Nachschrift an den Romantiker.

[181] Vorwürfe hab' ich gehört, noch eh' ich zu Stand gebracht

Das Werk, mit welchem ich dich, mein süßer Gesell, bedacht;

Es sprachen Freunde zu mir: »Wir sind an Poeten reich,

Was wählst du Helden dir aus, die schwach und verrückt zugleich?

Wer Nachtigallengesang zu tönen versteht, wie du,

Zieht sich das Rachegekreisch des Krähengeschlechtes zu?[181]

Nie hat Apollo gezielt auf Hasen und andern Troß,

Die stolze Niobe nur demüthigte sein Geschoß.«


Ich muß vor solchem Verdacht vertheidigen jenes Lied:

Mein Held, was bist du mir denn, mein hinkender Jambenschmied?

Ein Ueberbleibsel der Zeit, die hoffentlich nun vorbei,

Jahrzehntelangen Gequicks romantischer, letzter Schrei!

Zwar macht dich keiner so leicht, sammt deinen Gefährten, stumm;

Doch denken lerne die Welt, und scheide Gerad' und Krumm!

Irrthümern bin ich gefolgt und habe, da falscher Schein

Betrügt, die Hefe geschöpft, zu zeigen, wie schlecht der Wein,

Dem Volk zu zeigen, wohin, in welches Gewölk von Dunst

Unreifer Schwindel geführt, und kindische, lahme Kunst:

Erst war man blos paradox, bald folgte der tollste Quark,

Wahrheit ergrimmte zuletzt, und siehe, sie war so stark!

Gewiß, mir hätte den Ton der Leier die Scham gedämpft,

Wenn dein Geklimper ich blos, langweiliger Mensch bekämpft!

Volksthümlich nennen sie dich; drum hörtest du wohl, wie's scheint,

Daß auf die Säcke man schlägt, indeß man den Esel meint?

Ich muß, damit sich dabei beruhige dein Geschmack,

Gestehn dir, daß du allein im obigen Fall der Sack.


Quelle:
August von Platen: Die verhängnisvolle Gabel / Der romantische Ödipus. Stuttgart 1979.
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