II.

[137] Noch bis auf den heutigen Tag betrachten die Vogelsteller oder, genauer gesprochen, die Herdsteller auf dem Harze den Kaiser Heinrich gewissermaßen als ihren Schutzpatron. Es ist ein Herdsteller gewesen, der hat wollen zur Himmelfahrt zum Nachtmahle gehen und spricht zu seiner Frau:[137] »Hanne, ich kann mir nicht anders helfen, ich muß vorher ein paar Stunden nach dem Vogelherde gehen.« Und als er hinauskömmet, fängt er so viele Vögel, daß er nicht weiß wohin damit, und es drängen sich immer noch mehr in das Netz. Nun aber kömmt die Zeit heran, wo er zu dem Gottestische gehen muß. Seine Frau lauert auf ihn zu Hause, er aber kann sich nicht trennen von den vielen Vögeln, die sich immerfort in sein Netz drängen. Vergisset also den Gottestisch und fänget an diesem Tage so viele Vögel, daß er sie kaum tragen kann. Wie er aber heim kömmt und schüttelt die Vögel auf den Tisch, ist es eitel Pferdemist gewesen. Dies sind keine Lügen; der Herdsteller Schier, der's erzählte, hat's von seinen Vorgängern gehört.

Quelle:
Heinrich Pröhle: Harzsagen, zum Teil in der Mundart der Gebirgsbewohner. Leipzig 21886, S. 137-138.
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