Nr. 72. Der silberne Krug.

[43] Bergmann Frick aus Zellerfeld suchte mit seinen Töchtern am Brocken Kronsbeeren, wurde aber dort von der Nacht ereilt, zündete ein Feuer an und legte sich daran mit den Mädchen nieder. Diese schliefen fest, der Bergmann aber wachte, da sah er eine Laterne daherkommen, die rief er an und es traten drei Männer zu dem Feuer, die leisteten ihm während der Nacht Gesellschaft. Am andern Morgen geboten sie ihm, selbst seinen Töchtern nicht zu sagen, daß sie bei ihm gewesen wären und das hat der Bergmann auch treulich gehalten. An dem Tage, wo der Bergmann gestorben ist, kommt ein Mann in seine Wohnung, bedauert seinen Tod und fragt die Töchter aus, ob ihr Vater nichts von den drei Männern gesagt hat, welche in der Nacht am Brocken bei ihm gewesen sind. Da er sieht, daß selbst die Töchter nichts davon wissen, sagt er: so möchten sie den Lohn hinnehmen, der ihrem Vater bestimmt gewesen, stellt einen silbernen Krug hin, sagt auch, der einen Schwester solle der silberne Krug gehören und der andern, was darin sei, und geht fort. In dem Kruge aber sind nichts als feine Gulden gewesen und mögen diese Männer wohl Venetianer gewesen sein.

Quelle:
Heinrich Pröhle: Harzsagen, zum Teil in der Mundart der Gebirgsbewohner. Leipzig 21886, S. 43-44.
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