter machen, und der Welt mit ihrem Liecht und Glanz bedienet seyn.

Ingleichen ist auch dieses nicht zu verneinen, daß vermittelst ihrer Würckung das Gewitter geändert, und das Temperament der Menschen ungleich affectioniret und regiret werde: denn die Sonne verursachet mit ihrer frölichen Ankunfft Hitze und Wärme; der Mond befeuchtet den Erdboden und was darauf lebet und schwebet: wenn der Hundsstern mitten im Sommer aufgehet, so muß es heiß werden, u.s.f.

Unsere Leiber und Naturen empfinden es alsbald, wenn etwan eine Finsterniß geschihet, oder ein neuer oder voller Mond eintritt,[224] das Geblüte und alle Humores ändern sich, wie Hippocrates in seinen Aphorismis bezeuget, bevorab wenn die Solstitia und Äquinoctia einfallen; und was dergleichen Experimenten und Würckungen mehr seynd, die wir fast täglich in unserm gemeinen Leben, Theils im Ackerbau, im Säen und Pflantzen, theils in der Medicina empfinden und vermercken. Ja da kann ein Astronomus lange Zeit zuvorausrechnen und verkündigen, zu welcher Zeit, Tag und Stund, die Sonn [185] und Mondfinsternüssen sich begeben werden, welches auch so gewiß geschihet, daß es nicht fehlet.

Demnach wenn ein Astrologus in diesen Terminis verbleibet, und in seinem Prognosticiren und Nativitätstellen darauf Achtung gibt, so kan er gar wol und ohne Verletzung seines Gewissens zukünfftige Witterung mutmaßlich aus den Zeichen deß Himmels verkündigen, auch dem Menschen aus Betrachtung seines Horoscopi, und deß Standes der Sternen, wenn er ihn richtig ergründet, wegen seiner Leibs-Constitution etlicher massen Nachricht geben; derowegen auch diese die solches thun, hier nicht verstanden werden.

Aber diese Temerität und Vermessenheit will sich nicht mit beständigen Grund verantworten lassen, daß man sich unterstehet nicht allein in die Calender ein besonderes Lügen-Feld zu setzen, und darinnen einem jeden Tag durchs gantze Jahr hindurch seine gewisses Wetter beyzumessen, das doch so unzehlich offt betrieget, und zu verwundern ist, daß man nicht klüger werden will: sondern auch, welches weit ärger ist, daß man sich unmüglicher Sachen unterwindet, und aus der vermeinten Nativität-Stellung von solchen zufälligen Dingen, die geschehen und nicht geschehen können, etwas gewisses vorher sagen will, wie es dem Menschen in seinem Leben, Stand und Beruff ergehen werde, was er werde für ein Weib bekommen, was heut oder morgen aus ihm werden solle, ob er fromm oder gottlos, reich oder arm, gesund oder kranck, vornem oder schlecht sein, was er für Glück und Unglück haben werde? welches Todes er sterben werde? und was der Fälle mehr seyn mögen, u.s.f.

Welches alles aber mehr erdichtet ist, als einen gewissen Grund hat, einmal daher, weiln die heilige Schrifft die Wissenschafft aller zukünfftigen Dinge GOtt dem HErrn einig und allein zueignet, und dieselbe allen Menschen rund abschläget. Denn eben mit dieser Proprietät und Eigenschafft hat sich der grosse GOtt selber von allen Menschen gezogen, und von den Götzen der Heiden abgesondert, und beim Propheten Esaia Cap. 41. v. 22. 23. gesprochen: lasset sie herzu tretten und uns verkündigen, was künfftig ist. Verkündiget uns und weissaget etwas zuvor, lasset uns mit unsern Hertzen darauf achten[225] und mercken, wie es hernach gehen soll: oder, last uns doch hören was zukünfftig ist. Verkündiget uns was hernach kommen wird, so wollen wir mercken, daß ihr Götter seyd.

[186] Und im folgenden sieben-und-viertzigsten Capitel v. 12. 13. redet er die stoltze Babel an, die in Wollust lebte, und spricht: So tritt nun auf mit deinen Beschwörern, und mit der Menge deiner Zauberer, unter welchen du dich von deiner Jugend auf bemühet hast, ob du dir möchtest rathen. Laß hertretten und dir helffen die Meister deß Himmelslauff, und die Sterngucker, die nach den Monden rechnen was über dich kommen werde.

Darum gebot er seinem Volck, den Kindern Israel, beim Propheten Jeremia im 10. v. 2. ihr solt nicht der Heiden Weise lernen, und solt euch nicht fürchten für den Zeichen deß Himmels, wie die Heiden sich fürchten.

Und ob man schon herwider excipiren und einwenden möchte, daß hierinnen nur verbotten werde, man soll auf heidnische Weise sich für den Zeichen deß Himmels nicht entsetzen, und daraus weissagen, so wird doch nicht der Mißbrauch allein, sondern das Factum und die That der Heiden an sich selbst gestraffet, daß sie vermeineten, die Sterne inclinirten und regirten das Thun und Lassen der Menschen; worinnen heutiges Tages ihrer viel mit ihnen übereinstimmen.

Darnach streitet auch wider solche sehr gerühmte Wissenschafft (Ph. Melanchth. heissets pulchram phantasiam) die Libertät und Freyheit deß menschlichen Willens. und alle Tugend oder Laster, die daraus entspringen und herquellen; hängen die nun an den Astris, und werden wir darzu geneiget und gebeuget von dem Gestirn, so stehen sie mit nichten in unserer Macht und Willkühr, sondern durch die Kräffte deß Himmels werden wir darzu gezwungen und angetrieben: köndte man also keinen Dieb verdencken, daß er stielet, noch einen Mörder mit Rechte straffen, daß er gemördet und den Nächsten umgebracht hat; sondern es würde unvermeidlich folgen, sie wären allerseits durch den Einfluß deß himmlischen Ge stirns darzu gezwungen worden. (Woher nicht unfüglich gehöret jenes Richters Antwort, die er einem bösen Buben gab, welcher sich darmit entschuldigen wollen, sein Planet brächte es mit sich, daß er hätte stelen müssen, und sprach: mein Planet erforderts auch, daß ich die Diebe muß hencken lassen. Und jener Dieb zu Marpurg, der sich beklaget, daß ihme Unrecht geschehe, so man ihn hencken würde, zumaln er doch zum Stelen geboren seye, und anderst nicht thun können: deme aber D. Nicolaus Rhodiginus, welcher diesen Gesellen trösten sollen, [187] recht geantantwortet: mein Kerl gedencke, bist du zum Stelen geboren, daß du[226] auch zum Hangen geboren seyest.)

Derohalben hat der weltberühmte Claudius Ptolemæus, ob er gleich ein Heide gewesen, jedoch gar nachdencklich gesaget: Astrorum Decreta non esse Prætoria, das ist, deß Gestirns Zuneigung seye kein strenges Herrn-Gebot; oder, Gott regire das Gestirn also, damit es den Menschen nicht zwinge, daß er stracks also, wie ihn sein Temperament neiget, leben, handeln und wandeln müsse; denn der Mensch hat und behält doch seinen freyen Willen, seinem Temperament nach zu leben, oder sich demselbigen zu widersetzen.

So bezeuget auch die H. Schrifft, daß des Menschen Glück und Unglück nicht von den Sternen, sondern von GOtt komme, Syrach im 11. v. 14. Was er an den Gütern deß Leibes, deß Gemütes und deß Glücks hat, hat er nicht von den Sternen, sondern von GOtt, der giebet Weisheit und Verstand, wie dem Salomon, im ersten Buch der Könige im 3. Cap. v. 12. Er giebet ihme Gesundheit, nach dem Zeugniß Syrach, seines Buchs im 34. v. 20. Er stärcket ihn, Esai. 41. v. 10. Er machet ihn schön, nach dem Wort Ezechiæ, am 31. Cap. v. 9. Sein Segen machet ihn reich ohne Mühe, in den Sprichwört. am 10. v. 22. der setzet ihn in sein Amt, und machet ihn zum König und Regenten, wie den David: zum Lehrer und Prediger, wie Jeremiam: zum Hausvatter, wie den Abraham. Er hilfft ihme zum Ehegatten; denn ein vernünfftiges Weib (und also auch ein vernünfftiger Mann) kommet vom HErrn, Salomons Worten nach, seiner Sprüche im 19. v. 14. sein Leben und Sterben stehet endlich in seiner Hand: darum spricht David, meine Zeit, HErr, stehet in deinen Händen, Psalm 31. v. 16. nicht aber in der Gewalt deß Gestirns.

Wenn etwan jähe traurige Todesfälle beschehen, so pfleget solches von etlichen der Sternen-Lauff und Einfluß zugemessen werden, immassen die Exempel beglauben mögen.

Daß der Fürst der Redner M. T. Cicero, so jämmerlich seye um seinen Kopff kommen, vermeinet Cardanus, de Genitur. Gen. X. seye hergekommen von seiner unglückhafften Nativität oder Geburtstund: darinnen er den feurigen Blutstern Martis, in dem aufsteigenden Himmels-Haus, und einen feindseligen Gegenschein mit dem tückischen Stern Saturni, und mit dem Jove gehabt habe.

[188] Daß Käiser Nero sich selbsten so schändlich ermordet, seye daher gerühret, weiln in seiner Geburt-Stund deß blutdürstigen Martis Stern in dem siebenden Himmels-Haus, unglückselig in den Krebs, in einem gesechsten Schein deß heimtückischen Saturni gestanden; obgedachtes Cardani Zeugniß nach, Genit. XL.

Daß der Hertzog zu Mayland, Galeacius Sfortia, von dreyen zusammen[227] geschwornen Buben mit dreyzehen Wunden umgebracht worden, seye geschehen, dieweil er in seiner Geburt-Stund die Sonn in dem Wassermann, einem gewaltsamen Zeichen, und den Blutstern Martis gleich gegenüber stehend gehabt, schreibet abermals Cardanus Genit. XLIV.

Daß der tapffere Kriegsheld, Carolus Borbonius, sein Leben vor der Stadt Rom durch einen feindlichen Schuß habe einbüssen müssen, schreibet man ebenmässig der bösen Constellation zu, in welchen er das Liecht dieser Welt erstesmals gesehen: denn er den obersten bösen Planeten, den tückischen Saturnum, im ersten Hause, mit dem Drachenschwantz, und den gewaltsamen Stern Herculis, gehabt habe. Virgan. in Isagog. fol. 722.

Daß Henricus der andere dieses Namens, König in Franckreich, im Jahr Christi 1559. den 28. Junii, auf dem Beylager der Princessin seiner Tochter Elisabeth, im Turnier verwundet worden, darüber er sein Leben einbüssen müssen, als er kaum das viertzigste Jahr erreichet hatte, wurde seiner unglückseligen Geburt-Stund zugeschrieben.

Daß der hochlöbliche Churfürst Johann Friederich, vor Mülhausen gefangen, und in das Angesicht verwundet worden, seye von dem unglückseligen Zustand deß Mondes in seiner Churf. Durchl. Geburt-Stund verursachet worden; welcher in dem Gevierdschein deß verderblichen und damals auch übelstehenden Stern deß Saturni seinen Lauff gehabt.

Daß der theure Held, Churfürst Moritz, von einem treulosen Buben verrätherisch und zwar hinderwarts erschossen worden, seye durch die böse Geburt-Stund verursachet worden: da doch andere, und unter solchen der Jesuit Alexander de Angelis, vermelden, daß die Sternseher in Churfürst Moritzens Geburts-Linien und Sternen nichts finden können, welches auf einen plötzlichen und gewaltsamen Tod gezielet habe.

Ja ganz vermessentlich ist dieses von etlichen vornemen [189] Mathematicis gehandelt gewesen, unter welchen Cardanus einer mit ist, welche dem HErrn Christo seine Nativität aus den Sternen, als Zeichen deß Himmels, gestellet; wie denn gedachter Cardanus ihme dem HErrn Christo, auch sein Leiden und Tod aus dem Steinbock, aus dem Marte in domo Martis, u. d. g. prognosticiret. Gleich als wenn das Werck menschlicher Erlösung, welches der HErr Christus durch sein Leiden und Sterben vollbracht hat, auch seine Anzeigungen und Weissagungen in den Sternen deß Himmels gehabt, und sich in den Causis secundis oder Neigungen der Sternen hätte spühren lassen, da uns doch GOtt in Ihm geliebet hat, ehe der Welt Grund geleget worden, aus der Epistel an die Ephes. im 1. v. 5. Ehe denn die Sterne, und derselben Namen gewesen. Daher das Werck unserer Erlösung genennet wird[228] ein Geheimniß, das von der Welt her verschwiegen ist, wie Paulus redet in der Epistel an die Römer im 16. v. 25. Ephes. 3. vers. 6.

Uber das alles kan keine vernünfftige rechtmässige Ursach angezeiget werden, warum so eben die Impression und Eindruckung der himmlischen Influenz in dem Moment und Augenblick der Geburt eines Menschen so kräfftig seye, und stärcker als andere Einflüsse, die sonsten die Zeit seines Lebens über ergehen, daß ihrentwegen alles geschehen, und sich alles Thun und Lassen nach ihr gleichsam reguliren und richten müste.

Die Vernunfft rahtet ja schnurstracks das Widerspiel, als welche der gegenwärtigen Constitution und Beschaffenheit deß Himmels sowol ihre Krafft und Würckung zuschreibet, als die, die schon vergangen ist. Wenn man derowegen einer jeden Stund, Tag, Monat und Jahr seine gewisse und unzehlbare Impressiones zueignet, so schliesset sichs nicht unbillich, daß durch solche die erste und alte so in der Geburt soll eingedruckt worden sein, geschwächet und verdunckelt werde. Und bezeugets die Erfahrung, daß mancher Mensch durch fleissiges Auferziehen, durch eine gute Diæt und Mässigkeit in Essen und Trincken, durch gute und erbauliche Conversationen mit andern, item durch grosse Krankheiten und andere Zufälle sich selbsten ändere und im Alter anderst werde, weder er in der Jugend gewesen ist; was hilfft nun diesem seine Impression und der Einfluß, den er aus den Sternen in seiner Geburt empfangen haben soll? wird nicht dessen Nichtigkeit hieraus gewaltiglich erhalten und erzwungen, daß seinethalben [190] nichts gewisses vom Leben und Wandel eines Menschen zuvor gesaget werden kan?

Weiter so ist es ja unmüglich, daß man præcisè und eigentlich die Stund und vor allen Dingen den Augenblick der Geburt eines Menschen, will geschweigen der Empfängniß, unfehlbarlich wissen kan; denn darmit gehet es nicht selten lange und sorglich zu, und geben die Nativitätisten selber nach, daß der Himmel so geschwind herum lauffe, daß dessen Sterne, ehe man sich umsihet, sich verändern und zu etwas anders disponiren. Wer will nun unter ihnen treffen die Zeit und den Punct der Zeit, darinnen ein Kind zur Welt geboren wird? ist dieses aber unmüglich zu treffen, wie es in Wahrheit ist, so ists auch vergebens und umsonst, ex certo Astrorum positu das geringste vorher zu verkündigen.

Darzu wenn man betrachtet, daß bisweilen Zwillinge von einer Mutter geboren werden, kurtz aufeinander, und eine geringe Zeit dazwischen verlauffet, die doch der Natur und Inclination nacheinander gantz zuwider seynd in ihrem Leben, in ihrem Fürnemen, Handlungen,[229] Glück, Künsten, Ehren, und andern zum menschlichen Leben behörigen Dingen, auch im Tod nicht gleich seynd. Wie kommet es, daß Jacob und Esau, die so nahe einander in der Geburt gefolget, daß einer deß andern Fersen gehalter, Genes. 25. v. 35. und also unter einem Gestirn auf die Welt kommen, gleichwol gantz contrare und widrige Naturen und Zustände gehabt?

Und welches fast höher dringet, so werden auf der weiten breiten Welt gleich zu einer Zeit viel tausend Menschen wol alle Tage geboren, und seynd gleichwol nicht einer Natur, sie lernen und treiben nicht einerley, es begegnet ihnen nicht ebenmässiges Glück oder Unglück, welches sonst geschehen müste, wo die Sterne etwas imprimireten.

Zu deme was solche Astrologi dem Menschen als gewiß zuvor verkündigen wollen, daß ihme dieses oder jenes begegnen werde, daß müssen sie herwissen entweder von GOtt, oder dem Himmel, oder deß Menschen Willen selbsten, aus Ursach, weiln GOtt, der Himmel und deß Menschen Wille, Ursachen seynd der zukünfftigen Dinge.

Von GOtt aber haben sie diese Wissenschafft nicht her: denn es heisset hier, wie es in der Epistel an die Römer im 11. v. 34. stehet, wer hat deß HErrn Sinn erkannt? oder wie es heisset in der ersten an die Corinth. im 12. v. 11. Niemand [191] weiß was in GOtt ist, ohne der Geist GOttes; der will ihnen auch solche Wissenschafft nicht mittheilen, als denen es nicht gebühret zu wissen Zeit und Stund, welche der Vater seiner Macht vorbehal ten hat, Actor. 1. v. 7.

Vom Himmel haben sie sie auch nicht: denn die zukünfftige Dinge die in deß Menschen freyen Willen stehen, können aus deß Himmels Stande nicht erkandt werden; alldieweiln der Himmel ist causa universalis, eine allgemeine Ursach, die zukünfftige Dinge aber seynd particulares effectus, sonderbare Wercke und Dinge: und kan auch die Seele und der Wille deß Menschen, als ein geistliches Ding, dem Himmel, als einem materialischen und leiblichen, nicht unterworffen seyn.

Von deß Menschen freyen Willen haben sie sie auch nicht, denn sie wissen nicht was in dem Menschen ist, sondern GOtt weiß es, Joh. 2. v. 25. Es verhält sich auch der Mensch in denen Dingen die zukünfftig seynd, indifferent und also, daß sie von ihme geschehen oder auch nicht geschehen können: daher auch ein Astrologus darvon nichts gewisses sagen kan. Ja es kan der Mensch der Inclination und Neigung der Sterne widerstehen, und derselben zu wider thun, und sie hierdurch gar verhindern. Denn wie er das Gute, so ihm etwan sein Horoscopus und Geburts-Stund andeutet, mit dem Gebet und andern gottseligen Ubungen im Leben kan befördern helffen, daß es durch GOttes Gnade desto eher erfüllet wird: also kan er auch im Gegentheil[230] das Böse so ihm darinnen wird angedeutet, mit dem Gebet und Christlichem Leben und Wandel hindern und ihm zuvorkommen, daß es GOtt aus Gnaden abwendet.

Ein hochberühmter Theologus und Chronologus weisete einsten dem Herrn Phil. Melanchthoni seine Nativität: als er sie nun besehen, lächelte er, gibt sie ihm wider und spricht: Non plus Fata tamen quam pia vota valent; gebt euch zu frieden, ein starckes Vatter unser kan alle böse Aspecten aufhalten, ita refert Dn. Herbergerus, et addit; ich Valerius, habe mich mein Lebenlang für solchen Fürwitz gefürchtet, ich habe niemals meine Nativität zu stellen gestatten wollen, ich will lieber meinem HErrn JEsu und seinem Pater noster, das er mir zu beten befohlen hat, trauen, Part. 10. Magnal. Medit. 25.

Also sagte vor vielen Zeiten auch der hochverständige Aristoteles, 1. 6 Metaph. c. 3. daß zwar das Gestirn eine Würckung in die irdische und viehische Seelen habe, welches aber [192] die vernünfftige Seele eines gerechten Menschens alles abwenden könne. Und der weise König Alphonsus, der sonst die Gelehrten sehr hoch hielte, antwortete, als er gefraget wurde, warum er doch den Nativitätstellern keine besondere Ehre erzeigete? Astra regunt fatuos, Sapiens dominabitur Astris; Stulti ergo Principes Astrologos honorant: Das Gestirn, sagt er, regiret die Thoren, aber ein weisser Mann weiß, daß ihm das Gestirn nichts zu gebieten habe. Æneas Sylvius 1. 4. Comm. de reb. gest. Alph. n. 3.

Darum eifert der H. Augustinus so sehr über die jenige, welche ihre Sünde mit dem Gestirn entschuldigen wollen, und sagt: es sprechen die Menschen, die Natur und das unvermeidliche Geschicke und Antrieb der Sternen hat mich darzu gebracht. Höre Mensch, was ist das für eine Natur, und unvermeidliches Geschicke und Antrieb der Sternen? wo seynd dieselbige Sterne? gewißlich seyd es diese so an dem Himmel stehen. Wer hat dieselbige erschaffen? GOtt, wer hat ihren Lauff also geordnet? GOtt. Sihest du nun, wo es hinaus lauffe? denn du wilst soviel sagen: GOTT ist schuld daran, daß ich gesündiget habe, darum muß GOTT ungerecht seyn; du aber bist gerecht in deinem Thun, Denn wenn er die Sterne nicht also er schaffen hätte, so hättest du nicht gesündiget, super. Psalm. 31.

So mag nun solche lästerliche Einbildung hinfahren, und soll ein rechtschaffener Christ glauben, daß seine Zeit nicht an das Geschöpff gebunden seye, und in Gottes Händen stehe, wie gar recht erinnert der selige Herr Dilherr, im Zeit- und Welt-Lauff, Part. 1. Medit. 4.

Daran aber hindert mit nichten, daß unterweilen die Prædictiones eintreffen; denn das geschihet entweder ohngefehr, oder aus andern Ursachen, und nicht aus den Sternen: und wo auch zu Zeiten etwas[231] gemercket wird, das mit dem Ausgang, der zuvor verkündiget worden, bestättiget wird, so finden sich doch unzehliche andere Thaten, die nicht gemercket noch erfüllet werden. Oder wie Herr D. Danhauer Part. 1. Lact. Catech. p. 227. hiervon schreibet: hat schon bisweilen etwan einer aus den Sternguckern mit seinem Prognostico eingetroffen, so ists doch keine Ursach, daß man darum solchen Phantaseyen Glauben zustellen solle. Es findet bisweilen auch der Blinde ein Hufeisen, und eine blinde Henne ein Körnlein, (fehlet aber meinstentheils) und was ists Wunder, wenn [193] einer offtmals würffelt, so er auch einmal eilff oder zwölff Augen wirfft, es muß ja nicht immerdar fehlen. Triffts einer aber allezeit, und sagt gerade zu, so gehets gewiß nicht recht her, es laufft die Schwartzekunst mit unter, der Satan liget mit unter der Decke.

Spurinna hatte dem C. Jul. Cæsari zuvor gesaget, er solte sich am funffzehenden Tag Martii wol hüten und vorsehen, denn da würde sein Unglück nicht aussen bleiben. Cæsar hat zwar dessen gelachet, und da der funffzehende Tag Martii gekommen, deß Spurinnæ gespottet, als ob er hätte falsch geredet, sintemal der benandte Tag da, und er doch ausser der Gefahr wäre. Spurinna hat darauf geantwortet, der Tag wäre zwar gekommen, aber noch nicht aus, und vorbey gangen. Und hat sichs auch im Werck also gefunden: denn da Cæsar bald darauf in das Rahthaus eingegangen, ist er am selbigen Tag erstochen worden, Sueton. in J. Cæs. c. 81.

Da König Henricus der IV. dieses Namens, am vierzehenden Tag Martii, Anno 1610. zu Paris in seiner Kutschen erstochen worden, hat ihme auch solches ein Astrologus zuvor verkündet.

Hiervon schreibet nun Emanuel von Meteren, im zwey-und-dreyssigsten Buch der Niederländischen Historien: Man sagt, daß dem König der Hertzog von Vendome, sein Barstart-Sohn, desselbigen Tages gewarnet habe, weiln der Medicus la Brosse, ein alter Astrologus gesagt hätte, er solte sich diesen Tag wol vorsehen, denn es würde ihm nach dem Leben gestellet werden.

Der König soll geantwortet haben: la Brosse wäre ein alter Narr, und Vendome ein junger, weiln er dem alten Glauben gebe. Aber die Wahrheit hat sich nichts desto weniger gefunden: denn um vier Uhr Nachmittag ließ der König seine Kutsche anspannen, und wolte mit dem Duc de Suily, seinem Thresorier, ins Arsenal oder Zeughaus fahren, Ordnung zu den künfftigen Triumph, so bey dem Einzug der Königin und deß jungen Dauphins solte gehalten werden, anzustellen. Zu ihm sassen in die Kutsche die Hertzogen von Espernon und Mombasson, benebens zween andern Herren. Der König wolte nicht, daß ihme die[232] Leibguardie dißmal folgen solte.

Als er nun kame in die Gassen la feronerie genandt, bey den unschuldigen Kindlein, war ihm ein Mörder nachgefolget, der lang auf ihn gepasset hatt, ein grosser starcker Mann. Da [194] nun dem König ein Karren in den Weg fuhre, dadurch der Kutscher etwas still halten muste, drange dieser Mörder unter dem Volck hervor, und gabe ihm mit einem an beyden Seiten schneidenden Messer eines Schuhs lang, zween Stiche zum Rücken hinein nach dem Hertzen, dadurch die grosse Hertz-Ader entzwey geschnitten worden, daß der König so bald die Sprach verlor, und vorwarts tod niederfiele.

Ob nun gleich in diesen, und etwan mehr andern Exempeln die Nativitätstellung eingetroffen, so ist doch daraus erstlich keine gewisse allgemeine Folge zu erzwingen, dieweil es lauter rara und contingentia seynd, und dargegen wol viel hundert mal hierinnen gefehlet worden.

Zum andern so ist die Frag: Ob eben allein aus dem positu deß Himmels und Würckung der Sternen, oder aber aus sonderlicher Erleuchtung des H. Geistes, der Prognosticant geweissaget habe? oder aber, (wie denn wol solcher Prognosticanten gewesen) aus Eingeben deß bösen Geistes, und wie sie genennet werden, der familiarischen Geister, geweissaget, welches hernach der Teuffel an den Gottlosen, bey welchen er mächtig ist, oder auch wol bey den Frommen, wenn man zur Zeit nicht betet, oder GOtt sonsten ein solches, jedoch nicht zum Seelen-Schaden, verhenget, effectuiren, und eine tödliche Kranckheit oder anderes Unheil an den Hals bringen können, damit es das Ansehen habe, als seye es nach Inhalt der Nativität durch deß Himmels Lauff geschehen.

Denn obgleich der Teuffel ohne GOttes Willen uns kein Haar krümmen kan, und eigentlich die futura von deß Menschen Lebens-Ziel nicht weiß, so kan er doch dieses und jenes, was er in Willens ist, oder bey GOtt zu erlangen getrauet, gleich als zukünfftige Dinge durch Menschen weissagen, und hernach obgedachter Massen zu Werck richten: fehlets ihm aber, so schämet er sich der Lügen nicht groß, weiln man wol weiß, daß er ein Vatter der Lügen ist.

Drittens, so ist hierinn auch zu bedencken, ob nicht ihrer viel, wenn sie der Nativität, so sie ihnen haben stellen lassen, so hart und vest getrauet zu der ihnen bedeuteten Zeit, durch stetige und scharffe Einbildung ihnen allererst die prognosticirte tödtliche Kranckheit an den Hals gebracht; immassen den Medicis nicht unbewust ist, daß ihme ein Mensch ja sobald durch sich selbst bey sothaner Einbildung, als von einem andern durch Inficirung, eine tödtliche Kranckheit zuziehen. und durch [195] Verhengniß GOttes zum Tod bereiten kan: worvon[233] Herr D. Schmid folgendes Exempel erzehlet, Conc. 7. im Psalm. 90.

Ein gelehrter und nicht unbekandter Mann, dem solches begegnet, schreibet an einem andern auch gelehrten Mann, wie ich die Copias solches Schreibens annoch bey meinen Händen habe, also: Es erzeiget sich bey mir, bey gegenwärtigen geschwinden Zuständen etwas Furcht und Grauen, welchen ich mehrentheils die Schuld giebe der grossen Thorheit so ich begangen, indeme ich mir meine Nativität habe stellen und aufrichten lassen, darinn mein Terminus vitæ (Lebens-Ende) auf dieses Jahr gesetzt ist, darüber ängstiget sich die Natur, ob ich schon weiß, was von solchem allen zu halten, und daß mein Ziel in GOttes Händen stehet.

Schliesset zuletzt also: Meine Tag deß Lebens wolte ich keinem rahten, daß er ihm die Nativität stellen lasse.

Diß seynd die Formalia deß sonst gelehrten und wolbe kandten Manns, der auch wol im selbigen Monat sein Leben geendet, welcher, als ich nicht zweiffele, länger gelebet hätte, wenn er solche Thorheit, wie er sie selbst nennet, nicht begangen, sondern seinen Eingang und Ausgang GOtt in kindlicher Einfalt befohlen hätte.

Vierdtens, so kans auch GOtt einem nach dem gestellten Prognostico ergehen lassen, nicht wegen der Sternen, sondern zur Rache und Straffe, darnach er gerungen, und darmit er sich versündiget hat, daß er seine Hoffnung nicht zu GOtt allein, sondern auch zum Gestirn und Astrologo gesetzet, und dergestalt den geheimen Raht GOttes erfahren wollen. Da uns doch Christus gebeut, daß wir auch nicht auf den morgenden Tag für unser Leben (heidnischer Weise) sorgen, sondern alles GOtt anheim stellen, und uns ihme befehlen sollen.

Welches denn in Acht hätte nemen sollen Cariton, ein Edelmann zu Urbino, dessen der E. Herr G. P. Harsdörffer gedencket in der 37. Erzehlung im andern Theil deß grossen Schauplatzes Jämmerl. Mordgeschichte, folgendes Inhalts:

Cariton ein Edelmann zu Urbino, hatte sich von Jugend auf mit zulässigen Wissenschafften nicht vergnügen lassen, und allezeit gelehrter als gottsfürchtiger seyn wollen. Sonderlich aber liesse sich dieser Edelmann gelüsten, das Zukünfftige zu wissen, und hatte ihm der Satan durch die Sterne-Kunst mit einer ungefehr eingetroffener Warheit viel Lügen verkaufft.

Er hatte den Planeten Lauff in seiner Geburts-Stunde [196] zu Papier gebracht, und auch andere Erfahrne dieser Kunst darvon urtheilen lassen, welche alle einmütig geschlossen, er werde keines natürlichen Todes sterben, sondern durch seinen Tochtermann ermordet werden. Dieses schwebte ihm unablässig in den Gedancken, und wie die bösen[234] Zeitungen mehr eintreffen als die guten, ist ihm diese Furcht gleichsam zum Hencker worden, und wie ein Schwerdt Damocles über dem Haupt geschwebet.

Er hatte drey Töchter, die nöthigte er alle drey in das Closter, damit er ja keinen Tochtermann für seinen Augen sehen solte. Die zwo ältesten willigen gerne in solch einsames Leben; die jüngste und frischte aber, Eugesta genannt, name ihr eine Bedenckzeit, welche sie nach und nach verlängerte, und endlich ungescheuet sagte, sie hätte kein Nonnenfleisch, und fühlte, daß ihr diese Art zu leben unerträglich, und ihr Gemüte von GOtt nicht darzu gewidmet.

Nachdem nun mit Drohen und Straffen nichts auszurichten, sperret sie ihr Vatter in eine Gefängniß auf seinem Landgut, da sie noch Sonne noch Mond bescheinen kundte, der Hoffnung sie solte noch froh seyn, von dar aus in das Closter zu gehen. Der Verwalter solches Landguts hatte nicht wenig Mitleiden mit dieser unschuldig-Gefangenen, und erzehlete Marso einem Edelmann, der in der Stadt Urbino sich wegen begangener Ableibung nicht dörffen sehen lassen, und auf dieses Schloß in Bauren-Kleidern geflohen ware, daß sie, die Jungfrau, wegen ihres Vatters Aberglauben allda gefangen läge.

Dieser Marso verliebte sich von hören sagen, und begibt sich also unbekandter Weise in deß Verwalters Dienst, daß er in wenig Tagen Gelegenheit bekommt diese Eugestam zu sehen, zu lieben und von ihr geliebet zu werden. Daß der alte Cariton in ihre Verlöbniß nicht willigen würde, aus vorbesagten Ursachen, wusten die beeden Verliebten gar wol, und entschlossen sich deßwegen die Flucht zu nemen, und nach Livorno zu entwei chen, welches auch mit Gelegenheit geschehen.

Cariton wurde alsobald innen, daß seine Tochter entkommen, und mit einem Baurenknecht Sylvio genannt (diesen Namen hatte Marso angenommen) nach Livorno gereiset: hierüber betrübte sich Cariton Tag und Nacht, weiln er kennete den, so sein Tochtermann allbereits ohne Zweiffel worden; und so viel er Unbekandte ansahe, vermeinte er bey jedem, dieser oder jener werde ihn umbringen.

[197] Es fügte sich aber daß Cariton den Hertzog von Urbino mit einer bösen Rede beleidigte, und deßwegen nach Livorno fliehen muste, weiln etliche hundert Cronen auf seinen Kopff gebotten worden. Also kame Cariton auch nach Livorno, Willens in Spanien abzusegeln. Marso erkennet ihn alsobald, weil er ihn zuvor bey Hofe gesehen; Cariton aber kennete Marso nicht, und will ihm Eugesta mit einem Fußfall, benebens ihrem Mann ihr Verbrechen ab, und um Gnade bitten.

Als deßwegen eines Tags Marso mit zweyen von seinen Freunden sich bey Cariton um Verhör anmelden lässet, bildet er ihm ein, es[235] wären Leute die ihn greiffen und zu Verhafft bringen wolten, nimt derohalben sein Pistol und seinen Degen, tritt für die Thür, und indem sich Marso neiget, schiesset er ob seinem Haupt hinweg: deßwegen denn Marso vermeinet, sein Schwervatter wolle ihn ermorden, entblösset den Degen, sich zu vertheidigen, und durchrennt sich Cariton selbsten, daß er tödtlich verwundet zu Boden sancke, Marso auch Anfangs in den Arm verletzet worden.

Cariton lebte noch bis auf den Abend, und erzehlete den Mißverstand, welcher unter beeden vorgegangen, und hatte noch Zeit seinen Aberglauben zu bereuen, und sowol schrifftlich seinen Fürsten, als mündlich seinen Tochtermann um Verzeihung zu bitten: massen auch selbiger (Marso) vor Gericht frey gesprochen, und nachmals bey dem Hertzog gnädige Lands-Huldigung erhalten hat.

Schließlich ist auch wol mancher Astrologus und Nativitätsteller ihme selbst mit solch-seinen Prædictionibus uud Weissagungen gantz schädlich gewesen.

Zu Johanni Galeacio, Hertzogen su Meyland, immassen Nicet. Chron. 1. 5. c. 7. berichtet, sagte einsmals ein Astrologus, er sehe soviel aus dem Gestirn, daß er, der Hertzog, kein hohes Alter würde erreichen, sondern jung sterben. Der Hertzog fragte ihn hierauf, ob er denn auch wüste, wie lang er selbst leben würde? Als er nun geantwortet, er hätte noch lang zu leben; da liesse ihn Galeacius ohne Verzug hencken, ihme darmit zu erweisen, daß seine Kunst weit fehlete.

Papst Johannes der XXII. dieses Namens, den etliche den XX. etliche den XXI. nennen (vorhin Petrus Hispanus genannt) war deß Himmelslauffs wol erfahren, stellete ihm selbst seine Nativität, und beredete sich selbst, er würde gar alt werden, und lang den Päpstlichen Stul besitzen; liesse sich [198] auch dessen offentlich bey den Seinigen vernemen: aber im vierdten Monat hernach, welcher war der achte seiner Regierung, ward er durch Einfallen eines Gewölbes oder Cammer, so er allererst im Pallast zu Viterbo neu erbauen lassen, erschlagen: bliebe zwar nicht alsobald tod, sondern er ward unter dem Gehöltz und Steinen hervor gearbeitet, und starb am siebenden Tag hernach, im Jahr Christi 1277. Videatur Nigrinus in der Päpstischen inquisition pag. 488.

Es hatte ein Astrologus in seinem Prognostico ungescheuet gesetzet, Henricus VII. König in Engelland würde selbiges Jahr mit Tod abgehen. Der König liesse den Astrologum mit freundlichem Schreiben gantz ehrerbietig abholen, und in seiner Gegenwart fragen, ob er seiner Kunst gewiß wäre, und ob einer aus dem Gestirn etwas Gewisses schliessen und anzeigen könne?

[236] Da nun solches der Astrologus bejahet, und vermeinet, er werde seiner Kunst halben hochgeehret und gerühmet werden, hat der König ihn gefraget, ob er ihme denn auch selbsten eine Nativität gestellet, und wüste, was ihm begegnen würde? und weiln die Weihnacht-Feyertäge vor der Thür, ob ihme wissend, wo er seine Feyertäge halten würde?

Als er aber geantwortet, nein, das wisse er nicht; hat der König gesaget: Wolan, so bin ich gelehrter als du, denn ich weiß es, und befihlet alsobald ihn in den Thurn zu werffen, und nicht eher heraus zulassen, bis das Jahr vorüber, in welchem gleichwol der König am Leben geblieben. Illic ubi fatis refrixerat divinandi calor, cum risu dimissus est, saget Erasmus, de Lingua.[237]

Quelle:
Pfitzer, Nikolaus: Das ärgerliche Leben und schreckliche Ende deß viel-berüchtigten Ertz- Schwartzkünstlers Johannis Fausti [...]. Tübingen 1880 [Nachdruck: Hildesheim, New York 1976], S. 223-238.
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